Langzeitfolgen von Corona Diagnose: Post-Covid-Syndrom
25 Jahre alt, sportlich, keine Vorerkrankungen. Ihre Corona-Erkrankung verlief mild - doch fünf Monate später begann das Leiden: Luftnot, Husten, Müdigkeit. Die 25-Jährige hat das Post-Covid-Syndrom. Kein Einzelfall.
Rebecca war jung, sportlich, ohne Vorerkrankungen. Anfang April 2020 infizierte sich die 25-jährige Münchnerin mit dem Coronavirus. Sie erholte sich zu Hause, ohne stationäre Behandlung. "Nach zwei Wochen Quarantäne bin ich zur Arbeit im Kinderheim gegangen", erzählt die Sozialpädagogin rückblickend. Sie wollte "ihre Kinder" nicht alleine lassen.
Müde, schlapp, Atemnot
Im Herbst, also fünf Monate später, bekam sie Atemnot beim Treppensteigen, konnte sich schlecht konzentrieren, fühlte sich schlapp. Ihr Hausarzt verwies sie zunächst an einen Lungenarzt, dann weiter an einen Kardiologen und an einen Neurologen. Die Nachuntersuchungen zeigten: Sie hatte eine Herzmuskelentzündung, ihr linker Lungenflügel war immer noch stark angegriffen. "Dass mich jungen, sportlichen Menschen Corona mal so hart erwischt, hätte ich nie gedacht", sagt Rebecca.
Heute weiß Rebecca: Sie leidet an einem Post-Covid-Syndrom. So bezeichnen Wissenschaftler Symptome, die auch drei Monate nach der akuten Erkrankung noch festgestellt werden oder überhaupt erst auftauchen. Das macht die Krankheit so schwer greifbar. "Bei manchen Patienten flammen sechs Monate nach ihrer Akut-Erkrankung solche Beschwerden auf, dass sie sogar stationär behandelt werden müssen", beobachtet Pneumologe Rembert Koczulla von der Schön-Klinik Berchtesgadener Land, einer Reha-Klinik speziell für Covid-Patienten.
Zu Post-Covid-Symptomen zählen primär chronische Müdigkeit, Herz- und Konzentrationsprobleme, Luftnot und Husten. Im englischen Sprachraum hat sich der Begriff "Long Covid" durchgesetzt, deutschsprachige Wissenschaftler reden von "Post Covid". Forscher stützen sich unter anderem auf eine Studie aus dem chinesischen Wuhan, wo sich das Virus zuerst verbreitet haben soll. Drei von vier Patienten gaben an, auch sechs Monate nach ihrer Entlassung aus der Klinik weiterhin Beschwerden zu haben.
Zahl der Betroffenen ist unklar
Wie viele Corona-Erkrankte in Deutschland von dem Post-Covid-Syndrom betroffen sind, ist unklar. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind die Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, derzeit noch nicht abschätzbar. Offen ist auch noch die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine permanente Schädigung droht. Spätfolgen der Erkrankung werden zudem laut RKI nicht regulär im Meldesystem erfasst. Somit gelten Betroffene statistisch meist als genesen.
Hinzu kommt, dass sich Post-Covid-Betroffene ihrer Spätfolgen oft nicht bewusst sind, da das Bewusstsein in der Bevölkerung für Langzeitfolgen noch sehr gering ist. Man sehe jedoch die Notwendigkeit für eine Nachbeobachtung und beobachte die Studien- und Datenlage kontinuierlich, erklärte eine RKI-Sprecherin kürzlich dem ARD-faktenfinder. Es werde derzeit diskutiert, bei künftigen bevölkerungsbezogenen RKI-Studien auch die Langzeitfolgen zu untersuchen. Aktuell würden zudem Nachbeobachtungen im Rahmen zweier Projekte des Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin erfolgen.
Das Ziel: wieder Sport machen können
Mittlerweile achtet Rebecca auf ihren Körper. In der Reha-Klinik für Lungenheilkunde im oberbayerischen Schönau am Königssee trainiert sie ihre Muskulatur, ihre Ausdauerfähigkeit, ihr Lungenvolumen. Fünfmal die Woche trainiert sie auf einem Fahrrad-Ergometer, für jeweils zehn Minuten, der Tritt-Widerstand wird langsam gesteigert, von 40 auf 50 Watt. So gewinnt die 25-Jährige langsam wieder Vertrauen in ihren Körper. Ihr Traum ist, im Sommer wieder regelmäßig Sport zu treiben. Dank der Kur ist ihr Herz nun gesund, und die Atemübungen schafft sie problemlos. Ihre Gesundheit bessert sich also.
Hausärzte sind gefordert
Während der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 hätten sich die Mediziner vor allem auf die Lungenprobleme der Corona-Patienten konzentriert, erklärt Mediziner Koczulla. "Heute wissen wir, dass wir viel breiter diagnostizieren müssen." Auch Herz, Niere, Gehirn, Gefäße könnten betroffen sein. Vor allem Fatigue, also chronische Müdigkeit, sei ein prominentes Symptom in internationalen Studien. Nachkontrollen über einen längeren Zeitraum seien nun wichtig, um chronische Folgen zu vermeiden.
Koczulla sieht hier vor allem die Hausärzte gefordert: Sie müssten in der Nachkontrolle mögliche Post-Covid-Patienten erkennen und gegebenenfalls zu den Fachärzten weiterschicken.
Erste Selbsthilfegruppen entstehen bundesweit
Covid-Patienten klagen auch Wochen nach ihrer Erkrankung noch häufig über Müdigkeit, Kraftlosigkeit und Vergesslichkeit. Womöglich schämen sich auch Erkrankte für ihre Spätfolgen, dieser Eindruck geht zumindest aus Gesprächen mit Reha-Klinik-Mitarbeitern hervor. Einige machten sich auch Vorwürfe, andere Menschen unwissentlich angesteckt haben zu können.
Betroffene brauchen also oft auch eine psychotherapeutische Begleitung, neben der Nachkontrolle organischer Einschränkungen. Die Spätsymptome sind immer noch sehr unspezifisch und in Bezug auf bleibende Schäden schwer zu beurteilen.
Hilfe bieten auch neu eingerichtete "Post-Covid-Ambulanzen": Die behandelnden Ärzte haben einen fächerübergreifenden Ansatz, sie lotsen die Betroffenen bei Bedarf weiter an Spezialisten. Solche Anlaufstellen gibt es bereits in Kiel, Hamburg, Hannover, Jena und München. Weitere Ambulanzen sind geplant.
Wichtig für Covid-19-Patienten ist auch der Austausch mit anderen Betroffenen. Erste Selbsthilfegruppen für Corona-Patienten gibt es in Heinsberg und Unna, Stuttgart, Regensburg, Mühldorf am Inn und München. Die Treffen finden - natürlich - digital statt.