EU-Sondergipfel in Brüssel Ein Abendessen für das Wachstum
In Brüssel sind die EU-Staats- und Regierungschefs zu ihrem Gipfel zusammengekommen. Frankreichs Präsident Hollande wird sich dort für Eurobonds stark machen, die Kanzlerin Merkel strikt ablehnt. Mögliches Ergebnis: Ein Wachstumspakt, der niemandem zu viel abverlangt.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Gesucht wird ein Zaubermittel, das aus einem strikten Sparkurs, der den halben Kontinent wirtschaftlich in die Knie zwingt, eine Antriebswelle für die Konjunktur macht. Einen Namen hat das wundertätige Elixier zumindest schon: Wachstumspakt.
Das ist die Morgengabe an den neuen französischen Präsidenten. Und François Hollande kann sich an Zutaten da so allerhand vorstellen: "Alles muss auf den Tisch, alles was das Wachstum voranbringen kann. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Zukunftsinvestitionen und ja auch die Eurobonds. Kurz, alles muss auf den Tisch."
Obamas ganz und gar nicht selbstlose Hilfe
Der Sozialist im Élysée-Palast kann sich da des Beifalls von Athen bis Lissabon sicher sein. Und auch der US-Präsident forderte die Europäer nach dem NATO-Gipfel in Chicago auf, zu klotzen und nicht zu kleckern. Barack Obama will sich von einer ausufernden Eurokrise die Wiederwahl nicht verhageln lassen, und so hörte es sich fast so an, als würde er am liebsten selber heute Abend an der Tafel im Brüsseler Ratsgebäude Platz nehmen: "Wir haben angeboten, für Nachfragen dort zur Verfügung zu stehen, technische Hilfe zu leisten und gemeinsam die Ideen durchzugehen, wie wir die Märkte stabilisieren können."
Gastgeber Hermann van Rompuy hat da wesentlich bescheidenere Vorstellungen vom abendlichen Gipfelmenü. Er erhofft sich einen zwanglosen, offenen Meinungsaustausch, eine Darstellung auch kontroverser Positionen. Um die Basis zu schaffen für den nächsten Gipfel Ende Juni, auf dem dann Entscheidungen fallen müssen. Aber Van Rompuy zieht vorsorglich schon mal all jenen den Zahn, die sich dann einen regelrechten Kurswechsel erhoffen: "Meine Botschaft ist glasklar, wir sind entschlossen Kurs zu halten. Wir werden unsere Strategie zum Abbau der Defizite und der Schulden fortsetzen."
Wachstumspakt dürfte wohl wenig kosten
Das A und das O für mehr Wachstum, so Van Rompuy in seinem Einladungsschreiben, sei eine gesunde nationale Wirtschaftspolitik, inklusive Strukturreformen. Der Präsident des Europäischen Rates liegt damit genau auf der Linie der Bundesregierung. Schuldensteigernde Konjunkturprogramme stehen nicht zur Debatte.
Der Wachstumspakt schnurrt in Berliner Augen auf ein paar Maßnahmen zusammen, die eh schon in Vorbereitung sind und die wenig oder nichts kosten: eine Kapitalerhöhung für die Europäische Investitionsbank, vom EU-Haushalt gedeckte Anleihen für Infrastrukturprojekte, eine sinnvollere Verwendung der brachliegenden Mittel aus den EU-Strukturfonds. Dazu eine europaweite Arbeitsvermittlung, Ausbau des Binnenmarkts, internationale Handelsabkommen.
Denjenigen, denen das zu wenig ist, will Gipfelchef Van Rompuy wenigstens am Ende des Diners eine Chance geben. Ohne Tabus solle dann über längerfristige und grundlegende Reformen in der Währungsunion geredet werden.
Thema Eurobonds noch vorm Dessert?
Das ist dann der Moment, wo Frankreichs Präsident - unterstützt sicherlich vom italienischen Premier Mario Monti - Eurobonds vorschlagen kann. Mit solchen gemeinsamen Staatsanleihen aller Eurostaaten könnten die Sorgenkinder unter ihnen deutlich billiger an frisches Geld kommen und mit den eingesparten Mitteln wachstumsfördernde Investitionen anschieben.
Merkels Reaktion vorhersehbar
Könnten, denn die Bundesregierung bleibt bei einem kompromisslosen Nein. Nicht nur, weil damit für deutsche Staatsanleihen die Zinsen steigen würden. Sondern, weil dann der Reformdruck in den Krisenstaaten erlahmen dürfte.
Die Bundeskanzlerin weiß wohl, dass es da und in anderen Punkten unterschiedliche Positionen gibt. Einige wollen die harten Sparziele aufweichen, andere wollen die Europäische Zentralbank zum massiven Staatsfinanzierer machen oder eine direkte Stützung maroder Banken durch die Rettungsschirme. Alles rote Linien für die Kanzlerin.
Stresstest für Merkollande
Aber ein missratenes Abendessen fürchtet sie dennoch nicht: Es gilt der Geist, vernünftige Lösungen zu finden. Und mit dem arbeite ich, und ich habe das auch beim französischen Präsidenten so gespürt." Merkollande statt Merkozy als Europas Powerpaar - der Gipfel heute Abend wird ein erster Probelauf, ob das so kommen kann.