Strompreisbremse rechtswidrig? Solarwirtschaft warnt vor Klagewelle
Der Bundesverband Solarwirtschaft hält die geplante Strompreisbremse für rechtswidrig und fordert die Politik zu Nachbesserungen auf. Andernfalls könnte es zu einer Klagewelle kommen.
Die im Rahmen der Strompreisbremse vorgesehene Abschöpfung von sogenannten Zufallserlösen ist einmal mehr auf heftige Kritik der Solarwirtschaft gestoßen. Einem Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbands Solarwirtschaft zufolge sind die Pläne der Bundesregierung zur Erlösabschöpfung rechtswidrig. Die Abschöpfung stelle eine unzulässige Sonderabgabe dar. Der Gesetzesentwurf verletze zudem elementare Grundrechte insbesondere der Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig, forderte die Bundestagsabgeordneten auf, den Gesetzesentwurf zur Finanzierung der Strompreisbremse zu entschärfen. Die Investitionssicherheit der Solarbranche sowie der Klimaschutz dürften nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Abschöpfung von Übergewinnen ab 1. Dezember
Das Bundeskabinett hatte sich am vergangenen Freitag auf einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer Strompreisbremse für das kommende Jahr geeinigt. Der Entwurf soll morgen in den Bundestag eingebracht werden. Danach soll bei Haushalten und kleineren Unternehmen für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs der Preis gedeckelt werden, und zwar auf 40 Cent je Kilowattstunde.
Finanziert werden soll die Strompreisbremse teilweise durch das Abschöpfen übermäßiger Gewinne am Strommarkt. Diese Abschöpfung erfolgt vom 1. Dezember an und ist zunächst bis 30. Juni 2023 befristet. Verlängert werden kann die Abschöpfung höchstens bis April 2024.
Hohe Zufallsgewinne in der Solarindustrie
Die Solarindustrie zählt zu den großen Gewinnern der jüngsten Entwicklungen am Strommarkt. Sie hatte wegen ihrer vergleichsweise geringen Produktionskosten von der Strompreisbildung an der Börse zuletzt mächtig profitiert.
Der so genannte Merit-Order-Effekt hatte den günstigeren Erzeugungsvarianten in den vergangenen Monaten wegen der hohen Preise der Gaskraftwerke enorme Zufallsgewinne beschert. Denn abgerechnet wird der gesamte Strom für eine bestimmte Handelsstunde zu dem Preis, den das letzte Gaskraftwerk erzielt hat.
Strompreisbremse "zu bürokratisch"
Kritik an der Strompreisbremse kam zuletzt auch vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). "Ein Irrweg bleibt aus unserer Sicht die im Rahmen der Strompreisbremse vorgesehene Abschöpfung von sogenannten Zufallserlösen", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht die Abschöpfung sogenannter Zufallserlöse kritisch. "Je länger dieser erhebliche Markteingriff gilt, desto größer ist die Gefahr, dass sich das Angebot am Strommarkt verknappt und so hohe Preise im Stromgroßhandel begünstigt", sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae.
Zudem sei die Strompreisbremse an vielen Stellen "zu komplex, zu unklar, zu bürokratisch". Hier müsse im parlamentarischen Verfahren intensiv nachgearbeitet werden", forderte Andreae. Sonst komme die Entlastung nicht fristgerecht bei den Haushalten an.
Strom ab 1. Januar über 50 Prozent teurer
Dem Vergleichsportal Check24 zufolge sind bereits mehr als 580 Fälle von Strompreiserhöhungen in der Grundversorgung zum Jahreswechsel bekannt geworden. "Davon sind rund 7,3 Millionen Haushalte betroffen", berichtet das Unternehmen. Die Erhöhungen betrügen im Schnitt 60,5 Prozent. Das Vergleichsportal Verivox kommt wegen einer anderen Datengrundlage auf ein durchschnittliches Plus von 54 Prozent.