Umsetzung von EU-Richtlinie Kuchenverkauf bald mit Umsatzsteuer?
Kuchenverkauf bei Schulereignissen soll die Klassenkasse aufbessern oder Geld für einen guten Zweck einbringen. Wird dabei ab 2023 Umsatzsteuer fällig? Eine neue EU-Richtlinie bringt Behörden diesbezüglich ins Grübeln.
Es ist eine Tradition an Schulen: Für den anstehenden Schulausflug oder das Schullandheim soll die Klassenkasse etwas aufgebessert werden. Das Rezept dafür hat sich seit Jahrzehnten bewährt: Eltern backen mit ihren Kindern Kuchen, der wird verkauft, und so füllen Muffins und Marmorkuchenstücke die Klassenkasse auf. So weit so gut. Und man könnte sagen: so einfach. Doch einfach war in den vergangenen Wochen bei diesem Thema nichts. Denn: Der Kuchenverkauf an Schulen hat vor allem das Ausmaß der Bürokratie bei der Umsetzung der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie offengelegt. In Baden-Württemberg war jedenfalls die Aufregung groß, als plötzlich die Frage auftauchte: Könnte der Kuchenverkauf der Schülerinnen und Schüler umsatzsteuerpflichtig werden?
EU-Mehrwertsteuerrichtlinie mit Folgen
Um zu verstehen, wie es zu dieser Frage überhaupt gekommen ist, führt der Weg nach Brüssel. Hintergrund ist die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Die EU will mit dieser Richtlinie verhindern, dass private Unternehmen im Wettbewerb benachteiligt werden. Bisher müssen nämlich privatwirtschaftliche Unternehmen Umsatzsteuern zahlen, öffentliche Einrichtungen in der Regel nicht.
In Deutschland schlägt sich die EU-Richtlinie im Umsatzsteuergesetz nieder. Alle staatlichen Ebenen - also etwa Kommunen, Landkreise oder das Land selbst - werden von 2023 an umsatzsteuerpflichtig. Eine Ausnahme erfolgt nur dann, wenn kein Wettbewerb vorliegt.
Aufwändige Prüfungen für die Kommunen
Sebastian Engelmann, Sprecher des Finanzministeriums Baden-Württemberg, erklärt: "Das hat zur Folge, dass die öffentliche Hand prüfen muss, welche ihrer Leistungen hoheitlich sind und damit unter eine öffentlich-rechtliche Sonderregelung fallen und welche nachhaltig Einfluss auf den Wettbewerb haben können. Wir als Ministerium prüfen das genauso wie es jede Kommune tun muss. Im Finanzministerium prüfen wir derzeit zum Beispiel sämtliche Einnahme- und Ausgabeprozesse auf ihre steuerliche Relevanz."
Was das für eine Stadt bedeutet, macht Christian Eiberger, Bürgermeister in Asperg, an ein paar Beispielen deutlich. "Wir haben im Rathaus einen Empfang. Dort verkaufen wir Ortschroniken und Karten der Stadt. Bisher sind diese umsatzsteuerfrei. Das wird sich nun ändern, denn die Chroniken könnte auch der Laden um die Ecke verkaufen", erklärt er. Ein anderes Beispiel sei die Feuerwehr. "Wenn die zum Löschen kommt, ist das umsatzsteuerfrei, da das die hoheitliche Aufgabe der Feuerwehr ist. Doch wenn sie gerufen wird, weil ein Wespennest entfernt werden muss, wird die Umsatzsteuer künftig fällig. Denn das könnte wiederum auch ein privates Unternehmen machen, hier geht es schließlich nicht um Gefahr für Leib und Leben." Auch Theateraufführungen von Schülerinnen und Schülern im örtlichen Theater müssen geprüft werden, so Eiberger weiter. "Treten sie in Konkurrenz zum Theater oder nicht?" Das alles sei ein riesiger Aufwand.
Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, ergänzt aus Sicht der Städte und Gemeinden: "Die Folge ist in erster Linie ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Jede kommunale Leistung muss danach bewertet werden, ob das nicht auch ein privater Dienstleister erbringen könnte." Und das für ein oftmals geringes Maß an zusätzlicher Steuer, das die eine staatliche Ebene der anderen staatlichen Ebene bezahlen müsse. Gut gemeint sei nicht immer gut gemacht.
Entscheidend ist, wer den Kuchen verkauft
Zurück zum Kuchenverkauf. Auch das Kultusministerium ist nun wie alle anderen dabei, alle Prozesse zu prüfen. Und da ist es eben auf den Kuchenverkauf gestoßen. "Innerhalb der Kultusverwaltung kam die Frage auf, wie künftig mit Kuchenverkäufen umzugehen sei", meint Ministeriumssprecher Engelmann.
Im Kern geht es auch hier darum: Macht der Kuchenverkauf an der Schule dem Bäcker Konkurrenz? Inzwischen kann Engelmann Entwarnung geben: "Wir klären dazu gerade noch letzte Details mit dem Kultusministerium. Klar ist jedenfalls: Kuchenverkauf durch Schüler und/oder Eltern wird auch künftig Umsatzsteuerfrei sein. Es muss nur klar sein, dass die Schüler verkaufen beziehungsweise ihre Eltern, aber eben nicht die Schule selbst." Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte zuvor bereits versprochen, diese Regelungen abzufedern. "Wir werden schauen, dass sie in ihren Bürokratismen gemindert werden", so der Grünen-Politiker.
Unnötige Bürokratie vermeiden
Die Diskussion über den Kuchen kam auch beim Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, Jörg Wojahn, an. Man solle nicht päpstlicher sein als der Papst. "Wenn eine Schülergruppe drei Mal Kuchen verkauft, um ihre Schulparty zu finanzieren, ist das natürlich gar kein Problem. Wenn der geschäftstüchtige Schülersprecher sich aber jeden Morgen auf den Schulhof stellt und den Kuchen billiger anbietet als die Bäckerin nebenan, ist dies eine Wettbewerbsverzerrung." In diesem Falle greife dann die Regel, dass der Verkauf besteuert werden müsse, so Wojahn.
Er appelliert an Bund und Länder, die Umsetzung der Richtlinie erneut zu überprüfen, damit auch die nationalen und regionalen Regeln ihrem Geist entsprechen. Dieser solle nämlich nur den fairen Wettbewerb schützen, aber keine unnötige Bürokratie entstehen lassen. Bayern habe beispielweise schon Möglichkeiten gefunden, die Regeln entsprechend zu gestalten, dass sie kleine Kuchenverkäufe nicht unnötig belaste. "Denn natürlich verbietet Brüssel keiner Kita und keiner Schule den Kuchenverkauf", sagt Jörg Wojahn. Muffins und Marmorkuchen dürfen künftig also die Schulkasse weiter füllen.