Klimawandel in Bangladesh Wenn der Fluss das Land frisst
"Wenn man sein Haus durch ein Feuer verliert, ist das Land noch da. Wenn man sein Haus durch das Wasser verliert, hat nichts mehr", berichtet Mohammed. So wie ihm hat der Fluss Jamuna in den letzten Jahren Zehntausenden Menschen die Lebensgrundlage geraubt.
Von Kai Küstner, ARD-Hörfunkstudio Südasien
Fast so wie motorisierte venezianische Gondeln sehen die Boote aus, die auf dem Jamuna-Fluss herumtuckern. Doch die Idylle ist trügerisch. Jetzt gerade plätschert das Wasser zwar wenig angsteinflößend vor sich hin. Doch in den feuchten Monsun-Monaten schwillt dieser Fluss alljährlich zu einem reißenden Strom an, der auf nichts Rücksicht nimmt:
"Ich lebte einst auf einem Streifen Land dort drüben, mehrere Kilometer entfernt", erzählt ein alte Mann. Er streckt seinen Arm aus und zeigt mitten in den Fluss hinein. Der Jamuna änderte in den letzten Jahren nicht nur ständig seine Richtung, sondern wurde auch immer breiter. Und spülte damit die Lebensgrundlage Zehntausender Menschen hinfort - auch die von Mohammed.
Aufgrund des steigenden Meeresspiegels wird mit mehr Überschwemmungen an Bangladeschs Flussufern gerechnet - wie hier am Kilonga.
"Wenn man sein Haus durch ein Feuer verliert, ist das Stück Land immer noch da. Dann gibt es immer noch Hoffnung. Wenn man sein Haus aber durch das Wasser verliert, wenn das Land vom Fluss fortgerissen wird, dann hat man nichts mehr", sagt Mohammed. Er steht am Rande des Gewässers, das ihm seine Existenz entrissen hat. Mit bloßem Auge ist das andere Ufer gar nicht zu erkennen, so weit ist es entfernt. Von acht auf zwölf Kilometer hat sich der Jamuna über die Jahre verbreitert.
Eisenbahnwaggons im Fluss als Erosionsschutz
Die Stadt Sirajganj, unmittelbar am Wasser gelegen, versucht sich verzweifelt dagegen zu wehren, dass der Fluss sie eines Tages schlicht schluckt. "Früher standen Gefängnisse am Ufer. Auf Biegen und Brechen ist versucht worden, sie vor Erosion zu schützen, mit allen Mitten. Da hat man dann sogar Eisenbahnwaggons in den Fluss geschmissen, was allerdings auch nicht so gut geklappt hat", erzählt Knut Oberhagemann. Der deutsche Bauingenieur ist seit Jahren in Bangladesch damit beschäftigt, die - wie er sie nennt - stille Katastrophe zu bekämpfen. Hagemann versucht, Flussufer gegen Erosion zu schützen - in einem Land, das während des Monsuns mehr aus Wasser als aus Erde besteht. Ein Problem, das seit Jahrzehnten bekannt ist, aber das der Klimawandel noch verschärfen dürfte.
"Hier in Südasien steigen das Ausmaß der Regenfälle - laut Prognose um rund 30 Prozent. Das heißt natürlich: mehr Überflutungen", schildert Hagemann. "Zum anderen steigt der Meeresspiegel an. Und wenn man dann flaches Land hat, das ohnehin kaum aus dem Wasser herausguckt, können auch größere Landstriche plötzlich überschwemmt werden."
Jedes Jahr zur Monsun-Zeit frisst sich der Fluss ein Stück tiefer ins Land hinein. Rund 10.000 Menschen verlieren allein hier im Distrikt Sirajganj jährlich ihr Zuhause. Die Stadt selbst, heute noch ein belebter Ort mit mehr als 100.000 Einwohnern, wird sich wohl nur noch wenige Jahre über Wasser halten können.
Angst vor dem Fluss, Flucht in die Stadt
Während andere deshalb in die Großstadt Dhaka umsiedeln und dort meist im Slum landen, ist Mohammed hier geblieben und in eine winzige Hütte umgezogen. Er steht zwar jetzt gerade auf einer Art Deich, einem Sandsack-Wall, der das das Ufer vor dem nächsten Monsun schützen soll. Aber sein Haus und sein Land und auch sein Zutrauen sind im Fluss untergegangen: "Ich bin nicht der einzige - alle, die in der Stadt leben, haben Angst vor dem Fluss", sagt er. Schon immer ist Bangladesch von zu viel Wasser bedroht gewesen - mit dem Klimawandel dürfte es noch wesentlich mehr Grund zur Angst geben.