Wetterforschung El Niños Macht
2023 war das heißeste Jahr in der Geschichte der Menschheit. El Niño bringt das Wetter in großen Teilen der Welt aus dem Takt - mit Folgen auch für Deutschland.
Seit Juni 2023 sorgt das Wetterphänomen El Niño auf der ganzen Welt für Temperaturrekorde und immer neue Katastrophen: Überschwemmungen in Kalifornien, eine Jahrhundertdürre am Amazonas, Waldbrände und Korallenbleiche in Australien. In Deutschland erreichen uns vor allem die wirtschaftlichen Folgen: höhere Preise und Lieferkettenprobleme.
Dem Panama-Kanal, einem essenziellen Knotenpunkt der Schifffahrt, geht wegen der anhaltenden Dürre das Wasser aus. Bis zu 200 Schiffe stauten sich im vergangenen halben Jahr zeitweise vor den Schleusentoren, Reedereien mussten ihre Frachter umleiten.
El Niño ist ein natürliches Phänomen, das alle paar Jahre auftritt und extreme Wetterlagen begünstigt. Aber durch den Klimawandel hat sich die Ausgangssituation verändert: Die Naturgewalt trifft auf ein bisher nie dagewesenes Temperaturniveau und die aufgeheizten Ozeane wirken wie ein Turbo für das Wettergeschehen. Was bedeutet das für die Zukunft?
Ein Phänomen mit globalen Auswirkungen
El Niño bringt das Wetter in weiten Teilen der Welt durcheinander, da er grundsätzliche Faktoren der globalen Wetterentstehung auf den Kopf stellt: Die Passatwinde flauen ab und warmes Wasser staut sich vor der Küste Südamerikas. Das beeinflusst Strömungen in der Atmosphäre, die wiederum die Niederschlagsmuster in weiten Teilen der Erde verändern.
So kommt es in einigen Regionen zu starken Regenfällen, Überschwemmungen und Wirbelstürmen, während es anderswo verheerende Dürren auslöst: Simbabwe, Sambia und Malawi haben den Katastrophenzustand ausgerufen. Auch in anderen afrikanischen Ländern hat sich die Lage verschärft, da Extremwetter den Zugang und Anbau von Nahrungsmitteln erschweren.
Etwa alle drei bis sieben Jahre erlebt die Welt einen El Niño. Wodurch das Phänomen ausgelöst wird, ist noch nicht abschließend verstanden.
Der Klimaforscher Ralf Schiebel und sein Team vom Max-Planck-Institut für Chemie segeln an Bord der Forschungsyacht "Eugen Seibold" auf einer Route zwischen Panama und Galapagos und erforschen die Rolle der Ozeane im Klimasystem und die Auswirkungen der Erderwärmung.
Sie wollen herausfinden, inwiefern sich der El Niño durch den Klimawandel verschärft: "Wir sammeln biologische Daten, chemische Daten und physikalische Daten wie zum Beispiel CO2-Konzentration in der Atmosphäre und dem Ozean, um zu verstehen, wie das alles zusammenhängt", erklärt Schiebel.
Naturgewalt im Klimawandel
Ein typischer El Niño dauert etwa ein bis zwei Jahre. Dann normalisiert sich das Weltwetter wieder. Doch für die Zukunft deuten Klimaberechnungen auf verschiedene Szenarien hin, einige Prognosen sind alarmierend.
"Es wäre eine Katastrophe, wenn es eine Art Dauer-El-Niño geben würde. Wenn das System sich einloggt in einen Zustand, aus dem es gar nicht mehr rauskommt", sagt der Meteorologe Mojib Latif.
Um herauszufinden, ob ein Dauer-El-Niño bevorsteht, analysiert das Team um Ralf Schiebel Mikroplankton. Diese Organismen existieren seit Millionen von Jahren und könnten - wie Baumringe und Eisbohrkerne - Aufschluss darüber geben, wie das Klima der Erde früher war und Hinweise auf die zukünftige Entwicklung unseres Klimas geben.
"Die älteste Art, die wir heutzutage im Ozean noch finden, die ist 25 Millionen Jahre alt. Wir können also die letzten 25 Millionen Jahre eigentlich direkt mit dieser Art rekonstruieren", so Schiebel.
Vor drei Millionen Jahren, im Erdzeitalter des Pliozäns, waren die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre etwa genauso hoch wie heute, die globale Mitteltemperatur lag etwa drei Grad höher. Ein Temperatur-Szenario, das Ende des Jahrhunderts eintreten könnte.
Jahrtausende lang soll ein Dauer-El Niño geherrscht und weltweite Extremwetter-Ereignisse ausgelöst haben - auch in unseren Breitengraden. Je höher die Temperaturen, desto schneller steigt der Meeresspiegel. Im Pliozän lag er etwa 20 Meter höher als heute.
Unter solchen Bedingungen würden heutzutage zahlreiche Küstenstädte von den Fluten verschluckt werden, möglicherweise auch Bremen und Hamburg. Dahingegen würden subtropische Regionen sich aufgrund der Hitze in Wüsten verwandeln und unbewohnbar werden.
Was zu erwarten ist
In Panama zeigen sich die Folgen des Klimawandels bereits heute unübersehbar: Die Insel Gardi Sugdub auf der Karibikseite musste wegen des ansteigenden Meeresspiegels evakuiert werden. Steigende Temperaturen machen die Ozeane zudem zu einer Art "Wasserkocher", aus denen immer mehr Wasserdampf aufsteigt. Die Folge: immer stärkere Wirbelstürme.
"In den vergangenen 25 Jahren haben wir hier acht der stärksten Stürme seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt. Gleichzeitig hatten wir die drei trockensten Jahre in Folge. So etwas hat es noch nie gegeben", so Steven Paton, Direktor Wettermonitoring beim Smithsonian Tropical Research Institute.
Der aktuelle El Niño ist heftig, gehört aber womöglich zu den kürzeren: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) und andere Vorhersagezentren rechnen mit einem Abklingen von El Niño bis zum Sommer. Danach könnte sich die Situation entspannen.
Einige Modelle prognostizieren jedoch schon jetzt einen Umschwung zu einer La Niña. "Diese Phase wird auch als "Kalte Episode" bezeichnet, da sich dabei die oberen Wasserschichten des tropischen Ostpazifiks anomal stark abkühlen", so der DWD.
Bis dahin sind aber noch Hitzerekorde zu erwarten. Und die danach erwartete Abkühlung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Klimawandel voranschreitet.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie in der Wissens-Dokumentation "Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger? - Die Macht des El Nino", abzurufen in der ARD-Mediathek.