Geplante Gewinnabschöpfung Ökostromausbau in Gefahr?
Die Pläne der Bundesregierung zur Abschöpfung hoher Gewinne bei Stromproduzenten stoßen bei Ökostromherstellern auf Skepsis. Sie fürchten, der Ausbau der erneuerbaren Energien könne dadurch ins Stocken geraten.
Die Ökostrom-Anbieter haben an die Politik appelliert, die geplante Abschöpfung hoher Gewinne nur als kurzfristige Maßnahme im Kampf gegen die akute Energiepreis-Inflation anzuwenden. "Natürlich will die Branche nicht zu den 'Kriegsgewinnlern' zählen und stellt sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung", sagte die Geschäftsführerin des Landesverbands Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen, Silke Weyberg, der Nachrichtenagentur dpa.
Ökostrom-Produzenten fürchten Belastungen
Mittel- bis langfristig müsse man aber sicherstellen, dass die Erzeugung aus alternativen Quellen in Deutschland stärker vorankomme und nicht durch dauerhafte Eingriffe wieder zusätzlich belastet werde, so Weyberg.
Es dürften dabei nicht ausgerechnet jene belastet werden, die man dringend brauche, um die fossile Energiekrise zu überwinden, betonte auch Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. "Entzieht man ihnen den Nährboden und die Planungssicherheit, dann werden sie im Ausland in Solar- und Windparks investieren, nicht aber in Deutschland."
EU-Energieministertreffen voraus
Auch der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie, Wolfram Axthelm, warnte, Maßnahmen für diesen Winter dürften nicht Probleme im folgenden Winter heraufbeschwören. "Denn entscheidend wird sein, durch einen schnellen Zubau der erneuerbaren Energien langfristig die fossile Energiekrise zu überwinden." Anreize für schnelle Investitionen in den Ausbau dürften nicht ausgebremst werden.
Morgen treffen sich die EU-Energieminister, um über die Vorschläge der EU-Kommission zur Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiefirmen zu beraten. Die Vorschläge ähneln den Plänen der Bundesregierung, "Zufallsgewinne" von Stromproduzenten abzuschöpfen und mit Hilfe einer Deckelung des Strompreises für die Entlastung von Verbrauchern zu nutzen.
Merit-Order-Prinzip bevorteilt Ökostrom-Hersteller
Hintergrund ist das so genannten Merit-Order-Prinzip am Strommarkt: Danach bestimmt das letzte Gebot, das an der Strombörse noch einen Zuschlag erhält, den einheitlichen Strompreis. Mit diesem Preisbildungssystem werden alle Produzenten belohnt, die Strom günstiger als zum Marktpreis produzieren können.
Aktuell sind das in erster Linie Hersteller von Wind- und Sonnenenergie, denn sie haben die niedrigsten Produktionskosten. Die Gewinnmarge ist hier also am höchsten. Der einheitliche Strompreis in Europa wird dagegen derzeit vor allem von teuren Gaskraftwerken bestimmt, die zur Stromproduktion genutzt werden.
Wind- und Solarbranche weiter im Vorteil?
Dabei war diese "Bevorteilung" der Ökostrombranche vom Gesetzgeber durchaus einst gewollt, um den Versorgern Anreize zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu geben. Die Regierung argumentiert aber nun, dass dieses Anreizsystem ad absurdum geführt wird, wenn der Höchstpreis zu sehr nach oben schießt.
In Regierungskreisen wird argumentiert, dass sich zumindest am Prinzip nichts geändert habe: Wer am günstigsten Strom produziere, der habe auch bei der Festsetzung einer Preisgrenze, ab der "Zufallsgewinne" abgeschöpft werden, immer noch den größten Profit.
In der ersten Hälfte des Jahres sorgten erneuerbare Energieträger mit 48,5 Prozent für fast die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms. Die größten Anteile hatten Wind (25,7 Prozent), Sonne (11,2 Prozent) und Biogas (5,7 Prozent).