40 Jahre CD Musik zum Anfassen
Im August 1982 begann die Serienproduktion der CD. Fast verdrängte sie die Schallplatte. Inzwischen wird Vinyl wieder beliebter - und Musik vor allem gestreamt. Doch ganz ist die Compact Disc nicht verschwunden.
Von Julia Henninger, SWR
Eine Kiste neben der anderen steht im Laden "Second Hand Records" in Stuttgart voll mit CDs. Musikliebhaber durchstöbern sie auf der Suche nach Entdeckungen. Ein Stammkunde zieht aus der Ein-Euro-Kiste stolz ein Fundstück. "Mit Widmung auf dem Cover", sagt er. Ein paar Meter weiter steht Martin Georgi am Plattenspieler und legt eine Schallplatte auf. "Für mich gehört das beides zusammen. Ich bin eigentlich über die CD zur Schallplatte gekommen, daher hat die CD auch einen Platz in meinem Musikherz", erzählt er. An seine erste CD erinnert er sich noch: "Michael Jackson Off the Wall war das".
Inhaber Rainer Rupp steht an der Kasse. "100.000 Tonträger haben wir hier insgesamt etwa im Laden, 80 Prozent davon Schallplatten, 20 Prozent CDs", sagt er. Es sind Gebrauchte, aber auch Neue. In seinem Laden haben sie zwar schon immer mehr Schallplatten verkauft als CDs. Doch seit die großen Ketten kaum noch CDs verkaufen, kommen auch mehr CD Liebhaber in den Laden.
Ein praktisches Format
Als die CD vor 40 Jahren auf dem Markt kam, war das eine große Veränderung. "Ich glaube, dass das Format praktisch war. In Zeiten, in denen es noch kein Streaming gab, konnte man das dann in den Autos benutzen oder am Baggersee", sagt Laden-Mitarbeiter Jerafim Meier.
Besonders nachhaltig sei die CD allerdings nicht, so Viola Wohlgemuth, Expertin für Ressourcenschutz von Greenpeace Deutschland. "CDs bestehen aus endlichen Rohstoffen. Zum einen der Rohling, aber dann ist die CD noch in eine Plastikhülle verpackt, die ist noch mit Cellophan umwickelt." Hinzu komme der Transport. Und am Ende werde die CD zum großen Teil nicht recycelt. "Das ist ein Problem für das Klima und für endliche Ressourcen", sagt Wohlgemuth.
Streaming weit vorne bei Umsätzen
Inzwischen hat die CD an Bedeutung verloren. Es wird immer mehr gestreamt. Der Bundesverband der Musikindustrie gibt im Jahrbuch 2021 für die Branche insgesamt ein Wachstum an. Der Gesamtumsatz der Branche lag 2021 demnach bei 1,96 Milliarden Euro. "Zum ersten Mal wurden dabei mehr als drei Viertel des Umsatzes - 76,4 Prozent - online erzielt", heißt es darin. Ebenso: "Die CD bleibt auf Platz 2 bei einem Umsatzanteil von 16,3 Prozent, an dritter Stelle liegt wie im Vorjahr Vinyl, das erstmals seit Beginn seiner Wiederentdeckung in Jahr 2007 auf einen Anteil von bemerkenswerten 6 Prozent am Gesamtmarkt kommt."
Hörspiele, Musik, Podcasts, in der U-Bahn, im Auto, beim Spazieren, Joggen, zu Hause - der Streaming-Konsum hat stark zugenommen. Aber wie ist hier die Nachhaltigkeits-Bilanz? Laut Wolfgang Scheremet vom Umweltbundesamt gibt es derzeit keine validen Daten für einen genauen Vergleich der Umweltauswirkungen von Musikstreaming auf der einen und der CD auf der anderen Seite. "Es gibt bislang keine umfassende Betrachtung entlang des gesamten Lebenszyklus der jeweiligen Formate."
Stromverbrauch auf Servern
Beim Streaming ist der Stromverbrauch das Thema. Hier sei "nicht das Problem, dass ich die Ressourcen brauche, um das Produkt herzustellen, aber natürlich muss auch die Musik irgendwo gelagert werden", sagt Greenpeace-Expertin Wohlgemuth. "Das passiert auf Servern. Das heißt, ich habe Serverleistung, ich habe Rechnerleistung und dafür brauche ich Energie. Daher ist es wichtig darauf zu achten, dass mein Anbieter möglichst erneuerbare Energien verwendet."
"Streamen kostet Energie, auch wenn man nicht daran denkt", so Wolfgang Scheremet. Die Server der Anbieter seien das eine. Hinzu komme aber auch der eigene Stromanbieter. Und die Frage, wann und wo jemand streame. "Streaming über Glasfaser oder Kupferkabel hat nur ein Drittel der Emissionen von LTE. Aber die Leute hören oft unterwegs auf dem Handy Musik und nicht zuhause über Glasfaser oder Kupferkabel. Mobilfunk braucht aber mehr Energie als Kabel."
Comeback der Schallplatte
Wichtig sei ein bewusster Umgang mit Streaming. "Wenn ich ein Lied nur ein, zwei Mal höre, dann ist Streamen besser. Wenn ich aber ein Lied in Dauerschleife höre, dann ist es besser, wenn ich es herunterlade", sagt Scheremet. Wichtig sei aber auch, den Speicher regelmäßig auszumisten. Wenn alle Unmengen an Musik speichern, fresse das auch wieder Ressourcen.
Einen bewussten Umgang mit Ressourcen, das wollen sie auch bei "Second Hand Records" in Stuttgart. Alte CDs und Schallplatten weiterverkaufen - auch das ist Nachhaltigkeit. Die Musik zum Anfassen ist jedenfalls nach 40 Jahren nicht wegzudenken. Und die CD hat es auch nicht geschafft, die Schallplatte zu verdrängen. Vinyl, das haben die Zahlen des Bundesverbands der Musikindustrie gezeigt, erlebt gerade ein Comeback.
Das sieht man auch an Martin Georgi. "Der Fokus liegt mehr auf Vinyl, aber hin und wieder ist auch mal eine CD dabei", sagt er, dreht die Platte um und setzt die Plattenspielernadel wieder vorsichtig auf.