US-Subventionspaket "Jobkiller" oder Weckruf?
US-Präsident Biden will die heimische Wirtschaft mit enormen Subventionen stärken. Die EU fürchtet Nachteile. Die deutsche Wirtschaft sieht auch Chancen - wenn Europa richtig reagiert. Aber wie?
Die Vereinigten Staaten sind einer der größten Abnehmer von Waren "made in Germany". Aber Produkte deutscher Hersteller werden schon lange nicht mehr nur in Deutschland produziert. Viele große DAX-Konzerne haben einen eigenen Produktionsstandort in den USA - darunter die großen Autobauer BMW, Mercedes und VW, die Chemie-Konzerne BASF und Covestro, Siemens oder Bayer. Können auch sie vom "Inflation Reduction Act" - einem hundert Milliarden Dollar schweren Subventionspaket der Regierung von Präsident Joe Biden - profitieren?
Bedingt ja, sagt der Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. "Wer in den USA, Kanada oder Mexiko produziert und die Teile für die Autos, Maschinen et cetera dort auch einkauft, der wird voll von den Subventionen profitieren." Doch Felbermayr warnt davor, dass es kein Selbstläufer ist. "Denn man muss nachweisen, dass genug Wertschöpfung aus Nordamerika in diesen Produkten steckt."
Um Gelder aus dem Hilfsprogramm zu erhalten, müssen Unternehmen in den Vereinigten Staaten investieren und produzieren. Die EU reagierte alarmiert: Die Europäische Union befürchtet, dass auch europäische Unternehmen ihre Produktion nach Übersee verlagern könnten, um von den Subventionen zu profitieren.
Viel Geld für Klimaschutz-Investitionen
Viele international aufgestellten Großkonzerne sehen den "Inflation Reduction Act" weniger kritisch als er in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Der Chef des großen deutschen Strom-Produzenten RWE lobte im Interview mit dem "Handelsblatt", mit dem Gesetz seien sehr attraktive Bedingungen für Investitionen in Klimaschutz entstanden.
Auch Christian Bruch, Vorstandsvorsitzender des Münchner Technologie-Konzerns Siemens Energy, sieht durch das neue Gesetz vor allem Chancen - etwa für die Zukunftstechnologie Wasserstoff. Bei der Bilanzpressekonferenz Mitte November sagte Bruch: "Was ich zum ersten Mal weltweit in einem größeren Maßstab glaube zu sehen, ist ein kommerzielles Geschäftsmodell für grünen Wasserstoff. Aufgrund der Gegebenheiten in den USA, aufgrund der Fördermechanismen und das ist klug gemacht." Da helfe es nicht, über den "Inflation Reduction Act" zu jammern, so Siemens-Energy-Chef Bruch, "sondern da muss man drauf reagieren".
EU wertet es als Protektionismus
Die Frage ist nur: wie? Anfang der Woche gab es ein Treffen zwischen Vertretern der USA und der Europäischen Union. Der deutsche Industrieverband BDI beschreibt es als "wenig erfolgreich" und warnt davor, einen für beide Seiten schädlichen Subventionswettlauf zu starten. Dabei sei der "Inflation Reduction Act" im Kern ein großes Klimaschutz-Paket, sagt Claudia Schmucker von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegenüber tagesschau24. "Das Problem ist, dass die USA damit eigene Jobs herstellen und die eigene Produktion stärken wollen."
Die Außenhandelsexpertin nennt Beispiele: "Es gibt für bestimmte Steuergutschriften für E-Autos den Vorsatz, dass es 'made in America' sein muss. Batterien müssen in den USA hergestellt sein, oder die Endmontage muss in den USA stattfinden. Und das ist von der EU als Protektionismus gewertet."
Sorgen im Mittelstand
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte das Gesetz sogar als "Jobkiller" für Europa bezeichnet. Und auch der deutsche Mittelstand schlägt Alarm. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die keinen Standort in Amerika haben, aber ihre Waren und Vorprodukte weiter in die USA exportieren wollen, sehen sich durch das US-Subventionsprogramm massiv bedroht.
Der Bundesverband Mittelstand fordert daher das, was aus Wirtschaftssicht seit Jahren überfällig ist: mehr Investitionen, schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie. Das Anti-Inflationsprogramm der USA sei ein Weckruf für die deutsche Wirtschafts- und Standortpolitik.