Ein Suchhund im Einsatz
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Mantrailer Wann der Einsatz von Suchhunden sinnvoll ist

Stand: 07.05.2024 04:37 Uhr

Eine Person wird vermisst, vom Täter fehlt jede Spur. Immer öfter kommen dann Personensuchhunde zum Einsatz, sogenannte Mantrailer. Experten warnen vor unrealistischen Erwartungen.

Von Alina Leimbach und Nasir Mahmood, hr

Im Februar 2021 wird der 41-jährige Abdulaziz D. in Fulda in seinem Auto erschossen. Bald schon verdächtigen die Ermittler den ehemals besten Freund des Opfers, er wird festgenommen. Bei der Rekonstruktion der Tat kommt auch ein sogenannter Mantrailer-Spürhund der Polizei zum Einsatz. Der Hund bestätigt die ersten Erkenntnisse der Ermittler und gibt ihnen sogar eine Idee, wo die Tatwaffe sein könnte.

Wegen Erfahrungsberichten wie diesen setzt die Polizei seit einigen Jahren in verschiedenen deutschen Bundesländern verstärkt auf Personenspürhunde. Anders als Flächensuchhunde, die ganz allgemein darauf trainiert sind, die Fährte von lebenden Personen zu wittern, sollen Mantrailer gezielt nach einzelnen Vermissten suchen, indem sie etwa getragene Socken der gesuchten Person bekommen.

Was riecht der Hund da eigentlich genau?

Gerade Familien von Vermissten setzen immer wieder große Hoffnungen in die Hunde. In extremen Fällen bezahlen sie auch Monate nach dem Verschwinden private Organisationen aus eigener Tasche - in der Hoffnung, doch noch eine neue Spur zu finden.

Doch wie genau diese Suchhunde arbeiten und wie lange sie tatsächlich eine Fährte riechen können, ist gar nicht so klar, wie es medial oft scheint. "Wenn ein Hund die Nase auf die Erde setzt, wissen wir nicht, was er da tatsächlich wahrnimmt. Ist es vielleicht Kaffeegeruch? Blausäure? Oder nimmt der Hund tatsächlich auch etwas über die Luft wahr", sagt Hundekognitionsexpertin Juliane Bräuer, die die Forschungsgruppe Hundestudien am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena leitet.

Dünne Studienlage

Bisher gebe es dazu auch international kaum Studien, sagt Bräuer, die als eine der führenden Wissenschaftlerinnen in Deutschland auf ihrem Gebiet gilt. Unklar sei auch, ob Hunde genau verstehen, was wir von ihnen wollen, wenn wir sie auf eine Spur ansetzen. "Ich will gar nicht ausschließen, dass Hunde die Fährte eines Menschen gezielt wittern und verfolgen können - nur wissenschaftlich belegt ist das bisher kaum."

Sehr gut erforscht dagegen sei ein anderer Faktor - der aber bei der Erfolgsquote der Hunde durchaus einen Einfluss haben kann: "Hunde haben herausragend gelernt, Menschen zu lesen und auf sie einzugehen", sagt Bräuer.

Einflussfaktor Mensch

Beim Einsatz von Mantrailing etwa wüssten die Hundeführer der Polizei meist den aktuellen Ermittlungsstand - und der Hund könnte unter Umständen am Verhalten seines Führers erkennen, wohin dieser glaubt, dass ein Täter geflüchtet sein könnte, auch wenn die Führer gezielt so geschult werden, das nicht zu tun. Das kann zu Treffern führen, aber inwiefern das die Eigenleistung des Hundes oder die Intuition des Hundeführers ist - oder beides -, sei nur schwer zu beurteilen, sagt Bräuer.

Als Beispiel nennt sie Studien, die zeigen, wie schnell sich Hunde trotz ihrer ausgezeichneten Nase auf eine falsche Fährte führen lassen. "In einer Studie ging es etwa um versteckten Sprengstoff, den die ausgebildeten Hunde finden sollten. In dem Versuch war eine gut sichtbare Markierung auf einem Schrank angebracht - die natürlich aber nur von dem Menschen, nicht vom Hund zu verstehen war", so die Hundeforscherin. Die Hunde schlugen zu einem Großteil dort an. "Nur dort war nie der gesuchte Sprengstoff drin gewesen, das war eine falsche Spur. Das interpretieren wir als Einfluss des Hundeführers", sagt Bräuer.

Geruch oft nur über Stunden nachweisbar

Dazu kommt eine weitere Einschränkung: Wie lange ist überhaupt eine Fährte eines Menschen erschnupperbar? Der renommierte Umweltchemiker Kai-Uwe Goss vom Helmholz-Zentrum für Umweltforschung kennt sich damit hervorragend aus. Vor Gericht ist er oft als Sachverständiger zum Thema Grenzen von Mantrailing aus biochemischer Sicht eingeladen worden.

Goss sagt: "Bei ganz frischen Spuren, die wenige Stunden alt sind, da kann Mantrailing durch Hunde funktionieren." Doch je nach Witterungsverhältnissen sei es bereits nach einem Tag schwierig, eine Spur zu finden. "Nach Tagen oder gar Monaten noch versuchen zu wollen, eine Spur zu finden, halte ich aus wissenschaftlicher Sicht für äußerst fragwürdig", sagt Goss. "Wenn das doch klappt, sind das Zufallsfunde oder der Einfluss des Hundeführers."

Zellen trocknen rasant aus

Das Problem: "Wir gehen davon aus, dass Hunde den Geruch von uns über das Mikrobiom von winzigen Hautschüppchen wahrnehmen können. Die verlieren wir, ohne es zu merken und hinterlassen damit eine sensorische Spur für den Hund." Nur sei dieser Geruch flüchtig, die Hautschüppchen trocknen rasend schnell aus - und mit dem Austrocknen werden die Pilze und Bakterien, die auf den Schüppchen unseren individuellen Geruchscocktail produzieren, inaktiv. Den Hunden fehle es dann schlichtweg an Material für eine echte Fährte, so Goss.

Dazu seien gewisse Duftkomponenten des Mikrobioms flüchtiger als andere - und da bisher unklar sei, welche Komponenten Hunde ohnehin erriechen können, um Menschen zu identifizieren, sei auch das potenziell ein Problem.

Polizei Sachsen betont Bedeutung der Hunde

In Sachsen wird bei der Polizeiarbeit schon länger auf Mantrailer gesetzt. Und dort scheint man damit sehr zufrieden zu sein: "Der Einsatz der Mantrailer oder der Fährtenhunde ist von erheblicher Bedeutung, um Personen zu finden", erklärt das zuständige sächsische Innenministerium auf tagesschau.de-Anfrage: Erst die flächenmäßige Eingrenzung durch einen Mantrailer oder Fährtensuchhund mache es den ehrenamtlichen Flächensuchhunden möglich, zielgerichtet zu arbeiten und Personen schnell zu finden.

Das Innenministerium teilt mit, dass noch bis 24 Stunden Liegedauer einer Spur die Verfolgung durch die Diensthunde der sächsischen Polizei "absolut gesichert" möglich sei - selbst bei ungünstigen Witterungsbedingungen. Es habe aber auch schon Funde nach deutlich längeren Zeiträumen gegeben, betont das sächsische Innenministerium.

"Je früher der Mantrailer zum Einsatz kommt, umso besser."

Der Bundesverband Rettungshunde zeigt sich auf Anfrage zurückhaltender mit genauen Zeiträumen. Hier heißt es: "Je früher der Mantrailer zum Einsatz kommt, umso besser." Man habe man die Erfahrung gemacht, dass unter optimalen Bedingungen wie trockenem und windstillem Wetter auch nach mehreren Tagen noch Personen gefunden werden können. Wenig Erfolg versprechend sei dagegen eine Suche nach mehreren Wochen oder wenn gänzlich unklar ist, wo die Person verschwunden sei, betont der Verband.

Die Erfolgsquote beim Mantrailing liege bei 26 Prozent bis 34 Prozent der durchgeführten Einsätze im vergangenen Jahr, erklärt der Bundesverband Rettungshunde auf Anfrage. Die etwas höhere Erfolgsquote geht auf Rettungshundestaffeln mit besonders vielen Einsätzen zurück. Doch nicht immer wurde die Person direkt gefunden; teils konnte im Anschluss an eine Fährte mit Flächensuchhunden weitergearbeitet werden - und die gesuchte Person gefunden werden.

Für Hundeforscherin Bräuer ist klar: "Es gibt sehr viel zu erforschen. Bisher haben wir dafür nur wenig Geld bekommen. Aber wir stünden dafür in den Startlöchern."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das HR Fernsehen am 08. März 2023 um 09:55 Uhr.