Zukunftskommission Landwirtschaft Fleischkonsum halbieren?
Weniger Pestizide auf dem Acker und weniger Fleisch auf dem Teller - dafür wollen sich der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Hubertus Paetow und Naturschutzbund-Chef Jörg-Andreas Krüger gemeinsam einsetzen.
tagesschau.de: Großer Wurf oder fader Kompromiss - wie bewerten Sie die Ergebnisse der Zukunftskommission?
Hubertus Paetow: Das Wichtigste ist, dass endlich der Umbau hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird.
tagesschau.de: Wie möchte die Kommission denn konkret zum Beispiel Artenvielfalt und Bodengesundheit retten?
Jörg-Andreas Krüger: Wir wollen zum Beispiel die Direktzahlungen aus Brüssel, die bisher ja nach Fläche vergeben werden, langfristig umwandeln in Zahlungen für Umweltleistungen etwa für mehr biologische Vielfalt. Außerdem wollen wir das EU-Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um fünfzig Prozent zu reduzieren, engagiert umsetzen. Notfalls sollten auch Abgaben geprüft werden, um Pestizidverbrauch teurer zu machen.
Experten begrüßen Discounter-Vorstoß
tagesschau.de: Aldi hat gerade überraschend angekündigt, bis 2030 nur noch Frischfleisch aus Haltungen mit höheren Tierwohlstandards zu verkaufen - wie viel Einfluss hat da überhaupt noch diese Zukunftskommission?
Paetow: Das liegt doch genau auf unserer Linie. Wenn ich eine tiergerechtere Haltung auf meinem Betrieb ermögliche, werde ich einen höheren Preis fordern müssen. Die Landwirte profitieren also davon, wenn es im Lebensmittelhandel keine Ware mehr mit den geringeren Standards gibt.
tagesschau.de: Aber wer soll den Umbau der Tierhaltung denn am Ende zahlen - die Verbraucherinnen, der Handel, die Steuerzahlerinnen, die Landwirte?
Krüger: Am Ende werden wir höhere Verbraucherpreise haben. Um so etwas wie eine Tierwohlabgabe - also einen Preisaufschlag auf Fleisch- und Wurst - wird man also nicht herumkommen.
tagesschau.de: Greenpeace fordert, die Tierzahlen in deutschen Ställen bis spätestens 2050 zu halbieren. Schließt sich die Kommission hier an?
Krüger: Wir wollen eine Reduktion des Fleischkonsums im Sinne der gesundheitlichen Empfehlungen. Das entspricht ja ungefähr einer Halbierung. Die wollen wir aber nicht durch ordnungspolitische Maßnahmen erreichen.
tagesschau.de: Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher machen doch, was sie wollen?
Krüger: Man kann aber ja über Preise stark steuern. Wir werden für qualitativ gut produzierte und nachhaltigere Lebensmittel einfach mehr zahlen müssen.
Paetow: Die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung könnten hier ja zum Beispiel vorangehen. Sie sollten ihr Angebot schnell auf nachhaltigeres Essen umstellen.
"Herausforderungen sind irrsinnig groß"
tagesschau.de: Die Vorschläge sollen der neu gewählten Bundesregierung im Herbst als Grundlage für ihre Agrarpolitik dienen - viele Ihrer Vorschläge sind nicht neu und wenig konkret. Was sollen sie bringen?
Paetow: Ja, Sie haben Recht, es bleibt etwas unkonkret. Aber es ist dennoch ein politischer Wert, dass diese allgemeinen Leitlinien dreißig Vertreter so unterschiedlicher Gruppen aus Landwirtschaft über Handel bis zum Naturschutz unterschrieben haben.
Krüger: Die Politik hat es ja trotz vieler Vorschläge bisher nicht geschafft, die notwendigen Veränderungen einzuleiten. An diesem Papier soll man jetzt die Politik messen können. Denn die Herausforderungen sind irrsinnig groß und die Zeit für Reformen knapp.
tagesschau.de: Worin sehen Sie die größte Herausforderung?
Paetow: Unsere große Aufgabe ist jetzt und da habe ich noch Bauchschmerzen, dass wir den gesamten Berufsstand mitnehmen und wirklich alle sagen, das nehmen wir jetzt so an und freuen uns als Landwirte auf Agrarumweltmaßnahmen, denn das bringt uns gesellschaftliche Anerkennung.
Das Interview führte Oda Lambrecht, NDR