Pilz-Infektionen Wie gefährlich ist Candida auris?
In den USA steigt die Zahl der Infektionen mit dem Pilz Candida auris drastisch. Wie ist die Lage in Deutschland? Wie überträgt er sich - und wie gefährlich ist eine Erkrankung?
Wie ist die Situation in Deutschland?
Bislang wurden in Deutschland nur wenige Dutzend Infektionen registriert - etwa 40 Fälle seit 2015. Das geht aus einer Studie von Anfang Mai hervor. Jedoch geht Oliver Kurzai, Mikrobiologe an der Universität Würzburg und einer der Studienautoren, davon aus, dass einige Infektionen unentdeckt bleiben. "Die Fälle werden aktuell in keiner Datenbank vollständig erfasst - wir müssen von einer Dunkelziffer ausgehen."
Die Autoren der Studie sehen wegen der niedrigen Zahlen zwar keinen Grund zu großer Beunruhigung, Infektionen in Krankenhäusern seien sehr unwahrscheinlich. Doch "der deutliche Anstieg an Infektionsnachweisen während der vergangenen zwei Jahre und der Nachweis erster Übertragungsereignisse in Deutschland sollten als Alarmsignal gewertet werden", heißt es in einer Presseerklärung. Man müsse jetzt wachsam sein, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Eine Analyse des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigt für Europa einen erheblichen Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2021. Vor allem in Ländern wie Spanien oder Italien sind Ausbrüche zu beobachten. Besonders dramatisch ist die Lage aber in den USA: Dort hat sich die Zahl der Infektionen zwischen 2020 und 2022 von rund 1300 auf fast 6000 mehr als vervierfacht. Mehr als 2300 Fälle mussten ärztlich behandelt werden.
Daher klassifiziert die US-Gesundheitsbehörde CDC den Pilz als "dringliche Bedrohung" - die höchste Priorisierungskategorie innerhalb der multiresistenten Krankheitserreger. Er ist auch der einzige Pilz in dieser Kategorie. Auch in der 2023 von der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichten Liste zur Priorisierung von Pilzen, die Infektionen des Menschen verursachen, wird Candida auris als einer von nur vier Erregern in die höchste Prioritätsstufe gruppiert.
Wie wird der Pilz übertragen?
Der Pilz kann nur über direkten Kontakt, also nicht durch die Atemluft übertragen werden. "Im Gegensatz zu allen bisher bekannten Arten wird er häufig von Patient zu Patient übertragen und kann somit Ausbrüche in Krankenhäusern verursachen", erklärt Kurzai.
Auch Schmierinfektionen sind möglich, also beispielsweise durch Apparaturen, die in Krankenhäusern bei verschiedenen Patienten eingesetzt werden. Dagegen helfen die üblichen Hygienemaßnahmen, also konsequente Desinfektion von Materialien und Oberflächen sowie die regelmäßige Handhygiene. Die vergleichsweise niedrigen Zahlen in Deutschland deuten laut dem Experten darauf hin, dass das auch gut zu klappen scheint.
Die Infektionsgefahr insgesamt ist daher aktuell auch sehr gering. Im privaten Umfeld braucht es "schon sehr engen körperlichen Kontakt", erklärt Kurzai. Denn der Pilz siedelt vor allem in Hautfalten und warmen Körperstellen, also etwa Achselhöhlen oder der Leistengegend. Wenn sich zwei bekleidete Personen zur Begrüßung umarmen, sei die Übertragungswahrscheinlich daher wohl eher gering.
Was macht den Pilz so gefährlich?
Für gesunde Menschen ist eine Infektion in aller Regel ungefährlich. Die meisten Menschen, die kolonisiert sind, merken nicht mal etwas davon. Anders sieht es bei vulnerablen Gruppen aus, also etwa Patienten auf Intensivstationen oder solchen mit geschwächtem Immunsystem. Wenn der Pilz in ihren Körper, also in den Blutstrom gelangt, kann er dort eine Sepsis, eine Blutvergiftung, verursachen - für fast jeden zweiten Patienten endet das tödlich. Auch andere Infektionen, etwa von Gelenkprothesen, können schwerwiegende Folgen haben, so Mykologe Kurzai.
Zudem ist Candida auris resistent gegenüber gängigen Medikamenten. So sind 80 Prozent der am Nationalen Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen verfügbaren Pilzstämme hoch-resistent gegenüber Fluconazol, einem gängigen Anti-Pilzmittel. In einem Fall lag eine Resistenz gegen Echinocandin vor, einer vergleichsweise neuen Substanzklasse zur Therapie von Pilzinfektionen. "Und er kann relativ schnell weitere Resistenzen gegen andere Medikamente entwickeln", so Kurzai. "In den USA ist das bereits passiert - die Kollegen dort beschreiben, dass Candida auris immer resistenter wird."
Woher kommt Candida auris - und was kann man dagegen tun?
Candida auris gehört zu den Hefepilzen und ist erst seit einigen Jahren bekannt - 2009 wurde er erstmals in Japan beschrieben. Dort hatte er den Gehörgang eines Patienten befallen, was den Namenszusatz "auris" erklärt - vom Lateinischen für "das Ohr betreffend".
Ganz verhindern lassen wird sich seine Ausbreitung auch in Deutschland wohl nicht, sagt Kurzai. Es gehe deshalb nun vor allem darum, die Verbreitung zu verzögern. "Denn in einigen Jahren wissen wir mehr über den Pilz, seine Ausbreitungswege - und es wird bessere Behandlungsmöglichkeiten geben", sagt Kurzai. Bis dahin müsse bei einem Ausbruch streng auf die Hygiene geachtet und infizierte Patienten gegebenenfalls isoliert werden.
Deshalb fordern er und weitere Experten die Einführung einer Meldepflicht. Alle Infektionen müssten registriert und untersucht werden, damit man die Lage genau einschätzen kann.