Tarifkonflikt in den USA Historischer Streik bei den US-Autobauern
In den USA lässt die mächtige Gewerkschaft United Auto Workers die Muskeln spielen: Erstmals werden Werke der drei großen Autobauer auf einmal bestreikt. Der Tarifkonflikt könnte auch US-Präsident Biden in Bedrängnis bringen.
In einem bisher einmaligen Schritt werden Werke der drei großen US-Autobauer General Motors, Ford und Stellantis gleichzeitig von der einflussreichen Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) bestreikt. Die Arbeitsniederlegungen begannen in der Nacht zum Freitag, nachdem die Frist für Tarifverhandlungen ausgelaufen war. Die Gewerkschaft hat rund 150.000 Mitglieder.
Ein längerer flächendeckender Streik in der Autobranche könnte die US-Wirtschaft deutlich belasten. Der Arbeitskampf bringt auch Präsident Joe Biden ein Jahr vor dem nächsten Rennen ums Weiße Haus in eine Zwickmühle.
Deutliche Lohnerhöhung und Sozialleistungen gefordert
Die Hauptforderung der UAW in den Verhandlungen war eine Lohnerhöhung von 36 Prozent über vier Jahre verteilt. Die ursprüngliche Forderung lag bei 40 Prozent - weil in dieser Größenordnung die Einkommen des Top-Managements der großen Autokonzerne gewachsen seien.
Die Autobauer waren zu Zuwächsen von bis zu 20 Prozent über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren bereit. Der im März gewählte UAW-Vorsitzende Shawn Fain argumentierte, dass diese Angebote angesichts der Inflation und der profitablen Lage der Unternehmen unzureichend seien.
Ford-Chef wehrt sich gegen Forderungen
Ford-Chef Jim Farley sagte in einem Interview des Wirtschaftssenders CNBC am Donnerstag, sein Konzern könne die von der UAW geforderte Erhöhung nicht zahlen, ohne in die Pleite zu schlittern. Die Gewerkschaft konterte bei der Online-Plattform X (ehemals Twitter) mit dem Hinweis darauf, dass Farley im vergangenen Jahr ein Einkommen von 21 Millionen Dollar bezogen habe. Die Gewerkschaft fordert auch die Rückkehr einiger Sozialleistungen, die nach der Finanzkrise von 2008 abgebaut wurden.
Der Streik begann in GM-Werken in Missouri, einem Stellantis-Werk in Ohio und einer Ford-Fabrik in Michigan. Zum Peugeot-Konzern Stellantis gehört der US-Autoriese Chrysler. Von den ersten Arbeitsniederlegungen sind mehrere populäre Modelle wie Jeep Wrangler und Ford Bronco betroffen. Die UAW bestreikt die Autokonzerne üblicherweise einzeln statt gleichzeitig. Jetzt wissen alle drei Unternehmen nicht, in welchem ihrer Werke als nächstes die Arbeit niedergelegt werden könnte.
Biden in der Zwickmühle
Präsident Joe Biden, der sich traditionell als gewerkschaftsfreundlich präsentiert, sieht sich nun mit einem Dilemma konfrontiert. Ein Rückschlag für die US-Wirtschaft könnte seine Hoffnungen auf eine Wiederwahl in gut einem Jahr schmälern. Zudem gehören seine ambitionierten Umwelt-Pläne zum Ausbau der Produktion von Elektroautos in den USA zu den Auslösern des Streiks.
Der UAW ist bewusst, dass der Abschied von Verbrennermotoren zur Schließung traditioneller Werke führen könnte. Streit gibt es um Einkommen in neuen Standorten wie Batteriefabriken, die oft als Gemeinschaftsunternehmen mit Firmen aus Asien betrieben werden. Die Arbeiter beim Elektroauto-Konkurrenten Tesla sind nicht gewerkschaftlich organisiert.
Biden sprach am Donnerstag mit Fain und Spitzen der Autokonzerne "über den Stand der Verhandlungen". Unter Mitwirkung des Weißen Hauses wurden in den vergangenen Jahren mehrere potenziell folgenschwere Streiks abgewendet, unter anderem im Güterbahnverkehr. Die "Washington Post" berichtete, die Regierung bereite Unterstützungsmaßnahmen für Branchenzulieferer vor, die von den Streiks betroffen werden könnten.