Entscheidung über EU-Weinmarkt-Reform Lange Wein-Nacht nicht ausgeschlossen
Die EU-Agrarminister wollen in Brüssel über die Reform des EU-Weinmarktes entscheiden. Doch Nord- und Südländer haben gegensätzliche Forderungen: Besonders an der Frage, ob Zucker in den Wein darf - ein in Deutschland übliches Verfahren - scheiden sich die Geister. Den Ministern droht eine lange Nacht.
Von Christopher Plass, hr-Studio Brüssel
EU-Agrarminister sind daran gewöhnt, vor Weihnachten kurze Nächte zu haben. In den letzten Jahren waren es meist die Fischfang-Quoten, heute könnte der Streit um die Weinmarkt-Reform den Ministern den Schlaf rauben. Denn vor Beginn der vermutlich entscheidenden Runde im Ministerrat sind viele Fragen noch offen und viele Positionen umstritten. Klar ist nur: Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel wird von vielen Ideen ihres im Juli vorgelegten Entwurfs abrücken müssen.
Die ganz große Reform, wie Brüssel sie sich vorstellte, wird es nicht geben. Denn aus den unterschiedlichsten Erwägungen hatten fast alle EU-Mitgliedsländer irgendetwas an den Plänen auszusetzen. Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer war nur einer von denen, die mit Veto drohten "Wir kämpfen für die Interessen unserer Winzer. Wir werden nur abschließen, wenn die deutschen Interessen ausreichend berücksichtigt sind. Es wird keine faulen Kompromisse geben", so Seehofer.
Deutsche Winzer gegen Zuckerverbot
Deutschlands Weinbauern zogen hauptsächlich gegen das geplante Verbot zu Felde, den Alkoholgehalt im Wein durch den Zusatz von Zucker zu steigern. Besonders in sonnenarmen Jahren brauchen sie die Saccharose, um Wein auf die erforderlichen Alkohol-Prozente zu bringen. Brüssel will diese Anreicherung vor allem aus einem Grund verbieten: In den südlichen EU-Staaten wird Traubenmost für die Süßung kräftig subventioniert.
Diese Beihilfen will Brüssel streichen – und auch die Nordländer sollen ein Opfer bringen, also kein Zucker mehr. Kein Verständnis dafür zeigte die deutsche Europa-Abgeordnete Elisabeth Jeggle kürzlich im Europa-Parlament: "Es ist nicht zu verstehen, dass wir Saccharose verbieten und gleichzeitig Wein aus Drittstaaten in die EU lassen, der mit Saccharose produziert wurde."
Das vollständige Zuckerungsverbot kann Brüssel nicht durchhalten, das steht fest, dafür ist der Widerstand zu groß. Das heißt aber auch, daß die Subventionen für Traubenmost nicht komplett gestrichen werden, um die Südländer zu besänftigen. Es geht heute unter anderem darum, hier einen Ausgleich zu finden - das ist die Gratwanderung.
Streit um Rodungen und Etiketten
Außerdem wird darüber gestritten, bis zu welchem Ausmaß die Rodung von Rebflächen ermöglicht werden soll, wie Brüssel es fordert. Hoch umstritten ist auch das Vorhaben, die Destillation von überschüssigem Wein in den Südländern nicht mehr zu subventionieren. Schließlich wird um die Frage gerungen, wieweit bei der Etikettierung noch zwischen Qualitätswein und Tafelwein unterschieden werden darf.
Warum diese Reform? Rund 1,3 Milliarden Euro steckt Brüssel in den EU-Weinmarkt. Diese Mittel sollen weniger für Überschußproduktion, sondern angesichts wachsender internationaler Konkurrenz effizienter für Qualitätssicherung und Marketing ausgegeben werden. Doch nördliche und südliche Anbauländer halten sich gegenseitig mit Forderungen in Schach: "Ich glaube, ein Deal ist greifbar", sagt die Agrarkommissarin Fischer Boel kompromißbereit. Aber es müsse auch der richtige sein. Diesen will Portugals EU-Präsidentschaft mit einem Kompromißvorschlag einfädeln, lange Wein-Nacht nicht ausgeschlossen.