Übernahme für 44 Milliarden Dollar Was macht Musk aus Twitter?
Dass Tweet-König Elon Musk Twitter aufkauft, erscheint vielen Beobachtern als folgerichtig. Jetzt wird gerätselt, was der Tesla-Boss mit dem Kurznachrichtendienst vorhat.
Elon Musk kauft den nur leidlich erfolgreichen Kurznachrichtendienst Twitter für rund 44 Milliarden Dollar. Das soziale Netzwerk hinkt anderen Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok seit Jahren deutlich hinterher. Während Facebook auf fast zwei Milliarden tägliche Nutzerinnen und Nutzer kommt, sind es bei Twitter gerade mal 230 Millionen. Wieso hat Musk solch einen Narren an dem Dienst aus San Francisco gefressen und was hat er mit der bisher wenig profitablen Plattform vor?
Belastbares Finanzierungsmodell
Was vor wenigen Tagen noch nach einem äußerst unwahrscheinlichen Deal aussah, ist nun Realität geworden. Die Verhandlungen zwischen Musk und dem Aufsichtsrat des Unternehmens hatten sich bis in die frühen Morgenstunden am gestrigen Montag hingezogen. Wendepunkt in den Verhandlungen war offenbar, dass der 50-Jährige eine belastbare Finanzierungszusage machen konnte.
Danach wird Musk 54,20 Dollar pro Aktie bezahlen, was insgesamt rund 44 Milliarden Dollar entspricht. Diese gewaltige Summe will Musk unter anderem mithilfe des Finanzdienstleisters Morgan Stanley sowie weiterer Kreditgeber aufbringen. Sie steuern 13 Milliarden an Fremdkapital bei. Weitere 12,5 Milliarden Dollar finanziert Musk durch die Beleihung seiner Tesla-Aktien. Zu guter Letzt möchte er weitere 21 Milliarden Dollar aus seinem Barvermögen aufbringen.
Twitter als ideale Bühne für Musk?
Im Silicon Valley weiß man noch nicht so recht, ob man die Übernahme bejubeln oder verdammen soll. In der Tech-Welt schlägt dem 50-Jährigen, dessen Vermögen auf fast 270 Milliarden Dollar geschätzt wird, eine generelle Bewunderung entgegen. Gleichzeitig aber steht er für einen neuen Typus von CEO, der weit mehr sein will, als nur ein reiner Unternehmenslenker, der gegenüber seinen Anteilseignern alle drei Monate brav Rechenschaft ablegt. Musk verfolgt ein anderes Ziel: Er will den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Für ihn sind seine Unternehmen Plattformen für das, was ihm am Herzen liegt. Twitter ist hier die ideale Bühne für ihn.
Hier gibt es durchaus einen Trend: Silicon Valley Investor Marc Andreesen kontrolliert die Audioplattform "Clubhouse", Amazon Gründer Jeff Bezos gehört die Zeitung "Washington Post", Tech-Investor Peter Thiel unterstützt politische Kandidaten am rechten Spektrum und gilt als Vertrauter von Ex-US-Präsident Donald Trump.
Was versteht Musk unter Meinungsfreiheit?
Obgleich er immer wieder betont, wie wichtig ihm die Meinungsfreiheit und die Demokratie seien: Die allerwenigsten in der Tech-Industrie nehmen ihm das ab. Bester Beweis ist für viele Beobachter ein Tweet von Musk, den er vergangene Woche abgesetzte, nachdem er erfahren hatte, dass Microsoft-Gründer Bill Gates seine Tesla-Aktien reduziert hat. Musk twitterte daraufhin ein unvorteilhaftes Bild von Gates und schrieb: "Falls du schnell einen Ständer verlieren willst"
Für viele in der Tech-Industrie sind solch Tweets von Musk ein Ausweis dafür, wie wenig der künftige Besitzer von Twitter von Inhalte-Moderation in Zeiten von Hass-Rede und Falsch-Nachrichten versteht, wie sie auch bei anderen Unternehmen wie Facebook, Snap oder YouTube gelten.
Noch viele Fragen unklar
Doch wie geht es für die Twitter-Belegschaft weiter? Noch-Konzernchef Parag Agrawal hat sich am Nachmittag mit einem Teil der gut 7500 Twitter-Angestellten getroffen und sie über die jüngste Entwicklung informiert. Es werde keine Entlassungen geben, betonte er laut Teilnehmern. Eine Bemerkung Agrawals war aber augenfällig: Wenn die Übernahme durch Musk vollzogen sei, wisse man nicht, in welche Richtung es für das Unternehmen weitergehen werde.
Viele Mitarbeitende haben Sorge, dass sie unter dem neuen Besitzer ihren Arbeitsplatz verlieren oder dass das Unternehmen seinen Firmensitz nach Texas verlagern könnte, so wie das Musk bereits mit dem Autobauer Tesla gemacht hatte.
Musk ventilierte zudem die Idee, den Firmensitz mitten in San Francisco dichtzumachen, Mitarbeitende zu entlassen und den Vorständen des Unternehmens kein Gehalt mehr zu bezahlen. Dadurch könnten drei Millionen Dollar pro Jahr eingespart werden. Dass der derzeitige Vorstandschef, Parag Agrawal gehen muss, scheint gesichert. Er vertraue der Führungsmannschaft des Unternehmens nicht, hatte Musk mehrfach öffentlich erklärt.
Kaffeesatzleserei aus Musk-Tweets
Musk hatte in den vergangenen Wochen mit seinen Tweets, was er bei Twitter anders machen würde, mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Mehrfach hatte er erklärt, er wolle das Angebot zu einer globalen Plattform für Redefreiheit umbauen. Den gut 500 Inhalte-Moderatoren warf er vor, sie würden sich zu häufig und zu stark einmischen. Die meisten der bestehenden Moderationsrichtlinien, die Gewaltandrohungen, Belästigungen oder das Spamming verbieten, wolle er abschaffen, so Musk.
Mit seiner Firma The Boring Company will der Multimilliardär den Transport mit Hilfe von Tunneln revolutionieren. Dieses Unternehmen wird mit über 5,5 Milliarden Dollar bewertet. Musk ist außerdem Mitgründer und Vorstandschef von Neuralink. Ziel des Gehirnchip-Unternehmens ist es, dass Menschen und Computer miteinander kommunizieren können. Das Start-up wird insgesamt mit rund einer Milliarde Dollar bewertet. Daneben ist Musk auch am Bezahldienstanbieter Stripe sowie am KI- und Roboter-Start-up Vicarious beteiligt.
Er sieht Twitter als Marktplatz an, auf dem jeder seine Meinung sagen dürfe. Den Algorithmus, der festlegt, welche Tweets in den Benutzerkonten bevorzugt dargestellt werden, will Musk öffentlich machen. Einen Bearbeitungsbutton soll dafür sorgen, dass die User ihre Tweets nachträglich verändern können, ohne gleich den gesamten Tweet löschen zu müssen. Musk könnte außerdem die Begrenzung auf 280 Zeichen pro Tweet aufheben.
Auch das werbefinanzierte Geschäftsmodell von Twitter sieht er kritisch. Im vergangenen Jahr erzielte Twitter 90 Prozent seiner Einnahmen durch Werbung. Stattdessen könne er sich ein Abo-Modell vorstellen, so wie der Twitter-Zusatzdienst "Blue", der monatlich 2,99 Dollar kostet und Premium-Funktionen wie einen "Tweet rückgängig machen" anbietet.
Kommt "TheRealDonaldTrump" wieder zurück?
Eine andere Frage, die in den vergangenen Tagen immer wieder auftauchte: Was passiert mit dem Twitter-Konto von Ex-US-Präsident Donald Trump? Der war nach den gewaltsamen Ausschreitungen am 6. Januar 2021 von der Plattform gesperrt worden. Facebook hat Trump ebenfalls gesperrt.
Musk könnte das Trump-Konto wieder reaktivieren lassen, der in den vergangenen Monaten mehrfach erfolglos versucht hatte, eine eigene Social-Media-Plattform aufzubauen. Ähnlich wie Musk betrachtet Trump Twitter als sein Sprachrohr, über das er in der Vergangenheit Leute beleidigt und diffamiert hatte. Sicher ist eine Rückkehr von Trump allerdings nicht, schon allein weil der Betroffene genau das in einem Interview Mitte April abgelehnt hatte.
Analysten und Wall Street sind besorgt
Analysten sind über den Einstieg nicht in Jubel ausgebrochen. Sie befürchten, Musk könne seine andere Unternehmen vernachlässigen. Der 50-Jährige ist sowohl Chef von Autobauer Tesla, als auch der Raketenfirma SpaceX. Ihm gehört außerdem das Biotech-Unternehmen Neuralink sowie die Tunnelbau-Firma Boring Company.
Am Donnerstag veröffentlicht Twitter seine Quartalsergebnisse. Rückfragen durch Analysten und Presse soll es diesmal nicht geben. Das Unternehmen hat vorsorglich die Pressekonferenz abgesagt. Zu viel liegt derzeit im Vagen für den einstigen Social-Media-Shooting-Star.