Ein Afrikanischer Elefant (Loxodonta africana) frisst von einem Dornenstrauch.

Verhaltensbiologie Beim Fressen Rechts- oder Linksrüssler

Stand: 16.09.2024 18:30 Uhr

Elefanten führen ihre Nahrung bevorzugt entweder von der linken oder rechten Seite ins Maul. Forscher vermuten, dass diese Seitenpräferenz mit der ungewöhnlichen Anordnung der Tasthaare am Elefantenmaul zusammenhängt.

Von Magdalena Oppitz, SWR

Elefanten greifen gern zur süßeren Frucht, haben Dialekte und stecken sich gegenseitig mit ihrem Gähnen an. Und noch etwas haben sie mit uns Menschen gemeinsam: Ähnlich wie wir Links- oder Rechtshänder sind, sind sie Links- oder Rechtsrüssler.

Wenn Elefanten zum Beispiel Grasbüschel abreißen, drehen sie ihre Rüsselspitze immer in eine bestimmte Richtung ein - nach links oder rechts. Bisher gibt es dafür noch keine genaue Erklärung.

Ein Grund für die Links- oder Rechtspräferenz des Elefanten könnte nach einer Vermutung eines internationalen Forschungsteams die Nahrungsaufnahme sein. Denn ist das Grasbüschel erst einmal abgerissen, wandert es nicht frontal in den Mund, sondern über eine Seite. "Wir denken, dass sich durch diese Spezialisierung der Nahrungsaufnahme auf der Seite auch diese starken Seitenpräferenzen ergeben. Das ist etwas, was beim Elefanten sehr anders ist als bei den meisten Säugern", sagt Michael Brecht im SWR. Er lehrt Biologie an der Humboldt-Universität Berlin.

Das Maul eines Elefanten sieht "ganz schön verrückt" aus

Etwa 150 Kilogramm pflanzliche Nahrung frisst ein Elefant täglich. Mit dem muskulösen Rüssel können die Tiere feine Bewegungen durchführen und so auch kleinere Objekte aufheben. Bisher hatte das Forschungsteam vor allem den Rüssel im Visier - das sei das, was beim Elefanten im Vordergrund stehe. "Erst hinterher sind wir darauf gekommen, dass der Mund auch ganz schön verrückt aussieht", sagt Brecht.

Evolutionär sind die Oberlippe und Nase beim Elefanten zu einem Rüssel verschmolzen. Neben den Videoaufnahmen von Elefanten aus dem Berliner Zoo untersuchte die Forschungsgruppe mit Hilfe von Fotos die Tasthaare an der Unterlippe der Tiere. Dabei stellte das Forschungsteam fest, dass sie verschieden lange Tasthaare - sogenannte Vibrissen - aufweist.

Besonderheit bei Säugetieren

Diese Tasthaare sind an der Seite der Lippe kürzer und an der Lippenspitze länger - eine Besonderheit unter Säugetieren. Denn im Gegensatz zum Elefanten ist es zum Beispiel bei Katzen und Hunden genau umgekehrt. "Die langen Vibrissen vorne in der Mitte und die kurzen an der Seite habe ich nur bei Elefanten gesehen", sagt Brecht, der seit 30 Jahren Tasthaare untersucht.

Die kurzen Tasthaare an der Seite, so vermutet das Forschungsteam, sind zur Feinerkennung der Nahrung gedacht. Und noch etwas fällt dem Forscherteam auf: Die kurzen Tasthaare sind auf einer Seite stärker abgescheuert als auf der anderen. Die Forscher begründen diese Abnutzung mit der Nahrungsaufnahme über eine Seite.

Was wir und Elefanten gemeinsam haben

Mithilfe von Computertomografiescans sah das Forscherteam noch mal genauer unter die Haut der Tiere. Damit wollten sie untersuchen, ob unterschiedliche Tasthaare an der Unterlippe vorliegen. Das Resultat: Die Haarwurzeln der Tasthaare sind unterschiedlich groß. Die kurzen Tasthaare an den Seiten haben kleinere Haarwurzeln als die langen Tasthaare an der Vorderseite.

Wenn es um die Nahrungsaufnahme geht, haben wir einiges mit den Elefanten gemeinsam. Während beispielsweise Katze oder Hunde direkt in ihre Nahrung beißen, führen Elefanten und Menschen ihre Nahrung indirekt mit der Hand beziehungsweise dem Rüssel zum Mund.

Warum Elefanten im Laufe ihres Lebens eine Lieblingsseite entwickeln, ist jedoch noch unklar. Das Rätsel um die Links- und Rechtsrüssler ist damit also noch nicht abschließend gelöst - doch die Erkenntnisse des Berliner Forschungsteams liefern neue Einblicke in das Leben der Dickhäuter.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Wissen am 13. September 2024 um 16:07 Uhr.