Klimawandel Der Wald der Zukunft hat Migrationshintergrund
Forschende wollen Europas Wälder retten: Baumsamen aus trockenen Klimazonen sollen sie klimaresilient machen. Ist das eine Lösung für das Waldsterben? Das hoffen zumindest Wissenschaftler.
Während auf der 29. UN-Klimakonferenz in Baku die Finanzierung der Klimakrise geklärt werden soll, hat die Erderwärmung die kritische 1,5-Grad-Grenze geknackt. Das hat der EU-Klimadienst Copernicus gemeldet. Für den Wald ist der schnelle Temperaturanstieg demnach katastrophal.
Ein Vorschlag aus der Wissenschaft: In Deutschland Fichten mit polnischen Vorfahren und Buchen mit Vorfahren aus Südfrankreich pflanzen - also Bäume mit Migrationshintergrund. "Unterstützte Migration" könnte eine Lösung sein, unsere Wälder zu retten. Dabei werden Samen von Baumarten aus anderen Regionen ausgewählt, die am besten an zukünftige Klimabedingungen angepasst sind.
Zu diesem Befund kommt Waldbau-Professor Jürgen Bauhus auf seinem Versuchswäldchen der Universität Freiburg. Seit mehr als 15 Jahren sucht Bauhus dort nach klimaresilienten Baumarten. Nach der großen Dürre 2018 bis 2021 kommt er zu einer Erkenntnis, die für viele Menschen schwer zu verdauen sei: "Die natürlicherweise an einem bestimmten Standort vorkommenden Baumarten sind häufig nicht die, die am besten angepasst sind - weder jetzt noch in Zukunft."
Die Versuchsfläche Mundenhof aus der Luft: Hier experimentieren die Forschenden mit verschiedenen Baumarten.
Wald als Kohlenstoffsenke
Zu diesem Ergebnis kommt auch das Bundesforschungszentrum für Wald (BfW) aus Wien gemeinsam mit Forstwissenschaftlern aus ganz Europa. Sie haben untersucht, wie der Wald wieder zur Reduzierung des klimaschädlichen CO2 beitragen kann. Sie liefern damit für Europa die ersten länderübergreifenden wissenschaftlichen Empfehlungen.
In der Studie wurde das Potenzial der sieben wichtigsten europäischen Baumarten untersucht, um herauszufinden, welche Samenherkunft die besten Chancen in den nächsten 50 Jahren hat.
Denn das Ökosystem Wald leidet bereits jetzt extrem unter den Folgen des Klimawandels. Das Ergebnis der Bundeswaldinventur im Oktober war ein Weckruf: Der Wald sei mittlerweile sogar zur Kohlenstoff-Quelle geworden, setze also mehr CO2 frei als er speichern könne.
Die Eiche als Hoffnungsträger
Mit "unterstützter Migration" sehen die Forschenden die Möglichkeit, den Wald als Kohlenstoffsenke zu retten. Sein Potenzial, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu speichern, könnte unter Verwendung des richtigen Saatguts, verdoppelt werden.
Die europäischen Eichenarten könnten mit dem Klimawandel gut zurechtkommen. Die Eiche weist eine hohe genetische Vielfalt auf. Das spricht für eine große Anpassungsfähigkeit. Stieleiche und Traubeneiche sollen selbst bei einem extremen Klimawandelszenario von einem Temperaturanstieg bis zu sechs Grad gut wachsen - wenn geeignetes Saatgut verwendet wird.
Fichte, Buche und Eiche mit Migrationshintergrund
Eine Fichte aus Polen oder den Karpaten würde mit den zukünftigen Klimabedingungen in Deutschland besser zurechtkommen als eine deutsche Fichte, so die Studienergebnisse. Zum Vergleich: Für Mittel- und Nordskandinavien wären es Samen von Bäumen aus Südskandinavien, die die besten Chancen aufweisen, während im Baltikum und Weißrussland in weiten Teilen auf lokale Samen gesetzt werden kann.
Bei der Kiefer könnten es aus dem Baltikum stammende Samen sein, die in Deutschland eine bessere Wuchskraft im Klimawandel zeigen. Buchen im Wald der Zukunft haben womöglich Vorfahren aus Südfrankreich und Eichen Vorfahren vom Balkan.
Während die heimischen Bäume mit dem rasanten Wandel nicht zurechtkommen, hatten Bäume aus wärmeren und trockeneren Regionen mehrere Generationen Zeit, sich anzupassen.
Mischwald als Risikovorsorge
Die Zeiten der Monokulturen, wie man sie nach dem Zweiten Weltkrieg pflanzte, sind vorbei. In der Forstwissenschaft herrscht breiter Konsens, dass nur Mischwälder im Klimawandel bestehen können. "Wir werden weniger Bestände haben, die aus ein oder zwei Baumarten bestehen, sondern sollten auf Bestände abzielen, die vier oder fünf Baumarten gemeinsam haben. Das braucht man als Risikovorsorge", erklärt Silvio Schüler vom Bundesforschungszentrum für Wald in Wien und Mitautor der Studie. "Denn wir wissen nicht, welche Krankheiten und Schädlinge herkommen oder wie trocken es wird."
In der Bewirtschaftung müsse stärker auf das Risikomanagement abgezählt werden, so Schüler. "Wir müssen versuchen, diese Störungen wie Schädlinge und Trockenheit durch geeignete Bewirtschaftung vorzubeugen." Ein Teil der Vorbeugung sei dabei der Einsatz des richtigen Saat- und Pflanzgutes bei den Aufforstungen.
Der Wald als Klimaschützer
Der Wald der Zukunft wird anders aussehen - so viel steht fest. Der noch amtierende Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özedmir hatte im Oktober 2024 angekündigt, die Bundesregierung werde 250 Millionen Euro für den Schutz der Wälder bereitstellen. Was nach dem Ampel-Aus mit diesem Plan wird, bleibt abzuwarten.