Computergenerierte Ansicht der zukünftigen Direktreduktionsanlage von thyssenkrupp.

Kostensteigerungen Thyssenkrupp überprüft Pläne zum grünen Umbau

Stand: 07.10.2024 12:27 Uhr

Die Pläne von thyssenkrupp für eine Anlage zur Herstellung von grünem Stahl stehen laut Medien auf dem Prüfstand. An der grundsätzlichen Transformation will der Industriekonzern nach eigenen Angaben aber festhalten.

Der kriselnde Industriekonzern thyssenkrupp nimmt Medienberichten zufolge seine vom Staat mit Milliardensummen unterstützten Pläne für eine klimaschonende Produktion unter die Lupe. Der in Überarbeitung befindliche Businessplan solle auch Erkenntnisse zur weiteren "grünen Transformation" des Stahlbereichs liefern, erklärte die Stahltochter auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters. "Dabei prüfen wir fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von thyssenkrupp langfristig klimaneutral aufzustellen."

Aktuell gehe das Unternehmen aber davon aus, dass die geplante Direktreduktionsanlage unter den gegebenen Rahmenbedingungen realisiert werden könne. "An der Dekarbonisierung der CO2-intensiven Stahlproduktion führt langfristig kein Weg vorbei", hieß es von thyssenkrupp weiter. Allerdings bestätigte das Unternehmen auch "unerwartete Kostensteigerungen" mit Blick auf das Vorhaben. "Auf Basis dieser Informationen wird die Situation derzeit bewertet."

Kostensteigerungen in dreistelliger Millionenhöhe?

Thyssenkrupp Steel Europe reagierte damit auf einen Bericht des Handelsblatts. Danach hat die Leitung unter Vorstandschef Miguel Lopez die Überprüfung der Pläne für die rund drei Milliarden Euro teure und zur Stahlherstellung mit Wasserstoff notwendigen Direktreduktionsanlage auf den Weg gebracht. Eines von vier Szenarien sehe den Baustopp vor, berichtete die Zeitung unter Berufung auf nicht genannte Quellen im Unternehmen.

Dadurch müsste die thyssenkrupp-Stahlsparte wahrscheinlich im Vorfeld geflossene staatliche Subventionen von rund einer halben Milliarde Euro zurückzahlen. Bisher plante der Konzern, die Anlage 2027 in Betrieb zu nehmen. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben zusammen Fördermittel von zwei Milliarden Euro zugesagt. Diese werden Zug um Zug je nach Baufortschritt freigegeben. Es drohen allerdings Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich. Der Vorstand habe den Aufsichtsrat über eine zu erwartende Kostensteigerung informiert, berichtete das Handelsblatt gestern.

Eine Ende des Vorzeigeprojekts wäre ein herber Rückschlag für den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorangetriebenen Wasserstoffhochlauf in Deutschland. Mögliche Kostensteigerungen hätten "aktuell keine Auswirkungen auf die zugesagten Fördermittel von Bund und Land", erklärte thyssenkrupp dazu.

Streit im Konzern eskaliert

Die Regierung habe unterdessen aus Sorge an der Rückzahlungsfähigkeit der Sparte Gespräche mit dem im MDAX notierten Mutterkonzern aufgenommen, hieß es weiter unter Berufung auf Regierungskreise. Neben dem möglichen Stopp des Projekts prüft der Konzern dem Handelsblatt zufolge drei weitere Optionen, darunter ein vollständiger Stopp der Wasserstoff-Pläne. Die anderen Szenarien sehen insbesondere den vermehrten Einsatz von Strom zur Stahlproduktion vor, um diese so klimafreundlicher zu machen.

Thyssenkrupp Steel ist Deutschlands größter Stahlerzeuger. 27.000 Menschen sind dort früheren Angaben nach beschäftigt, allein 13.000 davon arbeiten in Duisburg. Die Sparte leidet seit Langem unter der Konjunkturschwäche und Billigimporten. Der Konzern sucht deshalb derzeit nach der Lösung für diesen Bereich. Konzernchef Lopez will das Geschäft in ein Joint Venture mit der Energie-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky einbringen. Kretinsky hat bereits 20 Prozent erhalten und verhandelt über ein Paket von weiteren 30 Prozent.

Ende August war der Streit über die Zukunft eskaliert. Drei Stahlvorstände und vier Aufsichtsratsmitglieder warfen hin - darunter auch Chefaufseher Sigmar Gabriel und Stahlchef Bernhard Osburg. Gabriel sieht die Verantwortung für die Rücktritte vor allem bei Lopez. Dieser habe eine "beispiellose Kampagne" gegen den Stahlvorstand öffentlich in Gang gesetzt. Dies sei ein "schwerer Vertrauensbruch". "Offenbar war es das Ziel, den Vorstand zur Aufgabe zu bewegen." Lopez hatte dem Stahlvorstand im Zusammenhang mit dessen Plänen für die Neuaufstellung Anfang August öffentlich "Schönfärberei" vorgeworfen.