Hitze und neue Krankheiten Wie der Klimawandel die Gesundheitssysteme belastet
Mehr Hitzetote, neue Infektionskrankheiten und Ernährungsunsicherheiten: Der Klimawandel setzt unsere Gesundheitssysteme zunehmend unter Druck. Das zeigt eine neue Studie. Doch es gibt Lösungen.
Von Lena Puttfarcken, SWR
Die Gesundheitssysteme weltweit sind nach mehr als zwei Jahren Pandemie ohnehin schon geschwächt - doch durch den Klimawandel werden sie in Zukunft noch stärker belastet. So steigt beispielsweise die Gefahr für Hitzesterblichkeit: Für Menschen über 65 Jahre ist sie mittlerweile 68 Prozent höher als noch Anfang des Jahrtausends. Das steht im Bericht einer internationalen Forschungsgruppe im Fachjournal "The Lancet".
Der Bericht trägt den Titel "Health at the mercy of fossil fuels" - auf Deutsch übersetzt "Gesundheit, die den fossilen Brennstoffen ausgeliefert ist". Es ist der siebte Bericht in der Reihe der "Lancet Countdowns". Dieses Mal haben 99 Fachleute aus über 50 Institutionen daran mitgearbeitet, unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Weltorganisation für Meteorologie WMO. Die Federführung hatte das University College London.
Immer mehr Hitzewellen in Europa
Neben dem globalen Bericht gibt es auch regionale Fassungen, die beispielsweise die Klimafolgen speziell für Europa untersuchen. So waren die Menschen in Europa im Vergleich zu den Jahren 2000 bis 2009 im vergangenen Jahrzehnt 57 Prozent mehr Hitzewellen ausgesetzt. Zudem fördert das wärmere Klima in Europa die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Denguefieber, Malaria oder dem West-Nil-Fieber.
"Die Covid-19-Pandemie hat uns zweifellos gezeigt, dass die Gesundheit der Europäer vor Gesundheitsschocks geschützt werden muss. Aber jetzt sehen wir, dass die zunehmenden gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels die Gesundheitssysteme sowohl kurz- als auch langfristig zusätzlich unter Druck setzen", sagt Maria Nilson, Vorsitzende des Lancet Countdown in Europa und Professorin für öffentliche Gesundheitswissenschaften an der Universität Umeå in Schweden. "Um eine gesunde und widerstandsfähige Zukunft zu gewährleisten, brauchen wir ökologisch nachhaltige und klimaresistente Gesundheitssysteme, die die gegenwärtigen und künftigen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels minimieren und gleichzeitig das Risiko künftiger Pandemien verringern."
Klimawandel bedroht auch die Ernten
Neben Hitze und Infektionskrankheiten warnt der Bericht auch vor immer größeren Problemen in der Ernährungssicherheit. Die höheren Temperaturen verkürzen etwa die Wachstumszeit von Mais und Weizen, und Extremwetterereignisse können Ernten zerstören. Der Analyse der Forschungsgruppe zufolge waren im Jahr 2020 etwa 98 Millionen Menschen zusätzlich wegen extremer Hitze von Ernährungsunsicherheit bedroht, im Vergleich zu der Zeit von 1981 bis 2010. Diese Probleme werden aktuell noch durch den Krieg in der Ukraine verstärkt, der unter anderem Versorgungsengpässe zur Folge hat.
Anpassungsstrategien noch nicht weit fortgeschritten
Aufgrund dieser zusätzlichen Bedrohungen durch den Klimawandel wird Anpassung umso wichtiger. Bisher haben laut dem Bericht jedoch nur knapp die Hälfte der untersuchten Länder geprüft, wie ihr Gesundheitssystem an künftige Klimafolgen angepasst werden müsste. Auch die Hitzeanpassung, die besonders in Städten eine große Rolle spielt, hat weltweit bisher nur wenig Priorität. Von den analysierten 1038 Stadtzentren benennt der Bericht nur 27 Prozent als mäßig grün, dabei sind Pflanzen eigentlich wichtig für die Stadtkühlung. Stattdessen greifen immer mehr Haushalte auf energieintensive Klimaanlagen zurück.
Ein weiterer Punkt: Noch immer würden sich Staaten zu sehr auf fossile Energieversorgung verlassen, so der Bericht. Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius, die eigentlich im Pariser Klimavertrag vereinbart wurde, sei auf diese Weise nicht zu erreichen.
Lösungsvorschläge im Fokus
Einzelne Hoffnungsschimmer hat der Bericht aber auch zu bieten. Die Medien berichten weltweit häufiger über Klimafolgen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit, und auch Politiker beschäftigen sich öfter mit diesen Themen. Zudem ist der Energiesektor zwar noch weit davon entfernt, erneuerbar zu sein, aber 2021 wurden immerhin 80 Prozent der Investitionen im Stromsektor in fossilfreie Energiequellen getätigt.
Und auch konkrete Lösungsvorschläge liefert der Bericht. So hätte eine ausgewogenere und pflanzlichere Ernährung gleich mehrere Vorteile. Im Agrarsektor würden 55 Prozent der Emissionen eingespart, die auf die Produktion von rotem Fleisch und Milch fallen. Es ließen sich außerdem jährlich bis zu 11,5 Millionen ernährungsbedingte Todesfälle verhindern, und auch das Risiko von Zoonosen würde sinken - Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden, wie Covid-19.