Neue Studie vorgestellt "Traditionelle Strukturen" bremsen Gleichstellung
Trotz Fortschritten bei der Gleichstellung sind Frauen laut einer neuen Studie im Beruf weiter oft benachteiligt. Auch seien die Folgen der Corona-Pandemie auf die Situation der Frauen derzeit noch nicht absehbar.
Frauen sind einer Studie zufolge im Beruf weiterhin oft benachteiligt - trotz Fortschritten bei der Gleichstellung. Zwar hätten Frauen in Bildung und Job aufgeholt, doch "traditionelle Strukturen" bremsten weiterhin die Bemühungen um eine Gleichstellung der Geschlechter, heißt es in einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Zudem seien die Folgen der Corona-Pandemie für die Situation der Frauen derzeit noch nicht absehbar.
Die neue Studie knüpft an den WSI Gleichstellungsreport 2020 an, mit der Frage: Wie ist der Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland? Und wie hat sich der Stand der Gleichstellung entwickelt?
Höheres Niveau bei schulischer und beruflicher Qualifikation
Laut der neuen Studie habe Frauen bei schulischer und beruflicher Qualifikation sowie bei der Beteiligung an Weiterbildung im Durchschnitt ein höheres Niveau als Männer erreicht, wie es hieß. So hatten 2019 etwa 41 Prozent der Frauen, aber nur 39 Prozent der Männer im erwerbstätigen Alter Abitur oder Fachhochschulreife. Umgekehrt hatten Männer häufiger einen Hauptschulabschluss.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen lag Ende 2020 aber noch um rund sieben Prozentpunkte niedriger: Bei den Männern im Alter zwischen 15 und 64 lag die Erwerbstätigenquote bei 79 Prozent, bei Frauen bei 72 Prozent. Im Jahr 1991 hatte die Differenz noch bei 21 Prozentpunkten gelegen.
Frauen weiter seltener in Top-Positionen als Männer
Nach wie vor sind Frauen aber deutlich seltener als Männer in Top-Positionen der Wirtschaft. So waren 2020 elf Prozent aller Vorstandsposten der 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt. Anders sieht es der WSI-Analyse zufolge auf der zweiten Führungsebene aus, wo der Frauenanteil mit 40 Prozent nur etwas niedriger als der Anteil an allen Beschäftigten (44 Prozent) war.
Unterschiede beim Verdienst
Große Unterschiede gibt es der Studie zufolge nach wie vor beim Verdienst. Laut WSI lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen zuletzt mit 18,62 Euro brutto in der Stunde um 18,3 Prozent oder 4,16 Euro unter dem der Männer. Ein Grund dafür sei, dass Frauen viermal so häufig in Teilzeit arbeiteten wie Männer, oft um besser Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Dies schränke die Karrieremöglichkeiten ein. Doch die Lohnlücke schrumpfte in den vergangenen Jahren - zwar langsam, aber kontinuierlich.
Eine weitere Rolle beim Verdienstrückstand von Frauen spielen verschiedene Interessen bei der Berufswahl. So finden sich im Pflege- und Gesundheitsbereich oder im Handel verstärkt weibliche Beschäftigte. Diese Tätigkeiten werden oft schlechter bezahlt als handwerkliche und technische Berufe, in denen Männer dominieren.
Problem: Altersabsicherung
Nach Einschätzung des WSI ist auch beim Thema Altersabsicherung die Lücke groß. "Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 49 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer", berichtete das WSI.
"Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich bislang meist sehr langsam", fasste WSI-Forscherin Yvonne Lott die Entwicklung zusammen.
Pandemie die Gleichstellung: Auswirkungen noch unklar
Unklar sei noch, wie die Corona-Pandemie das Thema Gleichstellung beeinflusst. Hier könnte es nach Angaben des Instituts sogar zu Rückschritten gekommen sein: So übernahmen vor Beginn der Pandemie 62 Prozent der Mütter und fünf Prozent der Väter in Paarbeziehungen mit Kindern den überwiegenden Anteil der Betreuung, ein Drittel der Paare teilte die Kinderbetreuung annähernd gleich auf. Nach einem vorübergehenden Anstieg der Kinderbetreuung durch die Männer verschlechterte sich die Arbeitsteilung bis zum Juni 2021 wieder. Bei 71 Prozent der Familien übernahmen die Mütter überwiegend die Kinderbetreuung, bei sieben Prozent die Väter. Nur noch 22 Prozent der Paare teilten sich die Betreuung annähernd gleich auf.
Die Gleichstellungsforscherin des Instituts, Yvonne Lott, mahnte, "dass die Pandemie Fortschritte in Frage stellt, die langsam über Jahre hinweg gemacht wurden". Deshalb sei es jetzt wichtig, dass Staat und Gesellschaft die Anreize für eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit verstärkten.