Stichtag für Schuldentilgung Wie weit ist Russland vom Bankrott entfernt?
Heute ist Zahltag: Russland muss Schulden in dreistelliger Millionenhöhe bei internationalen Gläubigern begleichen. Die Frage ist: Kann und will der Kreml dies tun? Und was passiert, wenn nicht?
Die Erinnerungen werden wieder wach: 1998, Staatsbankrott in Russland. Könnte sich das jetzt wiederholen? Selbst altgediente Finanzexperten wie Jochen Felsenheimer von Xaia Investment wollen keine Prognose abgeben. "Wir haben es zu tun mit einer Situation, da gibt es keine Blaupause für", sagt Felsenheimer. Denn der Teufel steckt im Detail: Genau 117 Millionen Dollar muss Russland als Zinsen jetzt an internationale Investoren zahlen, für zwei Anleihen. Das Problem: Die Dollarkonten der russischen Zentralbank im Ausland sind eingefroren, das Geld sitzt fest.
Eher eine Frage des Wollens?
Können die Zins-Dollars trotzdem irgendwie anders zu den Investoren kommen? Russland-Experte Andreas Männicke von East Stock Informationsdienste hat da eine Idee. Er denkt an den Goldschatz der Russen: "Sie könnten ja Gold verkaufen und damit - 100 Millionen sind ja nicht viel - damit auch die Schulden bezahlen." Voraussetzung sei allerdings, dass ihnen jemand das Gold abkauft und in Dollar tauscht - zum Beispiel die Chinesen.
Doch selbst wenn Russland zahlen kann: Die Frage ist, ob der Kreml das auch will. Vielleicht ist das sogar der viel entscheidendere Punkt, sagt Anleiheexperte Felsenheimer: "Es gibt durchaus für Russland das Argument, dass man sagt, 'wir behalten jetzt das Geld, da wir in Zukunft eh keine Zahlungen mehr vom Westen erwarten können'."
Kein unmittelbarer Zahlungsausfall
Der russische Finanzminister Anton Siluanov hat die beiden Zinszahlungen zu Beginn der Woche nun allerdings schon freigegeben. Dabei hat er allerdings offengelassen, ob das Land in harten Dollar zahlt oder doch in eher weichen Rubeln, was in diesem Fall eigentlich nicht erlaubt ist. Wenn Russland seine Zinsen, den sogenannten Kupon, nicht zahlt oder nur in Rubel, dann würde das Land voraussichtlich als zahlungsunfähig gebrandmarkt - also in die Staatspleite schlittern.
Dies allerdings noch nicht sofort, sagt Anleiheexperte Felsenheimer. "Nach dem Datum der Kuponzahlung hat er noch mal 30 Tage Zeit, die Zahlung nachzuholen", erläutert er. "Erst, wenn diese Frist auch verstrichen ist, kommt es auch zu einem Zahlungsausfall."
Die Einnahmen reichen noch aus
Doch selbst wenn dann Mitte April der Staatsbankrott feststünde, bedeutete das nicht, dass der Staat keine einzige Kopeke mehr hätte. Es bedeutete nur, dass der Kreml eben internationalen Investoren keine Dollar zahlen könnte - oder sie einfach nicht zahlen wollte.
Für die Beamten im Land und für die Renten hätte das erst mal keine Folgen, sagt Russlandexperte Männicke. "Da sehe ich keine Probleme, Beamtengehälter zu zahlen. Also, da wird Putin für sorgen, sonst hätte er sofort einen Aufstand da." Und das, so Männike, werde und könne Putin verhindern. Denn das internationale Geschäft vor allem mit Öl bringt viele Einnahmen nach Russland, von denen der Staatshaushalt zehrt; so viele Einnahmen, dass der Kreml damit die meisten Schulden erst einmal bezahlen kann - noch.