Chemie-Nobelpreis Nanokristalle - das Material der Zukunft
Winzige Nanopartikel können in Fernsehern, Solarzellen oder auch in der Medizin zum Einsatz kommen. Für die Erforschung dieser sogenannten Quantenpunkte geht der Nobelpreis für Chemie an drei Forscher.
Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Ekimov bekommen für die Entdeckung und Entwicklung sogenannter Quantenpunkte in diesem Jahr den Nobelpreis für Chemie. Die in den USA tätigen Forscher haben in den 1980er- und 1990er-Jahren wichtige Grundlagen für die Nanotechnologie geschaffen, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mitteilte.
Heutzutage werden Quantenpunkte unter anderem in modernen Bildschirmen, LED-Lampen und auch in der Tumor-Chirurgie verwendet. Die kristallinen Teilchen sind winzig klein und haben einzigartige physikalische Eigenschaften.
Was sind Quantenpunkte?
Quantenpunkte sind Kristalle, die so klein sind, dass sie nur wenige Nanometer umfassen. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines menschlichen Haares beträgt zwischen 20.000 und 80.000 Nanometern. Ihre geringe Größe macht Quantenpunkte so speziell: Die Eigenschaften eines Materials werden durch Elektronen bestimmt, die sich darin bewegen und mit Licht interagieren. Quantenpunkte sind so klein, dass Elektronen in ihnen nur wenig Platz haben.
Das Material zeigt dadurch ganz neue Eigenschaften, die extrem von der Größe der Partikel abhängen. Dass es einen solchen Effekt geben müsste, vermuteten Wissenschaftler bereits in den 1930er-Jahren. Ihnen gelang es damals jedoch nicht, so kleine Partikel herzustellen. Das änderte sich, als der Preisträger Alexei Ekimov Versuche mit farbigem Glas durchführte.
Neue Möglichkeiten farbigen Lichts
"Quantenpunkte haben viele spannende und besondere Eigenschaften, vor allem können sie allein abhängig von ihrer Größe völlig unterschiedliche Farben annehmen", sagt Johan Aqvist, Vorsitzender des Nobelkomitees für Chemie.
Den Beweis für diese spezielle Farbeigenschaft fand Alexei Ekimov Anfang der 1980er-Jahre, als er mit farbigen Glasscheiben experimentierte. Ekimov benutzte Kupferchlorid, um das Glas einzufärben. Je nachdem, wie stark und wie lange er das Glas erhitzte, zeigte es nach dem Abkühlen eine andere Farbe. Weitere Untersuchungen zeigten: Das Kupferchlorid hatte Kristalle gebildet, die nur wenige Nanometer groß waren. Je nach deren Größe färbte sich das Glas unterschiedlich. Große Partikel waren rot, besonders kleine blau - der Beweis für die speziellen Eigenschaften von Quantenpunkten.
Etwa gleichzeitig arbeitete auch Louis Brus an winzigen Partikeln. Er brachte sie jedoch in eine Flüssigkeit ein und stieß dabei ebenfalls auf den irritierenden Zusammenhang von Partikelgröße und Farbe.
Das Problem mit Brus und Ekimovs Partikeln war jedoch, dass sie die exakte Größe der Teilchen kaum beeinflussen konnten. Eine Lösung dafür fand der Preisträger Moungi Bawendi. 1993 entwickelte er ein neues Verfahren, mit dem er genau kontrollieren konnte, welche Größe und sogar welche Oberflächenstruktur seine Nanopartikel hatten. Die Eigenschaften der winzigen Partikel konnten dadurch besser erforscht werden. Es folgte der Einsatz in verschiedenen Anwendungsbereichen wie der Elektrotechnik und der Medizin.
Schnellere und effizientere Computertechnologie
Angeregt durch elektrischen Strom können Quantenpunkte leuchten - ähnlich wie herkömmliche LEDs. Um bei LEDs verschiedene Farben zu erhalten, muss allerdings das Material verändert werden. Bei Quantenpunkt-LEDs lässt sich die Farbe allein über die Größe der Partikel regulieren. Sie sind außerdem energieeffizienter und langlebiger. Quantenpunkte werden aber auch in Wellenlängenbereichen eingesetzt, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind.
Quantenpunktlaser beschleunigen zum Beispiel die Datenübertragung in Glasfasernetzen. In der Elektrotechnik könnten Quantenpunkte für die Herstellung langlebigerer Datenspeicher eingesetzt werden. Außerdem bieten Quantenpunkte das Potential, Solarzellen besser und günstiger herzustellen.
Tumorerkennung mit Quantenpunkten
Quantenpunkte sind nicht nur sehr präzise Lichtquellen, sondern lassen sich auch für die Herstellung extrem empfindlicher Lichtsensoren einsetzen - zum Beispiel in der Medizin. Solche Lichtsensoren erkennen kurzwellige Infrarotstrahlung, die sonst nur sehr schwer zu detektieren ist. Diese Art von Strahlung kann sehr gut in menschliches Gewebe eindringen und bietet sich daher für bildgebende Verfahren an. Diese Verfahren können zur Krebserkennung genutzt werden. Ein großer Vorteil: Anders als Röntgenstrahlung richtet die Infrarotstrahlung im Körper keinen Schaden an.
Vorab Medienberichte über Preisträger
In Fachkreisen war vor der Verleihung darauf getippt worden, dass Forschungen in der synthetischen Biologie oder der DNA-Sequenzierungen ausgezeichnet werden könnten - die drei Preisträger galten nicht als Favoriten. Ihre Namen sickerten jedoch Stunden vor der offiziellen Verkündung bereits durch. Die Sprecherin der Schwedischen Akademie der Wissenschaften versicherte daraufhin allerdings, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei.
"Ich finde, der Nobelpreis war überfällig, weil wir schon seit vielen Jahren daran forschen", stimmt Alf Mews, Chemieprofessor an der Universität Hamburg, im Interview mit tagesschau24 der Wahl der Jury zu. "Und ich denke, es hat auch die Richtigen getroffen, vor allen Dingen, wenn es um die elektronischen Eigenschaften und damit die Farbe der Quantenpunkte geht", so Mews.
Im vergangenen Jahr wurden die US-Forschenden Carolyn Bertozzi und K. Barry Sharpless und der Däne Morten Meldal für die Entwicklung der Click-Chemie und der bioorthogonalen Chemie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Der Nobelpreis ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) dotiert, die Vergabe findet am 10. Dezember in Stockholm statt.
Die Nobelpreis-Saison startete am Montag mit der Bekanntgabe der Preisträger für Medizin. Gestern folgten die Preisträger im Bereich Physik, darunter auch der in München forschende ungarisch-österreichische Physiker Ferenc Krausz. Morgen folgt der Nobelpreis für Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.