Ukraine-Krise Warnung vor steigenden Gaspreisen
Sanktionen gegen Russland könnten zu steigenden Gaspreisen in Deutschland führen, warnen Experten. Was könnte bei einem Ausfall russischer Gaslieferungen passieren?
Eine Eskalation in der Ukraine-Krise könnte zu steigenden Gaspreisen führen. Mögliche Sanktionen gegen Russland im Energiebereich würden in jedem Fall auch europäische Verbraucher treffen, sagte Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas, der Nachrichtenagentur dpa. Preissteigerungen würden mittels langfristiger Verträge verzögert an die Verbraucher weitergegeben.
Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sagte: "Ohne Frage sind wir in einer sehr ernsten Situation, auch inmitten eines fossilen Energiekrieges." Die Energiewende müsse angeschoben werden, um möglichst wegzukommen von allen fossilen Energien. "Die Gaspreise sind ja schon aufgrund der schwierigen Lage gestiegen und es ist jetzt auch eher mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen", sagte Kemfert.
Nach der russischen Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine plant die EU-Kommission Maßnahmen gegen Russland im Finanzbereich. Sanktionen zum Beispiel gegen den russischen Energiesektor sind für den Fall vorbereitet worden, dass Russland einen Angriff auf die ganze Ukraine startet.
"Große Herausforderung"
Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, sagte der dpa: "Wenn die Lieferungen aus Russland von einem Tag auf den anderen ausfallen, ist das eine große Herausforderung, vor der die Bundesregierung und die Energiewirtschaft dann stehen würden. Aber wir haben in Europa Sicherungsmechanismen, die dann greifen. In jedem Fall sind Haushaltkunden und verschiedene Einrichtungen durch gesetzliche Bestimmungen besonders geschützt. Auch würden vertraglich geregelte Abschaltvereinbarungen mit der Industrie oder der Wechsel auf andere Energieträger die Nachfrage nach Gas drosseln."
Deutschland beziehe Erdgas auch aus weiteren Lieferländern, so Andreae. "Zudem besteht die Möglichkeit, in gewissem Umfang zusätzliche Flüssiggas-Mengen beispielsweise aus den USA zu beziehen. Man würde prüfen: Welche Alternativen gibt es?" Zudem sei Deutschland keine Insel, sondern Teil eines europäischen Erdgas-Versorgungsystems, in dem sich die EU-Staaten im Bedarfsfall gegenseitig unterstützten. Hierzu gebe es entsprechende verbindliche Vorsorgepläne. "Aktuelle Berechnungen der Bundesregierung zeigen, dass Deutschland voraussichtlich auch dann über den Winter kommt, wenn Russland seine Erdgaslieferungen komplett einstellen würde. Die Situation wäre also schwierig, aber sie ist zu meistern."
Kehler vom Branchenverband Zukunft Gas sagte: "Wir beobachten die Lage in der Ukraine mit großer Sorge. Wir hoffen, dass die Diplomatie doch noch Erfolg hat und kein kriegerischer Konflikt eintritt." Europa sei abhängig von Energieimporten. Umso wichtiger sei jetzt, weiter über eine Diversifizierung der Gasversorgung nachzudenken und auch den Bau eines deutschen LNG-Terminals voranzutreiben.
Deutschland abhängig von russischen Gaslieferungen
Energieexpertin Kemfert sagte, Deutschland sei sehr abhängig von russischen Gaslieferungen. Über 50 Prozent der Gaslieferungen kämen aus Russland. Mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 würde der Anteil noch deutlich steigen auf knapp 70 Prozent. "Das ist tatsächlich eine zu starke Abhängigkeit, auch eine gefährliche Abhängigkeit."
Der Branchenverband der Speicherunternehmen, die Initiative Energien Speichern (INES), geht davon aus, dass die deutsche Gasversorgung in den kommenden Tagen und Wochen einen Ausfall aller russischen Gasimporte überstehen könne. Bedingung sei, dass die Temperaturen weiterhin mild blieben und ausreichend Flüssig-Erdgas (LNG) für den EU-Binnenmarkt verfügbar sei, sagte Verbandsgeschäftsführer Sebastian Bleschke. "Da eine solche Situation in der Vergangenheit bislang noch nicht aufgetreten ist, bleibt allerdings eine gewisse Unsicherheit bestehen."
Füllstände der Speicher weiterhin niedrig
Die Füllstände der Speicher in Deutschland hätten am vergangenen Sonntag bei rund 31 Prozent gelegen. "Die Füllstände sind also weiterhin sehr niedrig, aber nicht mehr historisch tief." Laut INES gibt es in Deutschland 47 Untertagespeicher, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt.