Albatrosse fliegen über die Wellen auf hoher See
Interview

UN-Hochseeabkommen "Die Arbeit fängt erst an"

Stand: 06.03.2023 19:57 Uhr

Die UN-Mitgliedstaaten haben sich auf ein Abkommen zum Schutz der Hochsee verständigt. Warum das ein großer Erfolg ist und was jetzt passieren muss, erläutert der umweltpolitische Sprecher des Alfred-Wegener-Instituts, Stefan Hain.

tagesschau: Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Stefan Hain: Ich bin sehr, sehr glücklich mit dem Ergebnis. Ich beschäftige mich schon seit vielen, vielen Jahren mit der hohen See und arbeite an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Und dieses neue Abkommen ist für mich ein großer Erfolg.

Stefan Hain
Zur Person
Dr. Stefan Hain ist umweltpolitischer Sprecher des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven. Seit sieben Jahren setzt er sich zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am AWI dafür ein, rund um die Antarktis eine Reihe von internationalen Meeresschutzgebieten einzurichten. 

tagesschau: Bisher war nur ein Prozent der Hochsee geschützt. Was braucht es jetzt für Regeln?

Hain: Die hohe See beinhaltet 95 Prozent des Volumens der Weltmeere. Sie ist der größte Lebensraum, den wir auf unserer Erde haben. Und bisher waren die Regeln für die hohe See nicht ausreichend. Das Seerechtsübereinkommen, was in den 1970er- und 1980er-Jahren gemacht worden ist, das ist entstanden, als wir noch so gut wie nichts über die Tiefsee wussten.

Das neue Abkommen legt fest, dass mehr Schutzgebiete eingerichtet werden können. Diese Meeresschutzgebiete können mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen werden. Die Bundesrepublik Deutschland versucht schon seit vielen Jahren, in der Antarktis ein großes Schutzgebiet einzurichten. Und das ist bisher immer wieder gescheitert, weil unter dem Antarktisvertrag Einstimmigkeit da sein muss. Jetzt - mit dem neuen Abkommen - wäre es möglich, auf der hohen See Schutzgebiete mit einer Dreiviertelmehrheit einzurichten. Das wäre eine Maßnahme, die den Schutz erhöhen würde.

Eine zweite Maßnahme ist, dass das Abkommen vorsieht, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen verbindlich gemacht werden müssen für alle Aktivitäten, die eventuell eine erhebliche Auswirkung auf die Meeresumwelt der hohen See hätten. Zurzeit gibt es diese Verpflichtung noch nicht, und das würde garantieren, dass in Zukunft solche Aktivitäten bewertet werden.

"Ein großer Erfolg", Stefan Hain, Alfred-Wegener-Institut, zum neuen UN-Abkommen zum Schutz der Hochsee

tagesschau24 13:00 Uhr

"Das Abkommen ist nur der Startschuss"

tagesschau: Wer muss jetzt aktiv werden, damit diese Regeln auch wirklich in Kraft treten?

Hain: Also, mit dem Abkommen ist nur der Startschuss erfolgt. Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an. Die Umsetzung dieses Abkommens ist enorm wichtig. Weil die Umsetzung wird hinterher zeigen, wie effektiv diese Regeln, die jetzt beschlossen worden sind, in Realität sein werden.

Was mich positiv stimmt, ist, dass viele Mitgliedsstaaten von der UN bereits während der Verhandlungen angekündigt haben, Geldmittel für diese Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Die Europäische Union allein hat 400 Millionen Dollar für die Umsetzung versprochen und ich hoffe, dass die Umsetzung dann relativ schnell und auch gründlich in den einzelnen Mitgliedstaaten erfolgen kann.

Hochsee größtenteils noch unerforscht

tagesschau: Was sind die Gefahren für die Umwelt, wenn es keine Regeln gibt?

Hain: Wir wissen zurzeit noch gar nicht richtig, was alles auf der Hochsee vorgeht. Unter dem neuen Abkommen ist jetzt verbindlich geregelt, dass jede Aktivität zumindest berichtet werden muss. Das ist ein entscheidender Schritt, um zu beurteilen, was läuft alles auf der hohen See, welche potenziellen Auswirkungen für die Organismen, die dort leben, entstehen dadurch.

tagesschau: Welche wirtschaftlichen Interessen hat der Mensch an der Hochsee?

Hain: Für die Fischerei und den Tiefseeboden-Bergbau, der ja auch in letzter Zeit häufig diskutiert wird, gibt es bereits Übereinkommen. Das neue Abkommen wird generelle Ansätze, Prozesse und Richtlinien erstellen, die dann auch für anderen Aktivitäten übertragen werden können.

Ganz wichtig: Das neue Abkommen regelt zum Beispiel auch die Nutzung und den Umgang mit sogenannten marinen genetischen Ressourcen. Das heißt, wenn Sie in der Hochsee einen Organismus entnehmen und aus dem Erbmaterial dieses Organismus ein neues Medikament erstellen, dann gibt es eine Verpflichtung, dass ein gerechter Vorteilsausgleich an zum Beispiel Entwicklungsländer gezahlt wird.

Das Gespräch führte Inga Wonnemann, Redakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt.