Frühjahrsgutachten "Wirtschaftsweise" erwarten weniger Wachstum
Das wirtschaftliche Beratergremium der Bundesregierung hat seine Prognose für 2024 deutlich abgesenkt. Die "Wirtschaftsweisen" erwarten nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent. Einer ihrer konkreten Vorschläge: eine Pkw-Maut.
Die sogenannten Wirtschaftsweisen haben ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr nach unten geschraubt. Wie das Beratergremium der Bundesregierung mitteilte, wird nur noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent gerechnet. Im vergangenen Herbst hatten die Wirtschaftsweisen noch ein Wachstum von 0,7 Prozent prognostiziert.
Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft werde von einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geprägt, teilte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit. "Die privaten Haushalte konsumieren aktuell noch zurückhaltend, die Industrie und die Baubranche verzeichnen nur geringfügig neue Aufträge", sagte Ratsmitglied Martin Werding.
Bei den vergangenen Gutachten der Expertengruppe standen vor allem die Energiekrise und ihre Folgen im Vordergrund. Bereits im Herbst hatten die "Wirtschaftsweisen" jedoch klargestellt, dass sie strukturelle Probleme in Deutschland für schwerwiegender halten, etwa den Fachkräftemangel und die vernachlässigte Infrastruktur. "Der Trend hat sich bestätigt und verstärkt", erklärte Werding die Anpassung.
Auch Prognose der Bundesregierung verhalten
Auch die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr nur mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. Sie hatte unter anderem darauf verwiesen, dass die Weltwirtschaft noch nicht wieder richtig in Schwung gekommen sei.
Eine Prognose der EU-Kommission kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Danach wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr langsamer wachsen als zuletzt erwartet. In einer heute vorgelegten Schätzung der Brüsseler Behörde prognostiziert sie der größten Volkswirtschaft der EU für 2024 nur noch ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent.
Im Laufe des Jahres 2024 rechnen die "Wirtschaftsweisen" damit, dass die Wirtschaft an Fahrt aufnimmt. "Wir erwarten ein gedämpftes aber stabiles Jahr, das sich im kommenden Jahr fortsetzen wird", hieß es. Für 2025 prognostizierten die Experten ein Wachstum von 0,9 Prozent. Der private Konsum beginne voraussichtlich im Jahresverlauf die Konjunktur zu stützen, da die Realeinkommen deutlich steigen dürften.
Bei der Entwicklung der Inflation gehen die "Wirtschaftsweisen" in diesem Jahr von einer Rate von 2,4 Prozent und im kommenden Jahr dann von 2,1 Prozent aus. "Eine gute Nachricht ist, dass die Energiepreise die Inflation nicht treiben", sagte Mitglied Ulrike Malmendier. Der Rat rechne mit besseren Finanzierungsbedingungen in 2024. Grund dafür sei etwa eine erwartete Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB).
Schlechte Verkehrsinfrastruktur in Deutschland
Die "Wirtschaftsweisen" kritisierten heute die vorhandene Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Der schlechte Zustand führe zunehmend zu Staus auf Autobahnen und einer geringen Zuverlässigkeit im Schienenverkehr. Das beeinträchtige den Güterverkehr und die Wirtschaftsaktivität, heißt es in dem Gutachten.
"Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland muss modernisiert und ausgebaut werden", sagte die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer. Dazu brauche es höhere Ausgaben und mehr Planungssicherheit. Als Finanzierungsmöglichkeit schlagen die "Wirtschaftsweisen" eine Pkw-Maut vor. Da schwere Fahrzeuge die Infrastruktur stärker abnutzten als leichte Fahrzeuge, wäre eine Differenzierung nach Gewicht sinnvoll.
Ausbau der Infrastruktur für Elektro-Lkw
Die bestehende Lkw-Maut trägt dem Gutachten zufolge zu einem erheblichen Teil dazu bei, die Verkehrsausgaben des Bundes zu decken. Der Güterverkehr müsse zudem dekarbonisiert werden, so der Sachverständigenrat. Er macht laut den Experten aktuell acht Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus.
Die Experten haben die Bundesregierung deshalb aufgefordert, den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw in Angriff zu nehmen. Batterieelektrische Lkw könnten bereits heute zur Emissionsreduzierung beitragen, andere emissionsarme Antriebe hätten "nicht dieselbe Marktreife", erklärte das wirtschaftliche Beratergremium. Einigkeit über die Priorisierung auf batterieelektrische Lkw gab es in dem Beratergremium dabei allerdings nicht. Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm äußerte, die Priorisierung greife zu kurz.
Die Mitglieder erstellen regelmäßig Gutachten zur konjunkturellen Lage Deutschlands. Diese enthalten auch Prognosen und sollen wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen. Jeweils im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen ein umfangreiches Jahresgutachten. Hinzu kommen Sondergutachten und Expertisen zu ausgewählten Themen.