Ernährung und Klimawandel Es muss nicht immer bio sein
Wie sieht eine Ernährung aus, die gesund ist und Klima und Umwelt möglichst wenig belastet? Auf Fleisch und tierische Produkte müssen wir nicht ganz verzichten, sagt die Agrarökonomin Hunecke. Aber je weniger wir davon essen, desto besser.
tagesschau.de: Wir haben es alle schon oft gehört: Wenn man sich vegan ernährt, dann hat man eigentlich das Beste getan fürs Klima. Stimmt das?
Claudia Hunecke: Das stimmt einerseits schon. Auf der anderen Seite kann man aber auch sagen: Komplett vegan ist nicht unbedingt nötig. Also eine gewisse Fleischkomponente kann durchaus dabei sein. Allerdings ist weniger Fleisch besser für das Klima und für die Umwelt und für einen selbst.
Empfehlung lautet 300 Gramm Fleisch pro Woche
tagesschau.de: Wie müsste ich mich also richtig verhalten? Was darf noch auf meinen Teller, damit ich mich möglichst klimafreundlich ernähre?
Hunecke: Vor ein paar Jahren hat die EAT-Lancet Kommission eine Empfehlung entworfen, die sogenannte Planetary Health Diet. Die besagt, dass aus den verschiedenen Nahrungsmittelgruppen möglichst alles jeden Tag auf den Teller kommen sollte. Also das sind grünes Gemüse, rotes Gemüse, Vollkornprodukte, tierische Produkte tatsächlich auch. Zudem sind dort Öle enthalten und Zucker. Es geht aber bei all diesen Empfehlungen immer um die Menge. Also darum, wie viel man von was essen sollte.
Da ist die Empfehlung ganz klar, die tierischen Produkte so weit wie möglich zu reduzieren, um innerhalb unserer planetarischen Grenzen zu sein, also das, was unsere Welt produzieren kann und auch, um für sich selber gesund zu sein. Das führt dazu, dass man pro Woche ungefähr 300 Gramm Fleisch essen kann - je weniger natürlich, desto besser. Man kann das auch auf Null setzen, aber ungefähr 300 Gramm Fleisch sind enthalten in dieser Ernährung.
Es gibt allerdings auch Unterschiede zwischen den einzelnen Fleischsorten. Rotes Fleisch, das bei uns vor allem von Wiederkäuern stammt, also vor allem von Rindern, das sollte möglichst reduziert werden - noch weiter reduziert werden als diese 300 Gramm. Andere Fleischarten, wie Geflügel und Schwein, könnten eben bis an diese 300 Gramm kommen. Aber insgesamt sollte man sich an diese 300 Gramm pro Woche halten.
Bei Fleisch gilt: "So wenig wie möglich"
tagesschau.de: Muss dieses Fleisch dann Biofleisch sein? Oder wie soll ich das Fleisch dann aussuchen, wenn es schon diese 300 Gramm auf meinem Teller sein dürfen in der Woche?
Hunecke: Man hat auf der einen Seite die Ernährung an sich, also was sollte man essen, um gesund zu bleiben und um unseren Planeten gesund zu halten? Die andere Seite ist dann die Produktion. Da gibt es verschiedene Standards. Bei uns ist natürlich das Biofleisch am bekanntesten. Das ist eine Art der Produktion, die ist auch sehr gut. Da gibt es verschiedene Regeln, die eingehalten werden müssen, die zertifiziert sein müssen, um das Fleisch unter diesem Label zu verkaufen. Biofleisch ist sicherlich das bessere, aber insgesamt gilt: Ob bio oder nicht bio - so wenig wie möglich.
Es muss nicht immer bio sein
tagesschau.de: Wenn ich jetzt versuche, mich an diese 300 Gramm Fleisch zu halten, und auf den Wochenmarkt gehe und mein Gemüse dort kaufe und versuche, möglichst Biogemüse zu kaufen - bin ich dann auf dem richtigen Weg?
Hunecke: Ja. Wir reden immer sehr viel über Fleisch, das reduziert werden soll. Und nicht nur über Fleisch, sondern insgesamt über tierische Produkte, also auch zum Beispiel Milchprodukte. Diese Kalorienzahl muss aber natürlich aufgefangen werden. Es wird empfohlen, das über das Obst und Gemüse zu machen, aber auch über Hülsenfrüchte.
Und auch hier kann man sich fragen, woher kommen die Lebensmittel. Da gibt es verschiedene Ansätze. Der Wochenmarkt ist natürlich immer ein sehr guter Ansatz, dann ist es meistens regional, also was in meiner Umgebung produziert wird. Jetzt leben wir aber in Mitteleuropa und im Winter ist auf dem Wochenmarkt nicht viel zu holen. Das heißt, um die Mikronährstoffe zu bekommen, die die Menschen brauchen, ist Handel eine wichtige Komponente. Deswegen sollte man den Handel nicht verteufeln, denn auch aus anderen Regionen der Welt können wichtige Bestandteile zu unserer Ernährung hinzugezogen werden.
tagesschau.de: Das bedeutet also, man kann auch noch woanders einkaufen als auf dem Wochenmarkt. Und es muss nicht immer bio sein. Warum ist der Handel so wichtig?
Hunecke: Der Handel ist eine sehr wichtige Komponente. Handel hält die Preise einigermaßen stabil. Wir haben Vegetationsperioden und wenn wir im Winter die gleiche Versorgung haben wollen, die wir hier im Sommer haben, dann muss das Obst und Gemüse eben auch woanders herkommen. Und Handel bedeutet natürlich auch Arbeitsplätze. Wir müssen also über das ganze Ernährungssystem reden. Und Arbeitsplätze sind eine wichtige Komponente, denn viele Menschen in anderen Ländern arbeiten eben auch im Ernährungssystem und der Handel erhält auch diese Arbeitsplätze.
Ein Drittel aller Treibhausgasemissionen
tagesschau.de: Sie haben gesagt, dass das Thema Ernährung und Klimawandel immer wichtiger wird. Warum?
Hunecke: Das Ernährungssystem und die Ernährung an sich sind - das weiß man mittlerweile - eine der ganz großen Komponenten im Klimawandel. Einerseits ein Treiber des Klimawandels, auf der anderen Seite aber auch eine der möglichen Lösungen, um die Erwärmung zu vermindern. Das liegt daran, dass das Ernährungssystem - also alles von der Produktion über den Handel bis zum Konsumenten - ein Drittel aller Treibhausgasemissionen produziert. Das ist der zweitgrößte Sektor nach der Energie. Und das ist eine ganze Menge, die man nicht vernachlässigen sollte.
Auf der anderen Seite haben wir natürlich noch wesentlich mehr Umweltauswirkungen. Es geht eben nicht nur um Treibhausgasemissionen, es geht auch um Wassernutzung, es geht um Landnutzung, es geht um Arbeitsplätze, es geht um soziale Teilhabe. Diese ganzen Aspekte stecken hinter dem Ernährungssystem und die müssen natürlich auch beachtet werden, sowohl bei der Verursachung des Klimawandels als eben auch bei der Lösung.
Lösungen für nachhaltige Ernährungssysteme
tagesschau.de: Was müsste denn da jetzt konkret passieren, damit wir zu so einem Ernährungssystem kommen können?
Hunecke: Bei den Treibhausgasen ist zum Beispiel das CO2 eines der Probleme. Dann haben wir noch Methan und Stickoxide. CO2 kommt zum Beispiel nicht nur aus der landwirtschaftlichen Produktion an sich, sondern entsteht vor allem über Landnutzung und Landnutzungsänderungen. Ein Beispiel ist die Abholzung von Regenwäldern oder die Flächenversiegelung. Ein wenig CO2 entsteht auch über den Energieverbrauch bei der Produktion, also Treibstoff für landwirtschaftliche Technik. Methan und die Stickoxiden kommen fast nahezu vollständig aus der Produktion. Bei Methan ist es vor allem das Fleisch und bei Stickoxiden natürlich vor allem Düngemittel, die genutzt werden.
Und genau hier könnte man ansetzen: Bei Methan vor allem über die Reduktion der tierischen Produkte. Wenn man einfach die Masse der Tiere vermindert, die wir für unseren Konsum haben, wäre das ein Weg zur Lösung. Beim Stickstoff ist es ein bisschen komplizierter. Da geht es nicht nur um den alleinigen Stickstoffverbrauch - also wie viel Düngemittel werden eingesetzt - sondern es geht auch noch um Nutzungseffizienz, das ist ein bisschen komplizierter. Nicht ganz so einfach, wie auf das Stück Fleisch am Mittagstisch zu verzichten.
Ernährung tritt immer mehr in den Fokus
tagesschau.de: Sie waren auch auf der Klimakonferenz in Ägypten und haben da Projekte besprochen, die Sie vorhaben. Wie weit sind wir im Bereich Klima und Ernährung?
Hunecke: Leider noch nicht so ganz so weit, wie wir erhofft hatten. Das Ernährungssystem hat es ja leider nicht in die Abschlusserklärung der COP27 geschafft. Auf der anderen Seite war das die erste Klimakonferenz, wo tatsächlich Ernährung und das Ernährungssystem ein unfassbar großer Bestandteil war. Es gab Pavillons und Veranstaltungen, die sich nur um Ernährung und Gesundheit gedreht haben. Das war auch zum ersten Mal so in diesem Maße auf einer Klimakonferenz.
Auch in der Öffentlichkeit habe ich das Gefühl, dass die Ernährung immer mehr in den Fokus tritt und wir eben nicht nur unbedingt über "Wir müssen Fleisch verbieten" reden, sondern, dass insgesamt die landwirtschaftliche Produktion und die Art und Weise, wie wir eben konsumieren, einen Beitrag zum Klimawandel leistet. Wir sind wahrscheinlich politisch noch nicht ganz da, wo wir hin wollen, aber es beschäftigen sich immer mehr Menschen mit dem Thema - nicht nur Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, auch sehr viele NGOs und viele Politiker und Politikerinnen und das ist eigentlich ein sehr gutes Zeichen.
Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert.