Gauchos zu Pferd treiben Rinder vor einem Pferch zusammen, vorn auf einem Pfahl das VW-Logo. (Aufnahme um 1978).

Brasilien VW wegen Sklavenarbeit verklagt

Stand: 06.12.2024 14:38 Uhr

Im Brasilien der 1970er- und 1980-Jahre sollen Arbeiter in einem Volkswagen gehörenden Agrarbetrieb wie Sklaven gehalten worden sein. Einen Vergleich hatte VW abgelehnt. Nun wurde das Unternehmen verklagt.

Von Aline Spantig und Anne Herrberg

"Diese Arbeiter waren auf der Farm allen Arten von Gewalt ausgesetzt: bewaffnete Überwachung, physische und psychische Aggression, Unterwerfung unter entwürdigenden Arbeitsbedingungen, anstrengende Arbeitszeiten und Schuldknechtschaft", sagt Staatsanwalt Rafael Garcia Rodrigues im ARD-Interview.

Er koordiniert die Ermittlungen gegen Volkswagen Brasilien. "Die Arbeiter durften die Farm nicht verlassen, bevor sie die Auftraggeber bezahlt hatten, bei denen es sich in Wirklichkeit um Menschenhändler handelte", so Garcia Rodrigues.

Arbeit in VW-Agrarbetrieb

Das brasilianische Arbeitsministerium hat am Mittwoch Klage gegen Volkswagen Brasilien eingereicht. Dabei geht es um schwere Menschenrechtsverletzungen und moderne Sklavenarbeit auf einer riesigen Rinderfarm im Bundesstaat Pará.

Auf der sogenannten "Fazenda Volkswagen", einem Agrarbetrieb, der einer Tochterfirma von Volkswagen Brasilien gehörte, soll es offenbar zu systematischer Ausbeutung und Gewalt gegen Arbeiter gekommen sein.

Die mutmaßlichen Verbrechen ereigneten sich während der Militärdiktatur in Brasilien in den 1970er- und 1980er-Jahren. In der Klage fordert das Arbeitsministerium eine Entschädigung von umgerechnet etwa 30 Millionen Euro.

"Grausame Zwangsarbeit"

Augenzeugen berichten von grausamer Zwangsarbeit, Waffengewalt, Fluchtversuchen, bei denen Arbeiter gefesselt wurden und sogar von Todesfällen. Der Priester Ricardo Resende schildert die Umstände im ARD-Interview so: "Auf der Farm traf ich einen Arbeiter, der mich um Hilfe bat. Er packte mich am Arm, er zitterte vor Fieber und sagte, ich müsse ihn retten."

Er habe den Arbeiter gefragt, wovor er ihn retten solle. "Er sagte, er habe Malaria und sie ließen ihn nicht gehen, weil er Schulden habe. Als Kranker wurde er also nicht nur nicht versorgt, sondern auch daran gehindert, sich behandeln zu lassen." Resende machte öffentlich auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam und berichtete, dass die Arbeiter praktisch gefangen waren.

"Hunderte Personen betroffen"

Staatsanwalt Garcia Rodrigues zufolge waren Hunderte, möglicherweise sogar mehr als tausend Personen betroffen. Er erklärt, dass Volkswagen offenbar über die unmenschlichen Bedingungen auf der Rinderfarm Bescheid gewusst und von der Ausbeutung profitiert habe.

Er verweist auf die Verantwortung des deutschen Automobilherstellers. Die Arbeiter seien unter falschen Versprechungen auf die Farm gebracht und gezwungen worden, für das Unternehmen zu arbeiten, um Schulden zu begleichen, die durch überhöhte Kosten für Nahrung und Unterkunft immer weiter anwuchsen. Diese Bedingungen entsprechen laut dem Anwalt den internationalen Definitionen von Zwangsarbeit und moderner Sklaverei.

Volkswagen Brasilien teilte mit, noch nicht formal benachrichtigt worden zu sein, weshalb es keinen Zugang zum Inhalt der Klage hätte und sich nicht zu laufenden Verfahren äußerte. Einen außergerichtlichen Vergleich hatte VW abgelehnt. Die Anhörung vor Gericht ist für Februar kommenden Jahres angesetzt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 06. Dezember 2024 um 13:41 Uhr.