Ein Aufsteller mit der Aufschrift "FIFA World Cup Qatar 2022" steht vor der Skyline von Doha

Milliardengeschäft Fußball Was die Wirtschaft von der WM erwartet

Stand: 19.11.2022 15:48 Uhr

Das Turnier in Katar ist wohl nicht nur die umstrittenste, sondern auch teuerste Fußball-WM aller Zeiten. Wie gehen Sponsoren damit um? Und was bedeuten Boykottaufrufe für die deutsche Wirtschaft?

Von Constantin Röse, ARD-Börsenstudio Frankfurt

Große Emotionen und unvergessliche Momente - genau dafür sitzen Millionen Fußballfans alle vier Jahre vor den Fernsehern. Und in diesem Jahr ist die Welt zu Gast in Katar. Offen, modern, fußballbegeistert - so möchte sich der Wüstenstaat in aufwendig produzierten Werbeclips präsentieren. Doch längst wird das Ausrichtungsland der Weltmeisterschaft vor allem für die Missachtung der Menschenrechten oder homophobe Aussagen kritisiert. Es gibt sogar Boykottaufrufe.

Eine heikle Situation auch für Sponsoren. Egal ob Adidas, Coca-Cola oder Visa - viele tun sich schwer im Umgang mit dieser WM. Normalerweise ist so ein sportliches Großereignis ein Umsatztreiber, besonders für Sportartikelhersteller. In diesem Jahr gibt es einige Unsicherheiten, sagt Tom Diedrich, Analyst beim Bankhaus Metzler:

In der Vergangenheit hat man sich sicherlich auch nochmal ein Trikot gekauft, um mit Freunden im Biergarten die kommenden Deutschlandspiele zu schauen. Jetzt, mit den hohen Ausgaben im Energiebereich, überlegt man es sich vielleicht doch drei Mal, ob man wirklich das Trikot braucht - nur um dann auf der heimischen Sofa bei Glühwein das Spiel zu gucken.

Der Sportartikelhersteller Adidas ist trotzdem zuversichtlich und erwartet ein Millionengeschäft, einen Umsatzschub von bis zu 400 Millionen Euro. In der Vergangenheit haben diese Zahlen auch an der Börse die Aktienkurse bewegt. Papiere von Adidas & Co. kletterten während Sportereignissen oft nach oben.

Fußballfans wollen weniger Spiele gucken

Bei vielen deutschen Fans hingegen hat die Stimmung einen Tiefpunkt erreicht - möglicherweise mit einem positiven Nebeneffekt für die deutsche Wirtschaft. Laut einer repräsentativen Umfrage der Universität Hohenheim wollen deutlich weniger Menschen die WM in Katar verfolgen als in den Jahren zuvor. Und das gilt auch für Spiele, die zur Arbeitszeit laufen.

Im Schnitt wollen die Befragten nur zehn Minuten ihrer Arbeitszeit pro Tag WM-Spielen opfern, sagt Markus Voeth von der Universität Hohenheim: "Wenn man das sozusagen an vergeudeter Arbeitszeit umrechnet in Bruttoinlandsprodukt - dann haben wir einen indirekten Vorteilseffekt. Nämlich dass der Wirtschaft rund sechs Milliarden Euro sozusagen nicht entgehen."


Brauereien und Handelsverband skeptisch

Doch dieser Effekt könnte sich schnell zerschlagen, wenn es keine Public-Viewing-Events oder volle Biergärten gibt und im Handel die Nachfrage nach Fanartikeln nicht aufkommen will. Entsprechend sind die Erwartungen - egal ob bei Brauereien oder beim Handelsverband Deutschland - eher bescheiden.

Bleibt die Frage, ob sich die WM für das Gastgeberland Katar rechnet: Denn es könnte das teuerste Fußballereignis aller Zeiten werden. Experten schätzen, dass die WM rund 220 Milliarden US-Dollar kosten wird. Zum Vergleich: die Weltmeisterschaft in Russland kostete umgerechnet rund zwölf Milliarden Dollar.

Hat sich Katar verkalkuliert?

Für den reichen Golfstaat spielt Geld aber keine Rolle. Katar hat einen Flughafen, neue Straßen, ein U-Bahn-System, Hotels und acht Fußballstadien aus dem Boden gestampft. Voeth hält das für problematisch: "Wenn sie allein die Anzahl der WM-Stadien sehen und das ins Verhältnis des Landes setzen, muss man natürlich kritisch hinterfragen, ob die Investitionen auch nur in Ansätzen dem Kriterium Nachhaltigkeit genüge tun. Vielmehr hat man die Vermutung, dass hier im Grunde überinvestiert worden ist."

Insgesamt 1,5 Millionen Fans werden in Katar zur WM erwartet. Ob das der gesamten Wirtschaft einen Schub verleihen wird, muss sich erst noch zeigen. Auch ob der Wüstenstaat langfristig etwa von mehr Tourismus profitiert, lässt sich erst in einigen Jahren sagen. Das Image von Katar jedenfalls hat in vielen Ländern dieser Welt schon in der Vorbereitung auf die WM einen deutlichen Schaden bekommen.

Constantin Röse, HR, 17.11.2022 17:15 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. November 2022 um 17:23 Uhr.