Forderung von Ökonomen Höhere Steuern für die Gaspreisbremse?
Die Gaspreisbremse finanziert der Staat über neue Schulden. Um sie sozial gerechter zu machen und die Inflation nicht weiter anzuheizen, fordern Ökonomen dagegen höhere Steuern für Spitzenverdiener.
Top-Ökonomen haben die Gaspreisbremse der Bundesregierung kritisiert. "Die Finanzierung der Gaspreisbremse hätte nicht bloß über Schulden, sondern zumindest teilweise über höhere Steuern laufen müssen", sagte Jens Südekum in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
"Wenn die Politik Einkommen umverteilen will, dann sollte sie mit offenem Visier kämpfen und auch sagen, wem sie das Geld wegnimmt, denn irgendwer muss ja am Ende die Zeche zahlen", betonte auch der ehemalige Präsident des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, gegenüber der "SZ". Er selbst würde die Besserverdienenden belasten, wenn er könnte.
Experten kritisieren soziale Ungleichheit der Entlastungen
Zwar verteile die Gaspreisbremse Kaufkraft um, erklärte Sinn. Allerdings würden dadurch vor allem reichere Haushalte entlastet werden, die viel Gas verbrauchen. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatte in seinem Jahresgutachten gefordert, über einen höheren Spitzensteuersatz Besserverdienende stärker zur Kasse zu bitten, um die Lasten der Energiekrise zu schultern. In einem "Spiegel"-Streitgespräch verteidigte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, den Vorschlag des Gremiums jüngst noch einmal: "Wir sind als Land ärmer geworden, und irgendjemand muss die Rechnung bezahlen."
Andere Experten hatten in der Debatte um die Gaspreisbremse ebenfalls auf eine soziale Schieflage hingewiesen. Da die Berechnungsgrundlage der Entlastung von 80 Prozent der Kosten auf dem Verbrauch in der Vergangenheit basiert, bekommen die Verbraucher am meisten, deren Konsum zuletzt am höchsten war. Um dagegen die oberen Einkommensgruppen zu mehr Einsparungen zu bewegen, plädiert etwa Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bei der Hans-Böckler-Stiftung, für eine generelle Obergrenze der geförderten Zahl an Kilowattstunden.
Ramona Pop vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Isabella M. Weber von der University of Massachusetts Amherst sprechen sich außerdem für ein Mindestkontingent aus, auf das der staatlich garantierte Brutto-Arbeitspreis zu 100 Prozent angewandt werden solle. Das komme ärmeren Verbrauchern zugute, die bereits in der Vergangenheit alle Einsparpotenziale realisiert hätten. Um einen sozialen Ausgleich zu schaffen, plant die Bundesregierung stattdessen, dass die Entlastung ab einer bestimmten Einkommensschwelle zu versteuern ist.
Preisregulierung als Inflationstreiber?
Top-Ökonom Sinn fürchtet darüber hinaus, dass die aktuelle Finanzierung der Gaspreisbremse durch Schulden inflationstreibend wirkt. "Scheinbar nimmt man niemandem etwas weg. Aber man erzeugt Nachfrage, und die treibt die Inflation. Wenn nicht bei den Gaspreisen, dann anderswo." Es komme zusätzliche Kaufkraft ins System, so der Wirtschaftswissenschaftler in der "SZ".
Die Wirkung der Gaspreisbremse auf die Inflationsstatistik sei nur ein "Taschenspielertrick", kritisierte Sinn. Das Instrument sei "die Vereinbarung, dass wir alle Schulden aufnehmen, einander damit die Gasrechnung bezahlen und in der Folge nur noch die Nettopreise in der Inflationsstatistik berücksichtigen. Ein Beitrag zur Überwindung der Gas-Knappheit ist damit nicht verbunden."
Südekum widerspricht der Theorie. Natürlich könnten die Menschen durch die Entlastungen wieder mehr ausgeben für andere Dinge als für Energie. "Aber das stabilisiert doch nur den Konsum, der sonst komplett eingebrochen wäre", betont der Düsseldorfer Professor. Außerdem sei in anderen Ländern zu sehen, dass die Preisregulierung die Inflation zähme. Das sei kein Trick, sondern habe "einen ökonomischen Sinn": die Minimierung der Inflationsfolgen, "etwa die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale".
200 Milliarden Euro für Preisbremsen
Mitte Dezember hat der Bundestag die Gas- und Strompreisbremsen gebilligt. Sie sollen ab März greifen, rückwirkend aber auch für Januar und Februar gelten. Für Haushalte und Gewerbe heißt das bis April 2024: 80 Prozent des Gas-Vorjahresverbrauchs werden auf zwölf Cent pro Kilowattstunde begrenzt. Für Mengen darüber hinaus gilt als Sparanreiz der höhere Marktpreis. Beim Strom liegt der Deckel bei 40 Cent.
Zur Finanzierung sollen zum einen hohe Erlöse von Energieproduzenten teilweise abgeschöpft werden. Zum anderen wurde bereits im Oktober eine Ausnahme der Schuldenbremse genehmigt, mit der die Folgen des Energiepreisanstiegs gemildert werden sollen. Durch den Sonderfonds kann der Bund zusätzliche Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufnehmen.