Wettbewerbsfähigkeit Standort Deutschland immer unattraktiver
Zu viel Bürokratie, hohe Steuerlast, sinkende Innovationsbereitschaft, hohe Energiekosten, Arbeitskräftemangel: Laut einer ZEW-Studie nimmt Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit weiter ab.
Deutschland verliert nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Wettbewerb mit 20 anderen führenden Wirtschaftsnationen weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Im neuen "Länderindex Familienunternehmen" belegt die Bundesrepublik den 18. Platz unter den 21 Ländern. Im Jahr 2020 hatte Deutschland noch auf dem 14. Rang gelegen.
Es ist die neunte Auflage der alle zwei Jahre erscheinenden Analyse, die von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben wird. Spitzenreiter des Rankings sind die USA, hinter Deutschland liegen nur Ungarn, Spanien und Italien. Auch im Vergleich der deutschsprachigen Länder sieht die Bundesrepublik nicht gut aus: Die Schweiz belegt den vierten Platz, Österreich ist auf Rang 13.
Deutschland könne mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten, heißt es in der Studie. "Während andere Staaten in Infrastruktur investieren oder ihr Steuersystem reformieren, kommt Deutschland nicht voran. Der einzige klare Aktivposten ist die vergleichsweise geringe Verschuldung des Staates und der privaten Haushalte."
USA an der Spitze
ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerten in jedem Land sechs Standortfaktoren für Familienunternehmen: Steuerlast, Arbeitskosten und Produktivität, Aufwand und Kosten staatlicher Regulierung, die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, die Qualität der Infrastruktur und der öffentlichen Verwaltung sowie Energieversorgung und -kosten.
Energiepreisschock ein Wettbewerbsnachteil
Heinemann schreibt von einem "ernüchternden Bild". Der Energiepreisschock seit Beginn des Ukraine-Kriegs bedeutet laut Studie einen Nachteil für die Wettbewerbsfähigkeit mehrerer europäischer Länder. Doch kann Deutschland dies nach Einschätzung der Ökonomen nicht durch Vorteile in anderer Hinsicht ausgleichen.
Die gegenwärtige Krise sollte als Chance zur Umkehr begriffen werden, vor allem zum Abbau lähmender Regulierungslasten, schreiben die Studienautoren. Die steuerlichen Bedingungen müssten sich dringend verbessern. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sei eine echte Wende in der Bildungspolitik nötig. Die Genehmigung und Durchführung öffentlicher Investitionsvorhaben sollte sich in der Breite beschleunigen, so die Einschätzung.
"Im Vergleich aller 21 betrachteten Standorte bietet Deutschland nur für den Bereich Finanzierung noch erstklassige Standortbedingungen", heißt es. In den Bereichen Steuerlast, Energie, Arbeit und Regulierung sehen die Autoren Deutschland unter den Schlusslichtern.
Beispiel USA?
"Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren", kritisierte Rainer Kirchdörfer, der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. "Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen, das ist nicht das Feld, in das wir gehören." Seit dem ersten Länderindex 2006 lag Deutschland allerdings noch nie in der Spitzengruppe, aber anfänglich zumindest noch im Mittelfeld.
Spitzenreiter USA zeige herausragende Ergebnisse bei den Standortfaktoren Energie und Regulierung, so die Studie. Doch wer die USA als unschlagbar attraktiven Standort auch für deutsche Unternehmen betrachtet, dürfe die dort überdurchschnittliche Inflation nicht vergessen, schreibt Heinemann. Der Preis- und Lohndruck sei hoch in den USA. Verbunden mit der Dollar-Aufwertung mindere das die Attraktivität des Standorts.