Bundesweite Aktionswoche Was wir gegen Einsamkeit tun können
Immer mehr Menschen in Deutschland fühlen sich einsam, auch junge Leute. Einsamkeitsforscher erklären, warum das eine Gefahr ist - und was die Gesellschaft tun kann.
"Seit der Corona-Pandemie ist das Phänomen viel stärker in unser Bewusstsein gerückt", sagt Ethiker Mark Schweda bei der Jahrestagung des Deutschen Ethikrates am Mittwoch. Auch hier spielt das Thema Einsamkeit eine große Rolle. Es geht darum, welche gesundheitlichen, psychischen und sozialen Folgen Einsamkeit für das Individuum und für die Gesellschaft haben kann und wie damit umgegangen werden kann.
Etwa ein Drittel aller Menschen in Deutschland zwischen 18 und 53 Jahren leidet zumindest manchmal unter Einsamkeit. Das ergab eine im Mai veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Bei jungen Leuten ist die Quote sogar noch höher. Knapp die Hälfte (46 Prozent) aller 16- bis 30-Jährigen fühlt sich laut einer jetzt veröffentlichten Umfrage stark oder moderat einsam. Besonders junge Frauen sind laut der Untersuchung von Einsamkeit betroffen, ebenso Geschiedene, Arbeitslose und Menschen mit niedrigem Schulabschluss.
Einsamkeit: "Ein unterschätztes Phänomen"
Maike Luhmann, Professorin für Psychologie und Einsamkeitsforscherin an der Ruhr-Universität Bochum, hält diesen anhaltenden Trend für gefährlich. "Wir wissen zum Beispiel, dass einsame Menschen etwas mehr dazu neigen, sich politisch extremeren Positionen anzuschließen oder auch, sich einfach politisch weniger zu engagieren." Das seien Gefahren für unsere Demokratie, sagt sie.
Zum Auftakt der bundesweiten Aktionswoche "Gemeinsam gegen Einsamkeit", die noch bis Sonntag mit verschiedenen Veranstaltungen auf das Thema aufmerksam machen will, hatte sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus bereits ähnlich geäußert.
Einsamkeit sei ein unterschätztes Phänomen, sagte sie den Zeitungen der Funke Medien am Montag. "Wer Vertrauen in die Gesellschaft verliert, verliert auch Vertrauen in die Demokratie, politische Teilhabe nimmt ab, genauso wie die Bereitschaft wählen zu gehen", so Paus.
Einsamkeit führt zu zahlreichen Krankheiten
Einsamkeit wirkt sich aber nicht nur negativ auf die Demokratie aus. Es verursacht auch Kosten für die ganze Gesellschaft. Denn zahlreiche psychologische Krankheiten würden auch mit Einsamkeit in Verbindung gebracht werden, sagt die Bochumer Psychologin Luhmann. Zum Beispiel Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. "Das geht aber auch weiter bei körperlichen Erkrankungen. Einsame Menschen bewegen sich zum Beispiel auch weniger, schlafen schlechter, ernähren sich schlechter", so Luhmann.
Und das führe dann zu einer ganzen Reihe von Folgeerkrankungen. "Das sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch so etwas wie Demenz, Diabetes und sogar eine verfrühte Sterblichkeit wurden mit Einsamkeit in Verbindung gebracht", erklärt Luhmann.
Ursachen der Einsamkeit nicht eindeutig
Warum sich gerade junge Menschen besonders einsam fühlen, ist den Experten noch nicht ganz klar. Die Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen habe Jugendliche zwar besonders getroffen, sagt die Psychologin. "Aber auch im Jahr 2024 sehen wir noch, dass mehr Jugendliche einsam sind als vor der Pandemie. Also muss es auch andere Ursachen geben. Ich vermute, dass wir uns noch mal anschauen müssen, welche Rolle eigentlich die sozialen Medien im Alltag spielen."
Das sagt auch ihr Kollege Matthias Reinhard, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er hält die sozialen Medien für einsamkeitsfördernd. Vordergründig gäben sie einem das Gefühl, man sei durch die Netzwerke nicht allein, aber tatsächlich sitze man dann doch allein vor seinem Bildschirm, ohne ein echtes Gegenüber, so Reinhard.
Einsamkeit - was die Gesellschaft dagegen tun kann
Was gegen Einsamkeit hilft? Jeder Einzelne könne versuchen, den sozialen Beziehungen im Leben wieder einen höheren Stellenwert einzuräumen, sich ganz bewusst Zeit nehmen für Familie und Freunde, sagt dazu die Bochumer Psychologin.
Laut Luhmann reicht das allein aber nicht aus. "Wir brauchen auch zum Beispiel ehrenamtlich Engagierte, die auf einsame Menschen zugehen und ihnen Angebote machen", sagt sie.
Auf kommunaler Ebene müsse dafür gesorgt werden, dass mehr Begegnungsorte geschaffen werden, wo Menschen auch ohne Eintritt zu zahlen gemeinsam Zeit verbringen können, insbesondere junge Menschen. Das sei eine große und wichtige Herausforderung für die Stadtplanung.
Matthias Reinhard, der zur Einsamkeit an der Münchner LMU forscht, hält es für wichtig, "dass wir über Einsamkeit ins Gespräch kommen, dass das nichts Schambehaftetes ist, sondern etwas ist, dass viele kennen, worunter viele leiden". Wenn man über Einsamkeit spreche, könnte auch eine Verbundenheit entstehen, und man könnte so die Einsamkeit gemeinsam überwinden, sagt Reinhard.