Angebot italienischer Kommunen Das Ein-Euro-Haus macht Karriere
Ein Haus für nur einen Euro: Mit diesem Angebot wollen immer mehr italienische Kommunen vom Aussterben bedrohte Dörfer wiederbeleben. Auch in der Toskana warten verlassene Immobilien auf Käufer.
Häuser zum symbolischen Preis von einem Euro zu verkaufen, um neue Einwohner und Investitionen anzulocken: Es ist ein ungewöhnliches Projekt gegen die Entvölkerung, das sich die toskanische Gemeinde Fabbriche di Vergemoli vor vier Jahren ausgedacht hat. Der Ort, etwa 18 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt Lucca, hat 800 Einwohner. Viele der Häuser stehen seit Jahrzehnten leer. Entweder, weil die Besitzer ausgewandert sind, oder weil die Erben nicht die finanziellen Mittel haben, sie wiederherzurichten und bewohnbar zu machen.
Bereits Tausende Interessenten
Bürgermeister Michele Giannini will dem Dorf neues Leben einhauchen und gründete deshalb 2016 das Projekt "Casa ad 1 Euro" ("Häuser für einen Euro"). Mehr als 11.000 Menschen haben sich seitdem für ein Ein-Euro-Haus interessiert. Giannini führte in den letzten Jahren Touristen aus aller Welt durch die beschauliche Gemeinde.
"Wir versuchen durch das Projekt, wunderschöne Dörfer, die allmählich aussterben, wiederzubeleben," sagt der Bürgermeister. Denn gerade junge Italiener verlassen oft ihre kleinen Heimatorte und ziehen in die Städte, während die ältere Generation langsam verloren geht.
Dieses Haus sieht von außen noch recht ansehnlich aus ...
Häuser oft stark sanierungsbedürftig
Viele der Immobilien sind in einem heruntergekommenen Zustand und müssen umfassend saniert werden. Wer sich ein Haus für einen Euro kauft, verpflichtet sich, die Kosten und die nötigen Papiere zu übernehmen. Die Renovierungsarbeiten müssen innerhalb von drei Monaten nach Freigabe der Baugenehmigung beginnen und innerhalb von drei Jahren beendet werden.
In 40 Häusern in Fabbriche di Vergemoli starten 2021 die Renovierungsarbeiten. Auch der Brasilianer Douglas Roque steckt gerade mitten in den Vorbereitungen für seinen Umbau. Während eines Italien-Urlaubs vor zwei Jahren beschloss der 23-Jährige spontan, in die Toskana zu fahren und ein Haus zu kaufen. Von der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole Sao Paulo geht es für ihn jetzt bald nach Fabbriche di Vergemoli. Auch sein Bruder hat hier inzwischen ein Haus gekauft.
... doch oft muss man eine Menge Geld oder handwerkliches Geschick investieren, um es auch innen wieder herzurichten.
Komplizierte Besitzverhältnisse
Ganz so einfach und unkompliziert verläuft der Immobilienkauf aber nicht immer. Ein häufiges Problem der Ein-Euro-Häuser sind die komplizierten Besitzverhältnisse: Oft gehören Häuser mehreren Besitzern, die zum Teil ausgewandert oder verstorben sind. "Dann kann es passieren, dass sich nach dem Verkauf plötzlich ein bisher unbekannter Besitzer oder ein Erbe meldet, der ebenfalls Besitzansprüche erhebt", sagt die Kunsthistorikerin und Journalistin Silvia Mazza, die sich intensiv mit den Ein-Euro-Häusern befasst hat.
Eine weitere böse Überraschung könne eintreten, wenn die erste Rechnung für die Immobiliensteuer eintrifft. Normalerweise liege der amtliche Wert der Häuser sehr viel höher als der Verkaufspreis von einem Euro - und entsprechend hoch könne diese Rechnung dann ausfallen. Aus diesen Gründen treten die Gemeinden in vielen Regionen als Vermittler auf und helfen bei der bürokratischen Abwicklung.
Renovierungsarbeiten an einem Ein-Euro-Haus in Fabbriche di Vergemoli.
Ein-Euro-Häuser in ganz Italien
Inzwischen haben viele Ortschaften die Idee der "Casa ad 1 Euro" übernommen. Aktuell stehen in etwa 25 Gemeinden in Italien Häuser für einen Preis von einem Euro an aufwärts zum Verkauf. Durch dieses langfristige Projekt soll nicht nur das Überleben der Dörfer gesichert werden, sondern letztlich auch der Tourismus angekurbelt werden. Denn die Häuser lassen sich auch in "Bed-and-Breakfast"-Unterkünfte oder Boutique-Hotels verwandeln und könnten so für zusätzliche Arbeitsplätze in den Regionen sorgen.
In Fabbriche di Vergemoli wurden alle leerstehenden Häuser inzwischen verkauft. Nun hofft Bürgermeister Giannini, dass die Zahl der Einwohner bald steigen und wieder mehr Leben in die Gemeinde zurückkehren wird.