Tarifkonflikt beigelegt Darauf haben sich GDL und Deutsche Bahn geeinigt
Während die Bahn die Tarifeinigung als "intelligenten Kompromiss" lobt, spricht GDL-Chef Weselsky von einem "Erfolg fast auf ganzer Linie". Was sind die Kernpunkte und die Folgen der Einigung?
Worauf haben sich Bahn und GDL geeinigt?
Der Tarifabschluss enthält drei wesentliche Punkte. Erstens erhalten die Lokführer eine Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro, 1.500 Euro noch in diesem Monat und weitere 1.350 Euro voraussichtlich im Mai. Zweitens wird der Lohn in zwei Schritten um 420 Euro pro Monat erhöht, jeweils um 210 Euro zum 1. August 2024 und zum 1. April 2025.
Der wichtigste Inhalt ist die schrittweise Absenkung der wöchentlichen Regelarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden bis 2029 bei vollem Lohnausgleich. Die erste Absenkung erfolgt zum 1. Januar 2026 auf 37 Stunden, am 1. Januar 2027 auf 36 Stunden, am 1. Januar 2028 auf 35,5 Stunden und am 1. Januar 2029 auf 35 Stunden.
Das wird aber verbunden mit einem - laut Bahn "innovativen" - Optionsmodell zur tatsächlichen Wochenarbeitszeit. Die vereinbarte "Referenzarbeitszeit" ist nicht zwingend: Wer möchte, kann in einem Korridor zwischen der Regelarbeitszeit und einem Maximum von 40 Stunden jeweils länger arbeiten und erhält pro zusätzlicher Wochenstunde 2,7 Prozent mehr Lohn.
Was bedeutet das für die Wettbewerber der Bahn?
Im Vorfeld der Einigung mit der Deutschen Bahn hatte die GDL bereits Tarifverträge mit knapp 30 weiteren Eisenbahnunternehmen abgeschlossen. Dabei hatte sie ihre Forderungen nach der Arbeitszeitverkürzung durchsetzen können. Allerdings standen diese Abschlüsse unter dem Vorbehalt, dass auch der Branchenführer Deutsche Bahn der 35-Stunden-Woche zustimmt. Dies ist nun der Fall - mit den entsprechenden Folgen für die Bahn-Wettbewerber.
Was ging der Einigung voraus?
Im Vorfeld des nun gefundenen Kompromisses fand ein außergewöhnlich harter Tarifkampf statt. Während der fünfmonatigen Verhandlungen gab es sechs Streiks, eine gescheiterte Moderation und mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen. Wesentlicher Knackpunkt war vor allem die von der GDL geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Personal im Schichtdienst auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich, welche die Bahn zunächst strikt ablehnte. Das nun gefundene Optionsmodell brachte offenbar den Durchbruch.
Wann drohen frühestens wieder Streiks der GDL?
Unter dem im Sommer ausscheidenden GDL-Chef Claus Weselsky wird es keine Streiks mehr geben. Der Tarifvertrag läuft bis 31. Dezember 2025, die Vereinbarungen zur Arbeitszeit sogar bis 31.12.2028. Anfang 2026 gibt es eine festgeschriebene zweimonatige Verhandlungsphase mit Friedenspflicht bis Ende Februar.
Hat die Einigung Auswirkungen auf den Vertrag mit der EVG?
Von der Tarifeinigung mit der GDL bleibt der Vertrag mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unberührt. "Wir haben mit der EVG bestehende Tarifverträge, die laufen bis Ende März nächsten Jahres", erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. "Wir haben keine Nachverhandlungsklausel vereinbart, und insofern sehen wir uns mit der EVG in rund einem Jahr am Verhandlungstisch." Bahn und EVG hatten bereits im Sommer einen Tarifabschluss erzielt, der unter anderem eine Entgelterhöhung von 410 Euro pro Monat vorsieht.
Wie sind die Reaktionen?
Gerade der Kompromiss bei der Arbeitszeit wird nicht nur von der Bahn, sondern auch von Ökonomen als für die Zukunft wegweisende Lösung hervorgehoben. "Das wichtigste Ergebnis an dieser Einigung ist, dass die Arbeitszeit flexibel ist: Die Beschäftigten können zwischen 35 und 40 Stunden arbeiten", erklärte der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest. Wer mehr arbeite, erhalte auch mehr Geld. "Das ist für den Umgang mit der Fachkräfteknappheit besser als eine zwangsweise Senkung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden für alle", sagte Fuest.
Hat der Arbeitskampf weitere Folgen?
Trotz der Tarifeinigung kündigte die FDP an, angesichts der zahlreichen Ausstände an einer Reform des Streikrechts zu arbeiten. Die Einigung sei "eine gute Nachricht", erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. "Nichtsdestotrotz haben die vergangenen Wochen gezeigt, dass wir Leitplanken für das Streiken im Bereich der kritischen Infrastruktur benötigen." Houben verwies auf Vorgaben für Streiks in der "kritischen Infrastruktur" in anderen europäischen Ländern. Neben den sechs Bahnstreiks hatte es wiederholt auch Streiks im Flugverkehr gegeben. Nicht nur die FDP, auch CDU und CSU haben sich für eine Streikrechtsreform ausgesprochen.