Archäologen bei einer Ausgrabung

Fossile Fußspuren in Kenia Sind sich verschiedene Frühmenschen begegnet?

Stand: 02.12.2024 14:56 Uhr

Neu entdeckte Fußabdrücke konnten nun erstmals beweisen: Vor etwa 1,5 Millionen Jahren hielten sich zwei verschiedene Frühmenschenarten innerhalb kurzer Zeit am selben Ort auf. Sind sie sich begegnet?

Von Nina Kunze, SWR

Vor Millionen von Jahren lebten mehrere Arten von Frühmenschen parallel auf dem afrikanischen Kontinent. Ob sie sich dabei wirklich begegnet sind, konnte man bislang allerdings nur anhand von schwer zu datierenden Knochenfunden vermuten.

Nun zeigen neu entdeckte Fußabdrücke erstmals, dass sich mindestens zwei verschiedene Frühmenschenarten innerhalb von kurzer Zeit am gleichen Ort aufgehalten haben. Das ist das Ergebnis der Studie eines internationalen Forschungsteams aus den USA, Kenia und Großbritannien, die im Fachblatt Science erschienen ist.

Eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit

Rund um den Turkana-See im Norden von Kenia befinden sich mehrere geologische Fundstätten. Schon häufig wurden hier Knochen gefunden, die sich verschiedenen Frühmenschenarten zuordnen lassen. Wie weit diese zeitlich voneinander entfernt lebten, war lange unklar. Licht ins Dunkel bringt nun ein besonderer Fund aus der Koobi Fora Formation: Versteinerte Fußspuren, die Menschen und Tiere im flachen Wasser eines Seeufers hinterlassen haben.

Das Besondere an diesen Abdrücken: Innerhalb von kurzer Zeit lagerten sich Sedimente darüber ab und konservierten sie so für die Ewigkeit. Für Paläoanthropologen wie die Kanadierin Tracy Kivell, Direktorin des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, ist das ein äußerst wertvoller Fund.

Fossiler Fußabdruck vermutlich eines Homo erectus

Dieses Bild zeigt einen fossilen Fußabdruck, der vermutlich von einem Homo erectus stammt.

Es handelt sich um den ersten konkreten Hinweis darauf, dass sich vor 1,5 Millionen Jahren mindestens zwei Frühmenschenarten zeitgleich dort aufgehalten haben. Auf diese Weise sei ein kurzer Moment von wenigen Stunden bis Tagen eingefangen worden, so Kivell. "Wir können uns sicher sein, dass diese beiden Frühmenschen und all die anderen Tiere an genau dieser Stelle unterwegs waren. Das finde ich wirklich spannend, denn es bedeutet, dass sie möglicherweise aufeinandergestoßen sind."

Aufwendiger Vergleich mit anderen Fußspuren

Als die Fußabdrücke erstmals freigelegt wurden, war noch nicht klar, dass es sich dabei um die Spuren unterschiedlicher Frühmenschen handelt. Mit modernster 3D-Technik verglich das internationale Forschungsteam die Abdrücke nicht nur mit anderen versteinerten Fußspuren, sondern auch mit der Anatomie heutiger Menschen und der von Schimpansen.

Fossiler Fußabdruck vermutlich eines Indiviums der Paranthropus boisei

Hier ist ein fossiler Fußabdruck von vermutlich einem Indivium der Paranthropus boisei zu sehen.

Anhand dieser Daten konnte das Forschungsteam nachweisen, dass die Fußspuren von zwei unterschiedlichen Arten von Frühmenschen stammen müssen - Homo erectus und Paranthropus boisei.

Weitere Fußspuren aus der Gegend ließen die Forschenden darauf schließen, dass die beiden Frühmenschenarten mindestens 200.000 Jahre nebeneinanderher gelebt und dabei nur wenig bis gar nicht miteinander konkurriert haben. Fachleute gehen davon aus, dass sie sich auf unterschiedliche Lebensräume und Nahrungsquellen spezialisiert haben.

Erst klimatische Veränderungen führten vermutlich dazu, dass Paranthropus boisei ausstarb und Homo erectus, der als ein direkter Vorfahre des modernen Menschen gilt, weiterlebte.

Neue Einblicke in das Leben der Frühmenschen

Darüber hinaus gibt der Fund neue Einblicke in die Lebensumstände, Anatomie und Evolution der Frühmenschen vor 1,5 Millionen Jahren. Paläoanthropologin Kivell sieht darin einen besonderen Mehrwert der Studie: "Ich halte sie für einen Meilenstein in dem Sinne, dass wir jetzt wissen, welche Informationen uns diese Fußabdrücke geben können und dass wir jetzt gezielt danach suchen können."

Bislang weiß man vor allem, wie die Schädel und Zähne der Frühmenschen aussahen, vom Hals abwärts gibt es kaum Funde. Die neu entdeckten Fußabdrücke ergänzen dieses Wissen und liefern wertvolle Erkenntnisse darüber, wie sich die Gangart der beiden Frühmenschen unterscheidet, dass sie sich beide regelmäßig an Seeufern aufhielten und welchen Tieren sie dabei begegnet sein könnten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die SWR Wissenschaftssendung Impuls am 29.11.24 ab 16:05 Uhr