Biodiversität und Landwirtschaft Mehr Brachen, mehr Arten
Intensive Landwirtschaft hat viele Vogelarten aus Deutschland vertrieben - etwa den Kiebitz oder das Rebhuhn. Doch es gibt eine Möglichkeit, sie wieder anzulocken: mit mehr Brachflächen.
Kiebitz und Rebhuhn, Grauammer und Haubenlerche: Vor rund 40 Jahren waren diese Vögel noch oft in Deutschland anzutreffen, als charakteristische Bewohner landwirtschaftlich geprägter Lebensräume. Seitdem jedoch wurden diese Habitate durch intensive Landwirtschaft massiv verändert. Und das führte zum Rückgang von Arten- und Individuenzahlen sowie zum Verlust typischer Landschaftsstrukturen.
"Speziell Brachland wurde in den letzten Jahren immer seltener", konstatiert Ornithologe Bernd Petri vom Naturschutzbund (NABU) Hessen. "Gerade in den dicht besiedelten Bundesländern und in den Metropolregionen wird Wohnraum gesucht. Gewerbegebiete entstehen, und damit ist jeder Quadratmeter Boden sehr wertvoll" - und wird eher bebaut als ungenutzt brachliegen gelassen.
In den vergangenen Jahrzehnten sank die Zahl der Brachen in der EU rapide: Lagen 1995 noch über zwölf Prozent der Ackerflächen brach, sind es aktuell knapp über drei Prozent.
Fatale Entwicklung
Für Naturschützer wie Petri ist das fatal. Denn Brachen fördern die Artenvielfalt. Nicht nur, aber auch bei Vögeln. An ihrem Beispiel haben sich jüngst das Braunschweiger Thünen-Institut, der Dachverband Deutscher Avifaunisten und die Universität Göttingen mit der Problematik auseinandergesetzt. Die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Analysen erschienen in der Fachzeitschrift "Journal of Applied Ecology" und beziehen sich auf die Bestandsdaten der Vögel Deutschlands aus neun aufeinanderfolgenden Jahren.
"Wir haben diese Monitoring-Daten mit den Landnutzungsdaten, in dem Fall mit dem Anteil von Brachen, in Beziehung gesetzt", erklärt Studienleiter Sebastian Klimek vom Thünen-Institut. "Und wenn in einer Umgebung der Anteil der Brachen ansteigt, dann reagieren auch die Agrarvogelarten positiv darauf."
Um den bundesweiten Rückgang von Agrarvögeln zu stoppen, sei es also erforderlich, einen Mindestanteil von Brachen in der Agrarlandschaft zu erhalten, resümiert Klimeks Projektpartner, der Naturschutzbiologe Johannes Kamp von der Universität Göttingen.
Bestehende Brachen schützen, neue anlegen
Doch auch von neu angelegten Brachflächen kann viel Nutzen ausgehen. "Mit unseren Untersuchungen konnten wir Regionen identifizieren, in denen Brachflächen vorzugsweise angelegt werden sollten", so Klimek. "Es gibt beispielsweise Agrarlandschaften, die haben eine sehr geringe Komplexität und sind sehr stark ausgeräumt: Wir finden dort keine Feldgehölze, wenig Waldinseln, kaum Einzelbäume, Hecken oder Wegraine. In solchen Landschaften kann ich mit Brachen nicht sehr viel erreichen."
Dahinter steckt: Brachen sind zunächst ziemlich kahle Freiflächen, die sich aber im Lauf der Zeit ökologisch weiterentwickeln. Von Jahr zu Jahr werden sie von mehr Arten besiedelt, wodurch sie sich schrittweise zu Schutz- und Rückzugsräumen für immer mehr Arten entwickeln. Dieser natürliche Prozess kann den Daten von Klimek, Kamp und Kollegen zufolge am besten dort stattfinden, wo um die Brachen herum noch eine gewisse natürliche Biodiversität vorhanden ist. Und die sucht man in den Agrar-"Wüsten" vergebens.
Mehr Unterstützung für Landwirte
Neben passenden Plätzen für neue Brachen, gibt NABU-Experte Petri zu bedenken, bräuchte es aber speziell für die Landwirtschaft noch mehr Anreize, diesen Typ Lebensraum überhaupt zu erhalten. Aktuell gibt es vom Land Hessen zwar bis zu 1.300 Euro pro brachliegendem Hektar Land, aber dieses Geld sei vor dem Hintergrund von Pachtkosten und der bei einer Flächenstilllegung anfallenden Arbeit viel zu knapp bemessen, kritisiert etwa Landwirt Hendrik Heilhecker aus Waldems im Taunus.
Einen gewissen politischen Willen für mehr Brachland gibt es bereits. Seit diesem Jahr sind landwirtschaftliche Betriebe in der EU dazu verpflichtet, vier Prozent ihrer Ackerfläche stillzulegen. Auf Ebene der deutschen Bundesländer will Hessen etwa die Stilllegungsprämie um bis zu 30 Prozent erhöhen. Im Vergleich zur Situation um 1995 ist das allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aus ökologischer Sicht sollten langfristig zumindest fünf bis sechs Prozent, besser zehn Prozent Brachflächen angestrebt werden.