Übertragbarkeit von H5N1 Warum eine Vogelgrippe-Pandemie unwahrscheinlich ist
Seit April grassiert beim Milchkühen in den USA das Vogelgrippe-Virus H5N1, manche Forschende fürchten die nächste humane Pandemie. Eine aktuelle Studie gibt vorsichtige Entwarnung.
Die gute Nachricht gleich vorneweg: Die Wahrscheinlichkeit, dass das zur Zeit in den USA kursierende H5N1-Virus auch für den Menschen gefährlich wird, ist momentan ausgesprochen gering. Und das liegt vor allem daran, dass sich dieses aviäre Influenza-Virus, so wird es wissenschaftlich genannt, nicht über die Atemluft überträgt.
Denn: H5N1 konnten die Forschenden fast ausschließlich im Euter von Kühen nachweisen, erklärt Martin Beer, einer der Autoren einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin Nature erschienen ist. Der Virologe leitet das Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems. Er sagt: "Das Euter ist experimentell nachgewiesen ein zentraler Ort, der die Replikation, die Vermehrung, ermöglicht."
Übertragung durch das Kuh-Euter
Ganz offensichtlich gelingt es H5N1 bei den Kühen, ausschließlich an den Zellen des Euters anzudocken. Weder in der Nase noch in den oberen Atemwegen sind die entsprechenden Rezeptoren dafür vorhanden. Das liegt daran, dass die Vogelgrippeviren nur an speziellen Rezeptoren andocken können, um Zellen zu infizieren.
Diese Rezeptoren sitzen bei der Kuh im Euter, so Virologe Beer. "Der aviäre Rezeptor, also der Vogel-Rezeptor, der ist im Euter in großer Menge vorhanden. Also man kann im Grunde sagen, das Euter sieht für das Virus aus wie ein Huhn und kann sich deswegen in sehr hoher Menge vermehren."
Und das bedeute, dass sich die Infektionen nicht per Atemluft von Kuh zu Kuh übertragen, sondern von Euter zu Euter, sagt der Virusdiagnostiker vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit: "Der Hinweis ist schon, dass der Melkvorgang wahrscheinlich die zentrale Rolle spielt. Wir schließen andere Wege nicht völlig aus, aber unsere Ergebnisse belegen noch einmal: Effizient scheint es von Euter zu Euter zu gehen."
Das heißt, das Virus wird und wurde vor allem durch das Melkgeschirr weitergeben. "Und da so viel Virus in der Milch ist, reichen dann schon kleine Kontaminationen", ergänzt Virologe Beer.
Das Kuh-Euter und die Melkmaschinen sind also der Dreh- und Angelpunkt, um die H5N1-Infektionswelle bei den Milchkühen in den USA zu erklären. Hinzu kommt der landesweite Transport von Kühen von Staat zu Staat, von Farm zu Farm.
Kann ein solcher Ausbruch auch in Deutschland stattfinden?
Die Forschenden halten einen vergleichbaren Ausbruch hierzulande für ziemlich unwahrscheinlich. Denn im Gegensatz zu den USA werden in Deutschland alle Rinderherden staatlich registriert und überwacht. Virusdiagnostiker Beer nennt sie sogar "gläserne Kühe". Das gibt es in den USA nicht. Dort ist es schwierig, den Ausbruch einzudämmen, weil nicht genug Informationen über die einzelnen Kühe, über die Herden, die landesweiten Transporte und Ähnliches vorliegen.
Eindämmen ließe sich dieser oder ein ähnlicher Ausbruch aber sehr gut, ist sich Beer aufgrund seiner Forschungsergebnisse sicher. Weil sich das Virus noch nicht gut an die Rinder angepasst hat und nur im Euter andocken und sich vermehren kann.
Hinzu kommt, so der gegenwärtige Stand der Forschung, dass das Ganze offenbar eine Verkettung unglücklicher und seltener Umstände ist, erklärt Martin Schwemmle, Virologe am Universitätsklinikum Freiburg, der an der Studie nicht beteiligt war.
Denn "da gibt es molekulare Analysen, die gezeigt haben, dass es höchstwahrscheinlich nur eine einzige Übertragung aus der Vogelwelt auf eine Milchkuh gab. Das heißt, das ist ein sehr seltenes Ereignis, das jetzt einfach mal in den USA stattgefunden hat, und dieses Ereignis macht jetzt die Runde von Farm zu Farm".
Krankheitslast bei Kühen und Menschen in den USA
Nach gegenwärtigem Wissensstand geben infizierte Milchkühe deutlich weniger Milch, die Konsistenz der Milch verändert sich, und sie können Fieber haben.
Bis heute haben sich in den USA einige wenige Menschen mit der dort zirkulierenden Variante von H5N1 angesteckt. Aber nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde haben sie keine weiteren Krankheitssymptome als gerötete Augen - medizinisch gesprochen eine Konjunktivitis.
Gefahr für die Menschen?
Für die Menschen ist die Entwicklung bisher dennoch wenig gefährlich. Denn die vorhandenen Viren in der Milch werden durch die Pasteurisierung zerstört. Auf Rohmilch sollte verzichtet werden, dann bestehe keine Gefahr sich mit dem Virus in der Milch anzustecken, so Experten.
Und: Von Mensch zu Mensch verbreitet sich H5N1 bisher auch nicht, eben weil sich das Virus bisher nicht über die Atemluft überträgt. Deshalb kommt Virologe Schwemmle auch zu der Einschätzung, dass die Studie sehr wichtig ist, "um das Insgesamt-Risiko abschätzen zu können. Man hat jetzt gelernt, dass die Übertragung nicht so einfach ist, und das sind sehr gute Nachrichten".
Trotzdem halten die Forschenden es für unverzichtbar, dass der Ausbruch in den USA schnellstmöglich eingedämmt wird. Das sei technisch zwar gut möglich, aber in den USA schwierig umzusetzen. Denn im Gegensatz zu Deutschland gibt es in den USA keine vergleichbare, staatliche Kontrolle. Und das sei ein Problem, denn mit jeder weiteren Anpassung an eine neue Säugetierart steige das Risiko, dass sich H5N1 weiterentwickele. Und damit nehme auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass dieses Virus die nächste humane Pandemie auslösen könnte.