Internationale Geldgeber Knausert Deutschland bei den Ukraine-Hilfen?
Die USA stellen die meisten Mittel für die Ukraine bereit. Deutschland kommt in der Rangliste der Geldgeber laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft noch hinter Polen. Doch die Rechnung hat einen Haken.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine sieht sich Deutschland immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, zu zögerlich beim finanziellen und militärischen Engagement zu sein. Eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) liefert den Kritikern nun neue Argumente.
Deutschland gemessen am BIP auf 14. Platz
Dem "Ukraine Support Tracker" des IfW zufolge rangiert Deutschland gemessen an seiner wirtschaftlichen Leistung unter den Ukraine-Gebern weit unten auf dem 14. Platz. Dazu haben die Forscher die bilateralen Hilfen (inklusive der EU-Hilfen) der einzelnen Länder in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes gesetzt.
Demnach belaufen sich die deutschen Zusagen auf gerade einmal 0,06 Prozent des BIP. Dagegen gibt kein Land, gemessen an seiner Wirtschaftsleistung, so viel wie der baltische Staat Estland. Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen Lettland, Polen, Litauen und die Vereinigten Staaten.
Polen ist größter EU-Geldgeber
Auch ein Blick auf die absoluten Zahlen der einzelnen Geberländer fällt ernüchternd aus. So sind die USA mit 42,95 Milliarden Euro an finanziellen, humanitären und militärischen Hilfen der mit Abstand größte Geldgeber. Deutschland stemmt den Kieler Ökonomen zufolge mit 2,35 Milliarden Euro gerade einmal rund sechs Prozent der US-Hilfen und landet so auf dem fünften Platz.
Aus den absoluten Zahlen geht vermeintlich klar hervor, dass Deutschland mit seinem fünften Platz sogar hinter Polen rangiert. Das Ukraine-Nachbarland ist den IfW-Daten zufolge mit 2,57 Milliarden Euro der größte Geldgeber unter den EU-Mitgliedsländern.
Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht: Denn die IfW-Forscher haben bei ihrer Länder-Rangliste die EU-Hilfen separat aufgeführt. EU-Kommission und -Rat sind demnach mit 4,12 Milliarden Euro der drittgrößte Ukraine-Geldgeber, hinter Großbritannien (4,79 Milliarden Euro).
Deutschland leistet in Brüssel großen Beitrag
Fakt ist aber: Deutschland war und ist der mit Abstand größte Geldgeber in der Europäischen Union. 2020 leistete die Bundesrepublik mit rund 28,1 Milliarden Euro den höchsten nationalen Beitrag zum EU-Haushalt. Und auch in der Ukraine-Krise stemmt Deutschland, vermittelt über die EU, große Summen.
So stellte Deutschland allein rund 400 Millionen Euro der so genannten "Europäischen Friedensfazilität" (EFF) bereit zur Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten bei der Lieferung militärischer Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte. Das ist fast ein Drittel des gesamten EFF-Volumens von 1,5 Milliarden Euro.
Insofern sind die Zahlen des Kieler Instituts mit Blick auf die einzelnen EU-Länder nach unten verzerrt, bei einigen Ländern wie Deutschland und Frankreich sogar deutlich. Um die militärischen, humanitären und finanziellen Hilfen der einzelnen Länder besser vergleichen zu können, müssten die EU-Hilfen im Nationen-Ranking mit einbezogen werden.
Große Diskrepanz zwischen EU und USA
Was aus den Zahlen des "Ukraine Support Trackers", der sich auf Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte internationaler Medien stützt, dennoch klar hervorgeht: Die EU-Staaten und EU-Institutionen kommen auf gerade einmal 16 Milliarden Euro an Zusagen. Das ist weniger als 40 Prozent der US-Hilfen.
"An sich könnte man erwarten, dass die EU einem Nachbarland zumindest in ähnlicher Höhe hilft wie die entfernten USA. Aber die EU-Länder bewegen sich seit Wochen deutlich langsamer, nicht nur bei Waffenlieferungen, sondern auch bei der finanziellen und humanitären Unterstützung", sagt Christoph Trebesch, Forschungsdirektor am IfW Kiel und verantwortlich für den "Ukraine Support Tracker".
Kein Vergleich zu Staatshilfen für Konzerne
Vor diesem Hintergrund wirkt auch die heute bekannt gewordene Kreditzusage über 150 Millionen Euro der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an die Ukraine höchst bescheiden. Zum Vergleich: Die KfW hatte zusammen mit 19 internationalen Banken dem europäischen Reisekonzern TUI eine Kreditlinie über 4,7 Milliarden Euro eingeräumt, um diesen in der Corona-Pandemie vor der Pleite zu retten. Die Deutsche Lufthansa wurde mit Staatshilfen über 9 Milliarden Euro gerettet, davon stammte eine Milliarde aus einem KfW-Darlehen.