Neue Konkurrenz für Lufthansa Indiens beispielloser Luftfahrt-Boom
In Indien schließen sich zwei Airlines zusammen - symbolträchtig für die Luftfahrt des Landes, die immer neue Rekorde vermeldet. Fluggesellschaften haben Hunderte Flugzeuge bestellt, neue Mega-Airports sind im Bau.
"Mit dem Flugzeug steigen auch unsere Träume auf", heißt es in einem Instagram-Post der indischen Fluggesellschaft Vistara. "Gleiten wir in Richtung Zukunft, in der der Himmel nicht die Grenze, sondern nur der Anfang ist." Die neue Zukunft heißt Air India, der früheren staatlichen Airline, in der Vistara nun aufgeht.
Air India ist längst kein angestaubtes Staatsunternehmen mehr, sondern ein Luftfahrt-Riese, bei dem die indische Tata Group das Sagen hat. Mit an Bord ist bei der neuen Air India auch Singapore Airlines, die einen Anteil von 25,1 Prozent besitzen.
Die neue Air India wird zunächst über eine Flotte von mehr als 200 Flugzeugen verfügen und Verbindungen zu 90 nationalen und internationalen Zielen anbieten. In den kommenden Jahren steht der Kurs aber klar auf Wachstum. Neue Jets werden im Wochenrhythmus geliefert, ältere Flieger erhalten eine komplett neue Innenausstattung, und Vistaras Catering wird nun auch auf Air India ausgeweitet.
Gigantischer Expansionskurs
Erst im vergangenen Jahr bestellte die Air India 470 neue Flugzeuge bei Airbus und Boeing, Listenpreis rund 70 Milliarden Dollar - samt einer ausgehandelten Option für weitere 370 Flugzeuge. Die neue Airline will zum Platzhirschen aufsteigen. 840 Flugzeuge sollen vor allem im dem rasant wachsenden indischen Heimatmarkt künftig abheben.
Und nicht nur Air India hebt ab. Auch der indische Konkurrent IndiGo Airlines investiert mächtig in neue Flugzeuge. Die Bestellungen bei den Flugzeugbauern überschlagen sich. Mittlerweile hat IndiGo Airlines mehr als 1.000 neue Jets bestellt. Das sprengt alle bislang bekannten Maßstäbe in der Luftfahrtbranche - es sind historische Aufträge für Airbus und Boeing, die dort für volle Auftragsbücher sorgen. Und das fast schon ungeachtet all der technischen Probleme beim amerikanischen Hersteller Boeing. Die Auslieferung der bestellten Flugzeuge ist geplant für die kommenden zehn Jahre. Vorausgesetzt, dass auch genügend Triebwerke gebaut werden und die Branche keine Rückschläge einstecken muss.
Und dann ist da auch noch Akasa Air, Indiens jüngste Airline, die erst vor gut zwei Jahren den Flugbetrieb aufgenommen hat. Anfang des Jahres wurden 150 Boeing-737-Max-Maschinen bestellt. Damit steigt ihr Auftragsbestand auf mehr als 200 Flugzeuge, die für Expansionspläne fest eingeplant sind.
Mega-Airport auf der grünen Wiese
Doch nicht nur bei den Airlines wird investiert - Indien stampft auch immer neue Flughäfen aus dem Boden. Das Flughafenkürzel DXN steht für den neuen Flughafen "Noida International Airport", gelegen rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Neu-Delhi entfernt. Quasi auf der grünen Wiese ist dort in zweieinhalb Jahren ein riesiger zweiter Stadtflughafen neben dem "Indira Gandhi International Airport" (IGI) entstanden. Die Eröffnung ist für Ende April 2025 geplant, mit einer Anfangskapazität von 12 Millionen Passagiere - vergleichbar mit dem Flughafen Hamburg. Hochgezogen wird das indische Großprojekt vom Flughafen Zürich.
"Das Projekt ist auf 40 Jahre angelegt", erklärt Christoph Schnellmann, Geschäftsführer am DXN-Airport im Gespräch mit tagesschau.de. "Der Auftrag ist nicht nur, einen Flughafen zu bauen. Der Auftrag ist, einen Flughafen zu entwickeln und den Flughafen über 40 Jahre zu betreiben." Dabei stünden die Aussichten nicht nur in Noida auf Wachstum. "Der Luftverkehr in Indien wächst seit 20 Jahren unglaublich stark. Neu-Delhi braucht neue Airport-Infrastruktur."
Kapazität lässt sich schnell erweitern
Tag und Nacht wird gearbeitet, damit in einem guten halben Jahr alles fertig ist. Den gigantischen Flughafen will Indiens Premierminister Narendra Modi persönlich eröffnen. Alle auf der Baustelle sind zuversichtlich, dass der Terminplan eingehalten wird. "Der Flughafen wird in der ersten Ausbauetappe für 12 Millionen Passagiere jährlich ausgelegt", sagt Nicolas Schenk, der in Noida die Planung verantwortet. "Über Phasen der Weiterentwicklung wird der Flughafen bis 70 Millionen Passagiere ausgebaut." Erstmal. Und angrenzende Grundstücke sind längst angekauft. Dann ließe sich die Kapazität auch flugs verdoppeln.
Der Bedarf dafür scheint vorhanden: Der Stadtflughafen IGI in Delhi vermeldete im Vorjahr rund 75 Millionen Passagiere. Dort sollen die Kapazitäten im nächsten Jahrzehnt auf mehr als 100 Millionen Passagiere wachsen. Im zurückliegenden Jahrzehnt hat sich die Zahl kommerzieller Flughäfen in Indien verdoppelt - auf mehr als 140 Airports.
Mehr Wettbewerb auch im internationalen Geschäft
Der Großteil der dort angebotenen Flugverbindungen sind nationale Flüge. Noida plant derzeit mit 90 Prozent "domestic flights", also Inlandsflügen auf dem Subkontinent. Doch die neue Air India will auch auf der Landstrecke künftig wachsen. "Indischen Fluglinien mangelt es an Nonstop-Verbindungen ins Ausland", hatte Air-India-Chef Campbell Wilson in einem Zeitungsinterview gesagt.
Damit bekommt die Lufthansa neue Konkurrenz. Konzernchef Carsten Spohr kennt Wilson bestens. Schließlich sind beide Fluggesellschaften Mitglied im Airline-Verbund "Star Alliance". Der Wettbewerb dürfte in den kommenden Jahren um einiges rauer werden. Denn mit all den neuen Jets will Air India vor allem auch ihr Flugangebot nach Europa und Nordamerika ausbauen.