Ein Schild mit dem Logo von TikTok vor dem US-Sitz der Firma in Culver City, California

"Torwächter"-Einstufung EU-Gericht weist Klage von TikTok ab

Stand: 17.07.2024 20:34 Uhr

Die chinesische TikTok-Muttergesellschaft ByteDance muss weiterhin als sogenannter digitaler Torwächter strenge EU-Vorgaben umsetzen. Das bestätigte das Gericht der Europäischen Union.

Von Alexander Krüger und Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion 

Im vergangenen September hatte die Europäische Kommission zunächst sechs große Tech-Unternehmen als "digitale Torwächter" eingestuft. Darunter sind etwa Apple, Amazon und Microsoft. Aber auch ByteDance, die chinesische Muttergesellschaft des populären Online-Videoportals TikTok.

Mit dieser Einstufung gehen weitreichende Pflichten für die betroffenen Unternehmen einher. ByteDance klagte gegen den entsprechenden Beschluss der Kommission - scheiterte damit aber nun beim Gericht der EU (EuG).

Weitreichende Pflichten als "Torwächter"

Im Jahr 2022 hat die EU den sogenannten Digital Markets Act (DMA) erlassen. Das Ziel dieser Verordnung: die digitalen Märkte offen zu halten und auch kleineren Gewerbetreibenden Chancen im Wettbewerb zu eröffnen. Diese sollen damit auch Zugang zu vielen Verbrauchern erlangen können.

Um das zu erreichen, beschränkt der DMA die Marktmacht der Technologie-Riesen: Den Betreibern besonders großer Online-Plattformen wie Suchmaschinen, sozialen Netzwerken oder Videoplattformen, die großen Einfluss auf den EU-Binnenmarkt haben, erlegt die EU auch besondere Pflichten auf.

Wer genau zu diesen einflussreichen Konzernen zählt, entscheidet die Kommission unter anderem anhand der Anzahl der Nutzer und der Höhe des Umsatzes in der EU. Weil diese Betreiber den Zugang von Unternehmen und Verbrauchern zu der Plattform praktisch kontrollieren, nennt man sie auch Torwächter. Mit der Einstufung kommen auf die Unternehmen insgesamt 21 verschiedene Verhaltenspflichten zu. Sie müssen beispielsweise die Daten ihrer Nutzer besonders wirksam schützen und mit ihren Werbemodellen transparent umgehen.

Konkrete Folgen hatte die Einstufung als Torwächter etwa für Apple: Das Unternehmen musste unter anderem auf seinem Betriebssystem die Installation von Apps außerhalb des App-Stores zulassen. Vernachlässigen Unternehmen diese Verhaltenspflichten, kann dies durch die EU-Kommission mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.

ByteDance: Einstufung gefährdet Geschäftsmodell

Um solchen Verpflichtungen zu entgehen, klagte der TikTok-Mutterkonzern gegen den Beschluss der Kommission - ohne Erfolg. Die Befürchtung der TikTok-Betreiberin: Artikel 15 des DMA verlangt, dass die Torwächter der Kommission beschreiben müssen, wie sie Nutzerprofile erstellen.

TikTok zeigt dem Nutzer hintereinander verschiedene Kurzvideos an. Um zu entscheiden, welches Video dem Nutzer als Nächstes vorgespielt wird, erstellt die Kurzvideo-Plattform Nutzerprofile. Als Torwächter muss ByteDancen nun offenlegen, wie diese Profile erstellt werden.

Das Unternehmen befürchtet: Konkurrenten könnten so Rückschlüsse auf den bei TikTok eingesetzten Algorithmus ziehen. Das gefährde die Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens und sei geschäftsschädigend. Außerdem finde der Großteil des Geschäftes in China statt - und gerade nicht in Europa. 

Nach dem EuG sind die Torwächter-Kriterien erfüllt

Diese Argumente hat das Europäische Gericht heute zurückgewiesen. ByteDance habe mit der Plattform TikTok "erheblichen Einfluss auf den EU-Binnenmarkt" und dabei eine "gefestigte und dauerhafte Position inne". Auch die anderen gesetzlichen Voraussetzungen einer Einstufung als Torwächter lägen vor. Die Kommission sei zu Recht davon ausgegangen, dass ByteDance diese Kriterien erfülle. Das Unternehmen habe nicht nur weltweit einen hohen Marktwert, sondern auch in der EU viele Nutzer.

Daraus ergebe sich, dass der chinesische Tech-Gigant in Europa jedenfalls viel Umsatz erzielen könne. Die Kommission habe auch keine Verfahrensfehler bei der Einstufung von TikTok gemacht. Dass Konkurrenten möglicherweise Rückschlüsse auf den Algorithmus ziehen könnten, durfte die Kommission bei ihrer Entscheidung außer Acht lassen. Das Gericht der EU ist die erste Instanz in Luxemburg. Darum kann ByteDance gegen das Urteil noch beim Europäischen Gerichtshof vorgehen. 

Weiteres Verfahren gegen ByteDance anhängig

Parallel zu diesem Verfahren hat die Europäische Kommission im Februar ein weiteres Verfahren gegen ByteDance wegen Verletzung von Pflichten aus der Parallelvorschrift zum DMA auf der Plattform TikTok eingeleitet. Diese Verfahren laufen parallel und voneinander unabhängig.