Raumfahrt "Wir fliegen, wenn wir sicher und bereit sind"
Kürzlich hat die US-Raumfahrtbehörde NASA bekannt gegeben, ihre Mondmissionen zu verschieben. Über die Gründe hat tagesschau.de mit Frank de Winne gesprochen. Der Belgier ist Leiter des Europäischen Astronautenzentrums in Köln.
Die Mitteilung der NASA, die Rückkehr zum Mond zu verschieben, kam nicht überraschend. Presseberichte über Probleme bei den Artemis-Missionen hatten sich in den vergangenen Monaten gehäuft.
Ursprünglich wollte die NASA in diesem Jahr mit der Artemis II-Mission den Mond mit vier Astronauten umrunden. Dieser Flug ist nun auf September 2025 verschoben. Die Folgemission Artemis III, also die bemannte Mondlandung, ist nun für September 2026 geplant.
Vergleich mit den Apollo-Missionen
Momentan sieht sich die NASA mehreren technischen Problemen gegenüber, die die Landung auf dem Mond mehr als 50 Jahre nach den Apollo-Missionen verzögern. Zwar profitiere man vom Apollo-Mondprogramm, aber es gebe mehrere Unterschiede zu damals, sagt Frank de Winne, Experte bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA:
"Die Sicherheitsstandards, die wir heute anwenden, sind viel höher als die Sicherheitsstandards, die wir in den 60er-Jahren anwandten. Und wenn man höhere Sicherheitskriterien anlegt, bedeutet das natürlich auch, dass man auf Probleme stoßen kann, wie wir sie jetzt bei Artemis II sehen. Und es dauert, sie zu beheben."
Die NASA ist heute wie damals unter Erfolgsdruck, aber die Voraussetzungen für eine Mondlandung sind verschieden: In den sechziger Jahren standen die USA mit ihrem Apollo-Programm unter dem Druck des Wettrennens mit der Sowjetunion. Der Wettstreit im Weltraum stand auch für den Wettstreit der Überlegenheit politischer Systeme. Heute nimmt sich die NASA die Zeit, um sicher zum Mond zurückzukehren.
"Heute ist es immer noch schwierig, ins All zu fliegen. Wir sehen immer noch, dass der Weltraum eine Umgebung ist, die keine Fehler verzeiht. Und wenn wir mit Menschen fliegen, wollen wir sicherstellen, dass sie absolut sicher sind", so de Winne.
Dass Raumfahrtmissionen auch nach so vielen Jahren Erfahrung keine Routine sind, ist den Amerikanern mit den beiden Space-Shuttle-Katastrophen schmerzhaft vor Augen geführt worden.
Beim Challenger-Unglück 1986 und dem Absturz der Columbia 2003 waren 14 Astronauten ums Leben gekommen.
Geplante Landung am Südpol
Ein weiterer Unterschied zum Apollo-Mondprogramm: Die NASA will bei der Rückkehr zum Mond sprichwörtlich Neuland betreten. Anders als bei den sechs Apollo-Flügen zwischen 1969 und 1972, die in Äquatornähe gelandet sind, plane sie jetzt, eine neue Mondregion zu besuchen, erklärt de Winne:
"Apollo hatte sich das einfachste Ziel zur Landung ausgesucht, aber mit Artemis wollen wir zum Südpol fliegen. Es ist schwieriger, zum Südpol zu fliegen wegen der Orbitalmechanik - der Energie, die man braucht, um auf dem Südpol zu landen; und auch wegen der Schatten und der Geländebeschaffenheit. Es ist also ein schwieriges, aber viel interessanteres Ziel, denn auf dem Südpol des Mondes gibt es Wasser."
Die Rückkehr zum Mond wird außerdem weit mehr als eine Stippvisite sein. In den nächsten Jahren sollen Astronauten mehrere Tage oder sogar Wochen auf dem Mond verbringen. Wasser wäre eine dringend benötigte Ressource, etwa als Trinkwasser oder für Raketentreibstoff aus Wasserstoff. In der ferneren Zukunft könnten dann sogar Raketen vom Mond Richtung Mars starten. Aufgrund der geringeren Schwerkraft des Monds gegenüber der Erde könnten sie mit weniger Treibstoff und mehr Fracht starten.
Verzögerungen bei Artemis II
Die jetzt bekannt gewordenen Schwierigkeiten bei Artemis II haben nichts mit einer künftigen Mondlandung zu tun, da diese Mission noch nicht auf dem Erdtrabanten landen wird. Bei Artemis II soll das Orion-Raumschiff mit einer US-Astronautin, zwei US-Kollegen und einem kanadischen Raumfahrer rund zehn Tage um den Mond herumfliegen.
Für die jetzige Verzögerung sind unter anderem Probleme beim Hitzeschild verantwortlich. Sie tauchten bereits beim Artemis I-Flug auf, als die Orion-Raumkapsel beim Rückflug in die Erdatmosphäre eintrat. Artemis I war 2022 ein unbemannter Testflug um den Mond. Damals war der Hitzeschild an der Unterseite der Kapsel etwas stärker abgeschmolzen als erwartet. In diesem Frühjahr sollen die Untersuchungen abgeschlossen sein, sagt die NASA. Außerdem gibt es Probleme bei einer Schaltkreiskomponente und einer Batterie.
ESA-Mann de Winne führt aus: "Das Batterieproblem hängt damit zusammen, dass wir bei Artemis II zum ersten Mal auch mit dem aktivierten Rettungsturm für die Besatzung fliegen werden. Dieser Rettungsmechanismus wird eingesetzt, wenn beim Start oder in der Anfangsphase des Fluges etwas schiefgeht, um die Besatzung sicher aus der Rakete zu befreien. Es wurde festgestellt, dass einige dieser Batterien unter den extremen Bedingungen möglicherweise ihre Funktionsfähigkeit verlieren könnten."
De Winne betont, dass die Probleme nichts mit dem europäischen Beitrag zum Artemis-Programm zu tun haben. Das Antriebsmodul des Orion-Raumschiffs kommt aus Europa und wird in Bremen bei Airbus federführend gebaut. Es versorgt die Astronauten mit Strom, Luft und Wasser und ist die Herzkammer des Raumschiffs. De Winne erklärt: "Das europäische Servicemodul hatte einen sehr erfolgreichen Testflug mit Artemis I. Auch hier gab es einige Probleme, die wir aber rechtzeitig für Artemis II in den Griff bekommen haben."
Mondlandung mit Artemis III
Die eigentliche Mondlandung mit Artemis III soll nach jetzigem Stand im September 2026 erfolgen. Aber auch bei dieser Mission scheint es Probleme zu geben, die der ehemalige deutsche Astronaut und Weltraumexperte Ulrich Walter als "Showstopper" bezeichnet. Dabei geht es zum einen um die Zusammenarbeit mit Space X. Ulrich Walter erklärt:
"Das Orion-Raumschiff kann nicht auf dem Mond landen, sondern biegt nur in die Mondumlaufbahn ein. Es gibt bereits seit Längerem einen Vertrag mit Elon Musk, dass er die Landung auf dem Mond machen soll mit dem sogenannten HLS (Human Landing System), also einer umgebauten Starship-Rakete. Da Starship bislang immer noch nicht in den Weltraum geflogen ist, verzögert sich auch die Landung auf dem Mond." Außerdem gebe es Probleme bei der Entwicklung der neuen Raumanzüge, mit denen sich die Astronauten auf der Mondoberfläche frei bewegen sollen.
Die Verschiebung der Artemis-Missionen kommt daher auch für Ulrich Walter nicht überraschend. Im Gegenteil: Man kehre eher zu dem ursprünglichen Zeitplan der NASA zurück. Erst der ehemalige US-Präsident Trump habe während seiner Amtszeit Dampf gemacht und eine Rückkehr zum Mond für 2024 angekündigt:
"Das war ja der Zeitdruck von Trump, der damals noch glaubte, er würde eine zweite Wahlperiode bekommen. Er wollte als der Präsident in die Geschichtsbücher Amerikas eingehen, der die Amerikaner wieder zurück auf den Mond gebracht hat." Frank de Winne sagt: "Wir fliegen dann, wenn wir sicher und bereit sind."