Müllproblem Mikroplastik Zigarettenkippen schaden Umwelt mehr als gedacht
Zigarettenstummel sind laut WHO das häufigste Abfallprodukt. Zwei Drittel der weltweit gerauchten Zigaretten landen in der Natur, wo sie massive Schäden für die Tier- und Pflanzenwelt anrichten.
Jedes Jahr werden weltweit rund 5,6 Billionen Zigaretten geraucht. Achtlos weggeschnippt, werden die Kippenstummel zu einem Müll- und Umweltproblem, ordnet Janine Korduan ein. Sie ist Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
"Auch wenn Zigarettenstummel vielleicht wie Watte oder etwas Natürliches aussehen: Tatsächlich ist das Plastik, Mikroplastik. Das bekommen wir nie wieder aus der Umwelt heraus." Zusätzlich seien die kleinen Plastikteilchen ein Magnet für Schadstoffe.
Besonders beim Rauchen verbleibe ein ganzer Cocktail an Giftstoffen im Filter. Darunter das Nervengift Nicotin, Arsen, Blausäure und auch Schwermetalle wie Blei oder Kupfer.
Gefahr für Trinkwasser und Lebewesen
"Sobald es regnet, gelangen die Schadstoffe durch das Regenwasser bis ins Grundwasser und können so das Trinkwasser schädigen", ordnet die Expertin ein. So ist etwa Nicotin besonders gut wasserlöslich. 30 Minuten Regen genügen, um bereits die Hälfte des Nervengifts aus einem Zigarettenfilter auszuwaschen.
Die Schadstoffe sind dabei nicht nur für den Menschen krebserregend, sondern vergiften auch Fische und Vögel, mahnt Korduan. "Es gibt erschreckende Beispiele: Ein Zigarettenstummel in einem Liter Wasser kann innerhalb von vier Tagen die Hälfte aller darin enthaltenen Fische töten."
Umweltauswirkungen schlimmer als bisher angenommen
Und trotzdem werden die Auswirkungen von Zigarettenabfällen auf die Unterwasser-, Tier und Pflanzenwelt noch immer unterschätzt. Eine neue Studie von Forscherinnen und Forschern des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei zeigt: Giftige Blaualgen profitieren von Zigarettenabfällen im Wasser.
In Gewässern wie Seen, Teichen oder Bächen werden Blaualgen, unter anderem von einem Parasiten in Schach gehalten, dem Chytridpilz, sagt Erika Martinez Ruiz, eine der Hauptautorinnen der Studie: "Die aus Zigarettenstummeln freigesetzten Schadstoffe hemmen eine Infektion mit dem Chytridpilz. Diese Pilzinfektionen tragen normalerweise dazu bei, das Wachstum von Blaualgen zu kontrollieren. Wenn Sie gehemmt werden, können die Blaualgen ungehindert wachsen."
Bei einer normalen Konzentration sind die Algen keine Gefahr für Mensch oder Tier. Doch bei einer intensiven Vermehrung schädigt das von ihnen produzierte Gift andere Organismen: Beim Menschen führen Blaualgen beispielsweise zu Hautreizungen, Übelkeit, Erbrechen oder Atemwegserkrankungen.
Dazu Martinez Ruiz: "Da Zigarettenstummel viele verschiedene Schadstoffe enthalten, können wir nicht nur einen einzelnen als Ursache nennen. Wir denken, dass die negativen Auswirkungen auf die Chytridpilze durch das gesamte chemische Gemisch und die möglichen Wechselwirkungen zwischen den Bestandteilen entstehen."
Vermeidbare Konsequenzen
Ob es noch mehr solcher indirekten Folgen gibt, muss noch untersucht werden. Doch klar ist: Die Folgen des achtlosen Wegwerfens von Zigarettenstummeln wären durch die richtige Entsorgung vermeidbar: Kippen gehören in den Restmüll. Auch falls ein passender Mülleimer oder ein Aschenbecher nicht in Reichweite ist, gibt es inzwischen bereits Lösungen: Taschenaschenbecher. Als Schlüsselanhänger oder klein genug, dass sie mit in die Zigarettenschachtel passen, können Sie am nächsten Mülleimer wieder geleert werden.
Forderungen an die Hersteller
Sowohl die Europäische Union als auch die Weltgesundheitsorganisation sehen die Zigarettenhersteller mit in der Verantwortung. Wie genau, das zeigen auch die Forderungen des BUND. "Wir fordern das Verursacherprinzip: Hersteller sollen für Öffentlichkeitskampagnen zu den Umweltrisiken von Zigarettenkippen aufkommen müssen. Sie sollen für mehr geschlossene Aschenbecher an öffentlichen Mülleimern zahlen müssen. Wir fordern, dass die EU-Einwegplastikrichtlinie konsequent umgesetzt wird und Bußgelder für das Entsorgen von Zigarettenkippen in der Umwelt. Das darf, und sollte auch wehtun“, fasst Janine Korduan zusammen.
Denn letztendlich brauche es beides: Die systemischen Lösungen und das Bewusstsein dafür, das jedes Wegschnippen einer Kippe Folgen für Tiere, Pflanzen und Trinkwasser hat.