Kritik an Musks Twitter-Übernahme "Keine gute Mischung"
Beim Kurznachrichtendienst Twitter steht mit der Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk eine neue Ära bevor, meinen viele Beobachter. Kritiker befürchten, dass Musk zu starken Einfluss ausüben könnte.
Rund 44 Milliarden Dollar lässt sich Multi-Milliardär Elon Musk die Übernahme von Twitter kosten. Um die neue Strategie bei dem Konzern herrscht noch Rätselraten, Kritiker sehen die Gefahr einer persönlichen Einflussnahme.
Mit seiner Firma The Boring Company will der Multimilliardär den Transport mit Hilfe von Tunneln revolutionieren. Dieses Unternehmen wird mit über 5,5 Milliarden Dollar bewertet. Musk ist außerdem Mitgründer und Vorstandschef von Neuralink. Ziel des Gehirnchip-Unternehmens ist es, dass Menschen und Computer miteinander kommunizieren können. Das Start-up wird insgesamt mit rund einer Milliarde Dollar bewertet. Daneben ist Musk auch am Bezahldienstanbieter Stripe sowie am KI- und Roboter-Start-up Vicarious beteiligt.
Elon Musk hatte gestern Abend erklärt, er wolle Twitter "besser machen als jemals zuvor" und dazu nicht nur neue Funktionen anbieten, sondern auch die Algorithmen der Plattform öffentlich machen. Dazu kam auch ein Bekenntnis zur Ausrichtung des Nachrichtendienstes, das auch an seine Kritiker gerichtet gewesen sein dürften: "Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie. Und Twitter ist der digitale Ort, an dem Themen debattiert werden, die von grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Menschheit sind", so Musk.
Kritik an Übernahme bei Twitter-Nutzern
Auf Twitter selbst mehren sich derzeit die Austrittserklärungen einiger Nutzer, die mit der Übernahme nicht einverstanden sind. Sie sehen die Gefahr einer einseitigen Einflussnahme auf den Mitteilungsdienst, der von weltweit von rund 217 Millionen Nutzern als eigener Nachrichten- und Meinungskanal genutzt wird. Der ehemalige US-Arbeitsminister und Professor an der Berkeley Universität, Robert Reich, twitterte kurz nach Bekanntwerden der Übernahme: "Wenn Milliardäre wie Elon Musk ihre Motive mit dem Begriff 'Freiheit' rechtfertigen, ist Vorsicht geboten."
Gegen die US-Börsenaufsicht und Bill Gates
Musk, der auf Twitter Millionen von Followern hat, hatte in der Vergangenheit den Kanal oft in eigener Sache genutzt. So hatte er sich auf Twitter mit der US-Börsenaufsicht SEC angelegt und deren Untersuchung seiner Äußerungen zu einem möglichen Börsenabschied von Tesla kritisiert. Dabei bezeichnete er die Aufsicht als Bereicherungs-Organisation für Shortseller ("Shortseller Enrichment Commission"), die an einem fallenden Tesla-Kurs verdienen wollten.
Noch in der vergangenen Woche hatte Musk Microsoft-Chef Bill Gates kritisiert, der mit einer Position seines Anlageportfolios auf einen fallenden Tesla-Kurs setzt. Dabei hatte er dessen Engagement für Klimaschutz infrage gestellt, da er gegen Tesla wette. Dazu machte sich Musk über das Übergewicht von Gates in einem Bild lustig.
Twitter-Rückkehr von Trump?
Um die Ausrichtung von Twitter machen sich daher einige Beobachter Sorgen. Twitter hatte etwa in den vergangenen Jahren versucht, gegen die Verbreitung von Hassbotschaften und Falschinformationen vorzugehen - und nach der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021 den damaligen US-Präsidenten Donald Trump verbannt.
Musk könnte einer solchen Form der Moderation von Inhalten ein Ende bereiten. Denn er hatte die Sperrung von Trumps Konto damals scharf kritisiert und Twitter vorgeworfen, als "Richter" über die Meinungsfreiheit zu agieren.
Entsprechend sind die Befürchtungen etwa bei Analyst Roger Kay von Endpoint Technologies: "Musk ist im Grunde genommen ein Autokrat. Seine Form des Libertarismus hat einen Einschlag von Rechtsaußen-Politik." Kay verweist dabei auch auf die Freundschaft von Musk zu dem in Deutschland geborenen Technologie-Investor Peter Thiel, der als Unterstützer von Trump und anderen rechten Politikern bekannt ist.
Ex-Präsident Donald Trump äußerte sich derweil wohlwollend zur Übernahme von Twitter durch Musk. Dieser sei ein "guter Mann", der Twitter "Verbesserungen" bringen könne, so Trump gegenüber Fox News. Er selbst wolle aber nicht zu Twitter zurückkehren - sondern nur noch die von ihm selbst lancierte Plattform Truth Social nutzen: "Ich gehe nicht zu Twitter, ich bleibe bei Truth."
Warnung vor Trollen und Rechtsextremen
US-Technologieanalyst und Kolumnist Rob Enderle warnt vor dem kapriziösen Auftreten und Führungsstil, mit dem Musk immer wieder für Schlagzeilen sorgt. "Es ist, als würde er mit einer Schere in der Hand herumrennen. Schlechte Impulskontrolle und zu viel Geld sind keine gute Mischung." Eine Politik des Laissez-faire beim Moderieren von Inhalten könnte zudem letztlich Twitter schaden: "Die Trolle übernehmen, sie werden zu feindselig und vertreiben Menschen von der Plattform."
Die gegen Rechtsextremismus engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung rief den Tesla-Chef zu einem konsequenten Vorgehen gegen Hassbotschaften auf. "Rechtsextreme Hatespeech ist nach wie vor ein Riesenproblem auf Twitter", sagte ein Sprecher der Stiftung dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wenn Herr Musk dem etwas entgegensetzen will, muss er die Transparenz und Zugänglichkeit der Meldewege verbessern und insgesamt einfach viel restriktiver gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen", forderte er.
"Eskapaden mit Twitter"
Kritik ganz anderer Art kam von von einer Reihe von Wall-Street-Experten. "Ständige Eskapaden mit Twitter“ ließen es fraglich erscheinen, "ob der überall hoch involvierte Tesla-Chef sein Firmenkonglomerat erfolgreich leiten kann", zitiert etwa das "Handelsblatt" Alyssa Altman, Autoexpertin beim Beratungshaus Publicis Sapient. Musk drohe eine Mehrfachbelastung mit Twitter, Tesla und SpaceX.