Saarland "Supernase" gegen Lebensmittelverschwendung
Statt auf dem Tisch landen noch immer viele Tonnen Lebensmittel im Müll. Wissenschaftler von der Universität des Saarlandes haben jetzt eine technische "Supernase" entwickelt, die das verhindern soll.
Auf dem Tisch liegen rund 20 Orangen, teilweise mit weißem Schimmel überzogen. Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes nimmt ein Exemplar und legt es in eine transparente Box. Was auf den ersten Blick unspektakulär aussieht, könnte ein Meilenstein in Sachen Lebensmittelverschwendung werden: Denn was wäre, wenn eine Supernase schon frühzeitig erkennt, dass etwas schlecht wird?
Genau das ist das Ziel der Saarbrücker Forscher vom Lehrstuhl der Messtechnik. Sie bringen der hochempfindlichen künstlichen Supernase bei, wie Schimmel riecht.
Die Luft aus der Box wird über Schläuche zum Spezialsensor gepumpt. Der Spezialsensor schlägt dann Alarm, wenn sich Schimmel bildet. Dabei genügen kleinste Mengen - so könnte der Sensor sogar ein Schnapsglas in einem Schwimmbad nachweisen.
Orangenkiste in einem Prototyp: Hier saugt ein kleines Rohr die Luft an - ein Sensor soll dann in Zukunft mit einer grünen oder roten Ampel anzeigen, ob alles in Ordnung ist oder nicht.
Millionen Tonnen landen im Müll
Was sich anhört wie Science Fiction ist es längst nicht mehr. Die Saarbrücker Firma 3S ist dabei, den Sensor zur Marktreife zu entwickeln. Schließlich landen laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) pro Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland nicht auf dem Tisch, sondern in der Tonne.
Die Mitarbeiter schieben auch schon eine ganze Kiste mit Orangen in einen Prototyp. In der Box saugt ein kleines Rohr die Luft an. Ein Sensor soll dann in Zukunft mit einer grünen oder roten Ampel anzeigen, ob alles in Ordnung ist oder nicht.
Ganz weit unten in der Kiste wurde ein fauliges Exemplar versteckt - mit dem bloßen Auge nicht erkennbar. Nach wenigen Sekunden schlagen der Sensor und die Software Alarm.
Das Labor an der Uni in Saarbrücken: Hier wird die "Supernase" getestet.
Auch angedrückte Früchte werden erkannt
Doch der Prototyp kann noch mehr. In der zweiten Runde kommt eine Orange in die Kiste, die nur leicht angedrückt ist - und die ein Händler noch gut verkaufen oder weiterverarbeiten könnte. Doch nach wenigen Sekunden zeigt die Maschine: Achtung, hier ist eine Orange, die nicht mehr ganz in Ordnung ist. So könnte ein Supermarkt beispielsweise mit einem Sonderangebot die Orangen anbieten, bevor sie schlecht werden.
Caroline Schultealbert von der Firma 3S ist zufrieden mit dem Ergebnis. Sie plant, für die Lebensmittelindustrie und für den Handel ein massentaugliches Prüfgerät auf den Markt zu bringen. Egal ob bei der Ernte, bei der Lagerung oder wenn die Lebensmittel verarbeitet oder verkauft werden - überall könnte man ohne großen Aufwand prüfen, ob alles noch frisch und in Ordnung ist. Ein großer Konzern, der Kühlschränke herstellt und eine Supermarktkette sind bereits Partner bei der Entwicklung.
Verschimmelte Orangen: So weit soll es nach dem Willen der Forschenden künftig gar nicht mehr kommen.
Auch Geräte für den Privathaushalt geplant
Doch die Forschenden haben nicht nur die Lebensmittelverschwendung in der Produktion oder im Handel in Blick. Sie wollen in Zukunft auch kleine Geräte für den Privathaushalt entwickeln - und das aus gutem Grund. Laut BMEL wirft jeder Haushalt im Schnitt 78 Kilogramm an Lebensmitteln pro Jahr in den Müll - das sind knapp 60 Prozent der gesamten erfassten Lebensmittelverschwendung.
Christian Bur, Forschungsleiter am Lehrstuhl für Messtechnik in Saarbrücken, hat kalkuliert, dass so ein Sensor für den Massenmarkt zehn bis 15 Euro kosten könnte.
Ziel: Sensoren im Handy
Im Augenblick ist das Forscherteam dabei, kleinere Lebensmittelboxen für den Kühlschrank zu entwickeln. Wenn das funktioniert, könnte der Sensor schon frühzeitig Alarm schlagen: Achtung, die Nudeln, der Salat oder die Wurst können in den nächsten Tagen schlecht werden. Und das einige Zeit, bevor das menschliche Auge oder die Nase bemerkt: Das wird bald oder ist schon ungenießbar.
Bei einer Massenproduktion könnte sich Forschungsleiter Bur auch vorstellen, dass so ein Sensor einfach ins Handy eingebaut wird. So wäre es möglich, dass jeder sein Smartphone einfach in den Kühlschrank hält oder im Supermarkt prüft, ob der Salatkopf noch frisch ist. So hätte es jeder sprichwörtlich in der Hand, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.