Kneipensterben in England Zahl der Pubs auf Rekordtief
Ein Stück englischer Kultur gerät ins Wanken: Die Zahl der Pubs ist auf einen historischen Tiefstand gesunken. Viele Kneipen werden abgerissen oder in Wohnungen und Büros umgewandelt.
In England und Wales sinkt die Zahl der Pubs: In der ersten Hälfte dieses Jahres gab es weniger als 40.000 Kneipen. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Immobilienberaters Altus Group. Das seien 7000 weniger als noch vor einem Jahrzehnt und so wenige, wie nie zuvor. Allein zwischen Jahresende 2021 und Juni sind der Studie zufolge etwa 200 Pubs verschwunden. Betroffen waren vor allem die West Midlands um die Millionenstadt Birmingham sowie London und Ostengland.
Altus betonte, nach der Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns sei das Gastgewerbe von rekordhoher Inflation und den explodierenden Energiekosten betroffen.
Verband fordert Staatshilfe
Die Branchenverbände British Beer and Pub Association (BBPA), British Institute of Innkeeping und UK Hospitality ermittelten, dass nur 37 Prozent der Betriebe profitabel arbeiteten. BBPA-Chefin Emma McClarkin fordert deshalb staatliche Hilfen. "Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir Erleichterungen erhalten, um diesen Druck zu verringern, oder wir riskieren, Jahr für Jahr noch mehr Pubs zu verlieren", sagte sie.
Pandemie und Inflation sind die beiden Faktoren, die die Branche unter Druck setzen: "Als Branche haben wir gerade die härtesten zwei Jahre seit Menschengedenken überstanden und stehen nun vor der Herausforderung extrem steigender Kosten", sagte BBPA-Chefin Emma McClarkin.
Einsamkeit und Isolation droht
Da Pubs als Seele der "community" in den Gemeinden gelten, überrascht der starke Rückgang. Denn in den Kneipen treffen sich Freunde und Familien zum Sonntagsbraten, Kollegen und Sportgruppen genießen nach getaner Arbeit noch ein Pint. Wer im Londoner Stadtzentrum an einem Donnerstagnachmittag ein Feierabendbier trinken will, braucht lange, um durch die Menschenmengen zur Theke durchzudringen. Auch für viele Touristen gehört ein Besuch im Pub dazu.
"Wenn Pubs gezwungen werden zu schließen, bedeutet dies einen enormen Verlust für die lokalen Gemeinden", sagte McClarkin. Auch die Denkfabrik Localis verwies bereits im Frühling 2021 auf die zentrale Rolle der Pubs für die Gemeinden. Für viele Menschen sei der Pub-Besuch eine Möglichkeit, ihre Wohnung zu verlassen und sich mit Freunden und Nachbarn zu treffen. Sprich: Einsamkeit und soziale Isolation würden vermieden. Gingen die Pubs vor allem auf dem Land verloren, könne dies den sozialen Kitt gefährden, warnte Localis.
Lukrativer Umbau zu Büros
Das Pub-Sterben begann bereits vor langer Zeit, die Corona-Pandemie hat den Trend nur verstärkt. Die Gründe sind vielfältig: Das Rauchverbot, günstiger Alkohol im Supermarkt oder auch geändertes Trinkverhalten. Zudem klagen Wirte über die Biersteuern, die zu den höchsten der Welt gehörten. Zuletzt wurden die Pubs auch von Streiks bei den britischen Bahnen getroffen, es waren weniger Pendler unterwegs, niemand bummelte durch die Innenstädte. Das habe ihn um 25 Prozent seiner Erlöse gebracht, sagte Clive Watson, Gründer der Londoner Kneipenkette City Pub Group.
Statt Pubs zu verpachten, lassen die Eigentümer sie außerdem zu Wohnungen oder Büroräumen umbauen. Die Flächen sind oft zentral gelegen und damit äußerst attraktiv.