Deutschland und Afrika Gleichberechtigte Partnerschaft gesucht
Welche Chancen bieten sich der deutschen Wirtschaft in Afrika? Und was kann man afrikanischen Ländern im Gegenzug bieten? Gleichberechtigung spiele hierbei eine zentrale Rolle, sagt Afrika-Kennerin Sophia Bogner.
tagesschau.de: In Ihrem Buch "Jenseits von Europa" haben Sie sich intensiv mit der afrikanischen Wirtschaft auseinandergesetzt. Für Recherchen sind Sie auch viel durch die Länder gereist. Was sind Ihre Eindrücke, was haben Sie mitgenommen?
Sophia Bogner: Vor allem habe ich mitgenommen, dass Afrika ein vielfältiger Kontinent ist. Afrika, das sind ja 54 Länder, die ganz unterschiedlich sind. Das geht manchmal ein bisschen unter. Diese Vielfalt hat mich besonders beeindruckt auf den langen Recherchen für mein Buch.
Beeindruckt hat mich auch der Aufbruchsgeist, der in vielen afrikanischen Ländern herrscht. Das kann man zwar auch nicht pauschal sagen - unterschiedliche Länder, unterschiedliche wirtschaftliche Situationen - aber es gibt doch viel Bewegung, auch wirtschaftlich. Es ist eine sehr junge Bevölkerung, die Lust hat, Sachen zu verändern.
"Ist das jetzt was auf Augenhöhe?"
tagesschau.de: Als erstes hat sich Minister Habeck jetzt in Namibia um grünen Wasserstoff gekümmert, ein Zukunftsthema. Da ist eine Kooperation geschlossen worden. Wie ist Deutschland da aufgestellt? Sind wir zu spät dran, um Afrika als Energieträger-Lieferanten zu erschließen? Sind andere Länder schon früher auf die Idee gekommen?
Bogner: Zu spät ist es nie, und zu spät dran ist Deutschland da sicherlich nicht. Aber Deutschland hat den afrikanischen Kontinent sehr lange mehr oder weniger ignoriert. Es gibt ja ein paar Stimmen, die sagen, seit Horst Köhler, dem ehemaligen Bundespräsidenten, hat man eigentlich keinen richtigen Afrika-Politiker mehr in Deutschland. So weit würde ich nicht unbedingt gehen. Aber Afrika stand eben nicht unbedingt immer oben auf der Agenda.
Mittlerweile interessieren sich aber andere Länder für den Kontinent. Das berühmte Beispiel ist natürlich China, die da sehr viel stärker investiert haben - nicht nur bei erneuerbaren Energien, sondern auch im Bereich großer Infrastrukturprojekte. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass wir da nicht aufholen können.
Die Frage ist: Ist das jetzt was auf Augenhöhe? Wollen sich Europa und Deutschland nach alternativen Energiequellen umschauen, und dann guckt man, dass Afrika die neue Tankstelle von Europa wird? Oder kooperiert man und schaut, wie die Energiewende in den Ländern selbst zu schaffen ist? Gleichzeitig kann man aber auch fragen: Was ist das Interesse von Europa, was das Interesse von Deutschland, und wie kann man das gemeinsam denken? Dafür ist es nie zu spät: auf partnerschaftliche Augenhöhe zu setzen.
China und Europa mit unterschiedlichen Ansprüchen
tagesschau.de: Daran hat es tatsächlich gemangelt in den letzten Jahren, oder? Da war immer auch der Anspruch, hinzugehen und Demokratie zu bringen - Stichwort: "White Saviorism". Man wollte Afrika helfen, Entwicklungshilfe leisten, während die Chinesen einfach Infrastruktur aufbauen, ohne irgendwelche Ansprüche zu stellen.
Bogner: Europa und China haben da ganz unterschiedliche Angänge. China hat wesentlich weniger Kriterien, die vorher erfüllt werden müssen und geht da pragmatisch ran: 'Wir haben eigene Interessen, wir wollen die Rohstoffe sichern, wir wollen aber auch zusammen mit afrikanischen Ländern schauen, wo wir gemeinsam Geld verdienen können'. Daran gibt es viel zu kritisieren - auf der anderen Seite ist das aber auch ein positiver Angang.
In Europa herrscht hingegen häufig dieses Narrativ, Afrika sei eigentlich eher ein Problem: ein Ort, von dem wir massenweise Flüchtlinge erwarten können; ein Problem, das gelöst werden muss. Da herrscht Armut, da herrscht Krieg. Das ist alles auch wahr. Aber natürlich ist dieser positive Angang etwas, was in Europa und vor allem in Deutschland ganz lange verpennt wurde.
"Da ist Bescheidenheit angebracht"
tagesschau.de: Inwiefern hat sich Deutschland - oder auch Europa - damit ins Hintertreffen gebracht? Was sollten wir an unserer Haltung ändern?
Bogner: Wir sollten auf Afrika schauen als einen Kontinent der Chancen und als einen Ort, mit dem wir auf Augenhöhe Geschäfte machen können. Das heißt ja auf der anderen Seite nicht, dass man gar nicht mehr auf Nachhaltigkeit, Menschenrechte und Demokratie achten sollte. Aber man sollte es positiv angehen und schauen, in welcher Form die europäischen Standards überzogen sind für gewisse afrikanische Kontexte und wie man aber - ohne die ganzen Werte über Bord zu werfen - neue Partnerschaften schließen kann.
Von europäpischer Seite ist da ein bisschen Bescheidenheit angebracht. Man sollte sich klarmachen, dass Europa ja auch Interessen hat. Es geht nicht immer nur darum, die Demokratie zu verbreiten. Stichwort grüner Wasserstoff: Da geht es ja auch um unsere eigenen Interessen. Das besser auszutarieren und in Zukunft anders zu machen: Da muss Europa, da muss Deutschland noch einen großen Schritt gehen.
Dynamische Unternehmerszene in vielen Ländern
tagesschau.de: Wo kann man von Afrika lernen kann. Was sind Bereiche, wo Afrika ganz klar besser aufgestellt ist als Europa?
Bogner: Wir haben während der Pandemie gesehen, dass viele afrikanische Länder wesentlich besser klargekommen sind - aufgrund der Erfahrungen, die sie vorher mit Ebola gemacht haben. Zwar sind die Daten nicht immer so ganz so sauber, und natürlich sind die wirtschaftlichen Nachwehen nochmal ein anderes Thema. Aber viele afrikanische Länder haben die Pandemie ziemlich gut eingedämmt.
Es geht weniger darum zu sagen: 'Wir machen das jetzt so, und unterschiedliche afrikanische Länder machen das so'. Aber man kann die Haltung ein bisschen verändern und sich klar machen: Das ist ein Kontinent, in dem in ganz vielen Ländern große Projekte angegangen werden.
Und aus großen Problemen entstehen möglicherweise große Lösungen. Das habe ich in Afrika ganz viel gesehen. In Ländern wie Nigeria gibt es eine unglaublich dynamische Unternehmerszene. Da werden von afrikanischen Unternehmern und Unternehmerinnen Lösungen geschaffen, die wahnsinnig gut in dem afrikanischen Kontext funktionieren. Diese Lösungen lassen sich aber oft auch exportieren - etwa in Schwellenländer und Entwicklungsländer, die ähnliche Probleme haben. Sich das klar zu machen und zu schauen, was gerade in Afrika passiert: Das ist im beiderseitigen Interesse.
"Wenn ihr nicht möchtet, dann wollen andere"
tagesschau.de: Wie ist denn umgekehrt die Sicht der Afrikaner auf Deutschland?
Bogner: Gemischt. Natürlich sind Deutschland und auch Europa immer noch sehr assoziiert mit dem kolonialen Erbe. Auf der anderen Seite gibt es viele Afrikaner und Afrikanerinnen, die durchaus ein partnerschaftliches Verhältnis zu Deutschland haben und das auch ausbauen möchten. Deutschland gilt immer noch sehr als zuverlässiger Partner. Motto: Wenn die Deutschen was machen, dann funktioniert es. Diese klassischen deutschen unternehmerischen Werte werden von vielen Afrikanern und Afrikanerinnen wahrgenommen.
Auf der anderen Seite ist man natürlich auch ein bisschen enttäuscht und wartet eben nicht mehr so sehr. In den letzten Jahrzehnten galt immer eher das Motto: 'Wir warten, was bietet ihr uns an? Wann kommt ihr endlich mal und investiert?' Das hat sich ein bisschen gedreht - natürlich in Zusammenhang mit China, aber auch mit anderen Ländern, die auf dem Kontinent jetzt verstärkt investieren. Man hat also gesehen: Es gibt Alternativen. 'Gut, wenn ihr nicht möchtet, dann wollen andere'.
tagesschau.de: Sophia Bogner, vielen herzlichen Dank für die Einblicke.
Das Gespräch führte Steffi Clodius, tagesschau.de