EY-Transaktionsstudie Weniger chinesische Firmenkäufe in Europa
Die Zahl chinesischer Unternehmensübernahmen in Europa sinkt auf ein Zwölf-Jahres-Tief, das Transaktionsvolumen dürfte sich halbiert haben. Ein Grund für den Rückgang ist die Konjunkturschwäche in der Volksrepublik.
Chinesische Käufer übernehmen in Europa immer weniger Unternehmen. Die Zahl der Transaktionen sank 2023 zum Vorjahr von 139 auf 119, geht aus einer Studie der Beratungsgesellschaft EY hervor. Die Zahl schrumpft seit Jahren: Auf dem Höhepunkt des Booms chinesischer M&A-Transaktionen in Europa gab es 2016 noch 309 Zukäufe chinesischer Betriebe.
Auch das Transaktionsvolumen sank im vergangenen Jahr weiter: Der Wert der Beteiligungen und Übernahmen fiel demnach von 4,3 auf 2,0 Milliarden Dollar. Bei den meisten Übernahmen liegen allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen vor.
Ein Plus auf niedrigem Niveau in Deutschland
In Deutschland stieg die Zahl von Übernahmen und Beteiligungen chinesischer Investoren zwar leicht von 26 auf 28 an. Das lag aber deutlich unter dem Rekordwert von 68 aus dem Jahr 2016. Das Investitionsvolumen in Deutschland lag mit 202 Millionen Dollar sogar auf dem niedrigsten Stand seit 2010. Bei dieser Zahl gilt es aber zu beachten, dass laut EY Risikokapitalinvestitionen in Startups, bei denen chinesische Firmen Teil internationaler Investorengruppen waren, nicht enthalten sind.
"Das leichte Plus bei der Zahl chinesischer Unternehmensübernahmen in Deutschland ist noch keine Trendwende", sagte Yi Sun, Partnerin und Leiterin der China Business Services in Westeuropa bei EY. "Nach wie vor sind chinesische Unternehmen zurückhaltend, wenn es um Übernahmen in Europa geht."
Im Industriesektor und im Hightechbereich engagierten sich chinesische Investoren bevorzugt in Deutschland. Von den europaweit 26 Deals im Hightechbereich hätten sieben deutsche Unternehmen betroffen. Von den 24 Transaktionen, bei denen Industrieunternehmen gekauft wurden, fanden laut EY acht in Deutschland statt.
Zukäufe werden weniger wichtig
Die Gründe für die Transaktionsschwäche liegen nach Ansicht der EY-Fachleute unter anderem an der konjunkturellen Situation in China und der Finanzlage der Firmen. So habe eine Expansion nach Europa durch M&A-Aktivitäten derzeit oft keinen hohen Stellenwert mehr, heißt es dazu. Nach wie vor seien chinesische Unternehmen zurückhaltend, wenn es um Übernahmen in Europa gehe, so Sun. Die Unternehmen konzentrierten sich auf ihr bestehendes Beteiligungsportfolio und darauf, die eigene Geschäftslage zu verbessern.
"Zum Teil gehört dazu auch die Trennung von Beteiligungen in Europa, etwa in der Automobilindustrie." Während Zukäufe weniger wichtig würden, fokussierten sich einige chinesische Investoren darauf, "Mega-Fabriken in Europa zu bauen, besonders in den Bereichen Elektroautos und Batterien".
Ferner hatte die Corona-Pandemie nach Einschätzung der Expertinnen und Experten in China zu massiven Einschränkungen bei Aus- und Einreisen und bei M&A-Aktivitäten geführt. Zum erwarteten Nachholeffekt sei es dann später allerdings nicht gekommen, sagte Sun. Grund sei der teilweise erhebliche politische Gegenwind für chinesische Unternehmen in vielen europäischen Ländern.
Hohe Hürden für ausländische Investitionen
Das ist ein weiterer Grund, der der Studie zufolge das sinkende Transaktionsniveau erklären könnte: "Potenzielle chinesische Investoren prüfen sehr sorgfältig, ob die Wahl bestimmter Übernahmekandidaten zu Widerstand bei Regierungen und zu Diskussionen in der Öffentlichkeit führen könnten", erläutert Sun.
Die Hürden für ausländische Beteiligungen, gerade in kritischen Branchen, seien inzwischen vielfach so hoch, dass schon in einem frühen Stadium von einer ansonsten strategisch sinnvollen Übernahme abgesehen werde. Ein Beispiel dafür liefert die neue China-Strategie der Bundesregierung, die im Juli des vergangenen Jahres beschlossen wurde.
Die Folgen der neuen China-Strategie?
Deutsche Unternehmen werden in dem Papier aufgefordert, ihre Risiken im China-Geschäft abzubauen. Je weiter sich China von den "Normen und Regeln" der regelbasierten internationalen Ordnung entferne, desto mehr könnten sich kritische Abhängigkeiten auch einzelner Branchen oder Unternehmen vom chinesischen Markt als Problem erweisen, heißt es. "Die Bundesregierung arbeitet auf ein De-Risking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin."
Dieser Strategie zufolge kann die Bundesregierung den Erwerb oder die Beteiligung an einem inländischen Unternehmen mit Auflagen versehen oder untersagen. Prüfmaßstab sei eine voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder der EU beziehungsweise der wesentlichen deutschen Sicherheitsinteressen, heißt es. Je wichtiger der von einem Investitionsvorhaben betroffene Sektor für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ist, desto niedriger liegen die Prüfeintrittsschwellen.
Deutschland ist wieder Hauptziel der Investitionen
Den EY-Daten zufolge spielen chinesische Investitionen in Deutschland insgesamt aber nur eine geringe Rolle. Mit den 28 Transaktionen belegt China zusammen mit Japan und Spanien den neunten Platz. An der Spitze liegen die Vereinigten Staaten mit 225 Transaktionen, gefolgt von Großbritannien (113). Die Reihenfolge hat sich bereits stark verändert: Im Jahr 2016 war China noch der viertwichtigste Investor in Deutschland.
Aus chinesischer Sicht war Deutschland 2023 allerdings der Hauptzielort in Europa. 2021 und 2022 wurden die europaweit die meisten Transaktionen in Großbritannien gezählt. Nach 35 Zukäufen im Jahr 2021 sank die Zahl der Deals im Jahr 2022 auf 27 und im Jahr 2023 sogar auf 17.