US-Subventionen locken Deutsche Konzerne zieht es in die USA
Der "Inflation Reduction Act", der Milliardenhilfen für Klima-Technologien vorsieht, verleitet immer mehr deutsche Unternehmen zu Investitionen in den USA. Lässt sich Europa aus Sorge um Jobverluste auf einen Subventionswettlauf ein?
Audi, BMW, Schaeffler, Siemens Energy, Aurubis: Die Liste deutscher Unternehmen, die große Investitionen in den USA planen oder bestehende Standorte ausbauen, wird immer länger. Egal ob der Bau von Elektroautos, Wasserstoffproduktion oder Metallrecycling - großzügige Subventionen locken vor allem Unternehmen mit klimafreundlichen Technologien in die USA. Mit dem "Inflation Reduction Act" fördert die Regierung von US-Präsident Joe Biden klimafreundliche Investitionen in den Vereinigten Staaten mit der enormen Summe von insgesamt 430 Milliarden Dollar.
Nach einer Umfrage der deutschen Industrie- und Handelskammer plant bereits jedes zehnte Unternehmen Produktionsverlagerungen. Der Autohersteller BMW erweitert und modernisiert bereits sein Werk Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. 1,7 Milliarden Euro investiert der Münchner Konzern hier. Der Konkurrent Audi erwägt derzeit, ein erstes US-Werk zu bauen. Der Standort sei derzeit "hochattraktiv", sagte Audi-Chef Markus Duesmann der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
"Die nächsten Werke eher in Amerika"
Auch der Energietechnik-Hersteller Siemens Energy liebäugelt damit, Anlagen für die Wasserstoffwirtschaft in den Vereinigten Staaten anzusiedeln. Ähnliche Signale hat zuletzt der Autozulieferer Schaeffler ausgesendet. "Die nächsten Werke bauen wir eher in Amerika", sagte Konzernchef Klaus Rosenfeld der "Welt am Sonntag".
Europas größter Kupferkonzern Aurubis baut derzeit im Bundesstaat Georgia ein neues Recyclingwerk, das im kommenden Jahr in Betrieb gehen soll und nun noch erweitert wird - auch als Reaktion auf das Subventionspaket von US-Präsident Biden.
EU-Gipfel berät über Europas Antwort
In Europa hat der Inflation Reduction Act viele Politiker aufgeschreckt. Schon die hohen Energiepreise seien ein Standortnachteil, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Deutschlandfunk: "Wenn jetzt da obendrauf noch die Investitionsmittel der Vereinigten Staaten kommen, dann wird es schwer hier auf der europäischen Seite für unsere Unternehmen."
Die Europäische Union will mit Beihilfen und eigenen Investitionsprogrammen dagegenhalten, um so im Wettbewerb bei "grünen" Technologien bestehen zu können. Detaillierte Beschlüsse sollen auf dem nächsten EU-Gipfel im März fallen.
Eine Frage der Schnelligkeit
All das dauere hierzulande aber länger als in den Vereinigten Staaten, sagt Wolfgang Weber, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Der größte Unterschied zwischen der Herangehensweise in den USA und in Europa seien vielleicht weniger die Geldbeträge, "sondern tatsächlich die Umsetzungsgeschwindigkeit, die Umsetzungsüberzeugung, mit der das passiert".
Schnelligkeit überzeugte auch den Chemiekonzern Evonik. Nachdem die US-Regierung zwei Drittel einer neuen Produktionsanlage subventionieren will, sei die Investitionsentscheidung schnell getroffen worden, heißt es von den Konzern. Evonik baut in den Vereinigten Staaten eine neue Anlage zur Produktion sogenannter pharmazeutischer Lipide. Washington unterstützt das rund 220 Millionen Dollar schwere Projekt nach Angaben des Unternehmens mit rund 150 Millionen Dollar.
"Wollen wir da mitspielen?"
Bidens Milliardenpaket hat zu einem Subventionswettlauf geführt, bei dem auch Unternehmen mit pokern. So fordert etwa der US-Chiphersteller Intel für den geplanten Bau einer Fabrik in Magdeburg inzwischen weitere Fördergelder. Statt der zugesagten 6,8 Milliarden Euro ist nun von zehn Milliarden Euro die Rede, die man benötige.
"Die Unternehmen versuchen natürlich, wenn sie neue Fabriken bauen, die höchstmöglichen Subventionen zu bekommen", kommentiert dies Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts. Der Ökonom sieht die Entwicklung kritisch. "Die Frage ist: Wollen wir da eigentlich mitspielen?", so Fuest. "Ist es sinnvoll, in ein Projekt wie in Magdeburg, in eine einzelne Chipfabrik, sieben Milliarden an Subventionen zu stecken? Ich bin da eher skeptisch." Besser sei es, mit dem Geld breit Forschung und Entwicklung zu fördern.
Sorgen wegen eines Subventionswettlaufs und möglicher Wettbewerbsnachteile für Produktion in Europa dürften auch beim Besuch von Kanzler Olaf Scholz in Washington zur Sprache kommen. Und auch EU-Kommissionspräsident von der Leyen will mit US-Präsident Biden bei einem geplanten Treffen am 10. März über die europäischen Befürchtungen sprechen. In dieser Woche haben bereits US-Finanzministerin Janet Yellen und Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis darüber beraten.