Luftaufnahme zeigt unterschiedliche Parzellen des Versuchswalds der Universität Freiburg.

Klimawandel Wie Bäume aus dem Süden unsere Wälder retten könnten

Stand: 20.08.2024 18:00 Uhr

Forschende wollen Europas Wälder retten: Baumarten aus trockenen Klimazonen sollen in unseren Wäldern heimisch werden. Eine mögliche Lösung für das Waldsterben und den Klimaschutz, so die Hoffnung der Waldökologen.

Von Kristina Koch, SWR

Der Klimawandel könnte dazu führen, dass viele heimische Baumarten wie Eiche, Fichte und Buche verschwinden. Forschende raten zu "assistierter Baum-Migration", also einem gezielten Anpflanzen von gebietsfremden Baumarten. Der schnelle Umbau der Wälder wäre wichtig, um Europas Wälder als Kohlenstoffsenke zu erhalten.  

Gestresste Wälder im Klimawandel

Trockenheit, Borkenkäfer, Pilzbefall - die Wälder in Deutschland und Europa leiden unter vielen Stressfaktoren, die durch den Klimawandel befeuert werden. Dabei sind Wälder auch ein Mittel gegen den Klimawandel: Sie werden zum Binden von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre dringend gebraucht, dienen also als sogenannte Kohlenstoffsenke - im Gegensatz zu Verbrennermotoren, die eine Kohlenstoffquelle sind.

Eine europäische Studie unter Mitwirkung des deutschen Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde hat die Waldbestände in Europa untersucht und ihr Potenzial als Kohlenstoffsenke analysiert. Um europäische Wälder unter den Bedingungen des Klimawandels zu erhalten, empfehlen die Forschenden "assistierte Migration".

Den heimischen Arten wie Fichte, Ahorn und Buche ist es hier mittlerweile zu warm, zu trocken, und sie werden anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Wenn sie könnten, wären Deutschlands Baumbestände wahrscheinlich längst nach Norden abgewandert. 

 

Europas Wälder zu retten, lohnt sich

Das Potenzial der europäischen Wälder als Kohlenstoffsenke ist groß. Im Vergleich zu Tropenwäldern oder sehr nördlich gelegenen Nadelwäldern ist die Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, bei den im gemäßigten Klima liegenden europäischen Wäldern optimal. 

Jürgen Bauhus ist Professor für Waldbau und Waldschutz an der Universität Freiburg und sucht in einem kleinen Versuchswald nach klimaresilienten Baumarten. Das sind Baumarten, die gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähiger sind, also weniger starke Schäden davontragen oder sich besser erholen können. Nach über 16 Jahren kommt er zu einer Erkenntnis, die wie er sagt, für viele Menschen schwer zu verdauen ist: "Die natürlicherweise an einem bestimmten Standort vorkommenden Baumarten sind häufig nicht die, die am besten angepasst sind. Weder jetzt noch in Zukunft.“ 

 

Ein vom Borkenkäfer zerstörter Fichtenwald steht im Nationalpark Harz.

Deutschland hat bereits viele Hektar an Nadelbäumen verloren. Nadelbäume kämen an vielen Standorten schlechter mit den veränderten Bedingungen durch den Klimawandel klar, so Forschende.

Die ersten Verlierer könnten die Nadelbäume sein

Nadelbäume kämen an vielen Standorten schlechter mit den veränderten Bedingungen durch den Klimawandel klar, betont Bauhus. Über eine halbe Million Hektar an Fichtenwäldern hätte Deutschland bereits verloren, erklärt er. "Auch Nadelbaumarten, die in gemischten Wäldern heimisch sind, wie etwa im Schwarzwald die Weißtanne, leiden massiv. Auch Lärchen und Kiefern sterben auf großen Teilen der Waldfläche ab."

Eine Maßnahme für den schnellen Umbau der Wälder Europas, um sie als Kohlenstoffsenke zu erhalten: Nadelbäume durch Laubbäume ersetzen.

Ein Baumartenwechsel ist allerdings nicht so leicht umzusetzen. "In der Regel werden jedes Jahr nicht mehr als ein bis zwei Prozent der Waldfläche verjüngt", gibt Bauhus zu bedenken. Chancen für einen Baumartenwechsel sieht der Waldbauprofessor vor allem bei den großen Freiflächen, die durch Borkenkäfer, pilzliche Krankheiten und Trockenheit entstanden sind.

Auf den Samen kommt es an

Ob Nadel oder Laub, viel wichtiger ist die Herkunft des Samens. Woher eine Baumart stammt, ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Baumes im Klimawandel, weiß Bauhus. "Dort, wo wir die Nadelbäume mit Laubbäumen ersetzen, auch da ist es sinnvoll, nicht die lokalen Laubbaumherkünfte zu nehmen, sondern in den allermeisten Fällen besser angepasste Herkünfte aus anderen Regionen Europas." 

Denn diese Bäume hatten mehrere Generationen Zeit, um sich an Hitze und Trockenheit anzupassen. Einige Baumarten scheinen vielversprechende Kandidaten für deutsche Wälder. Darunter zum Beispiel die Zerreiche aus dem mediterranen Raum. Sie kommt mit dem jetzigen deutschen Klima besser klar als die heimische Stieleiche.

Hürden auf EU-Ebene

Ob ein Forstbetrieb Sämlinge von nicht typisch in Deutschland vorkommenden Bäumen auch im Wald pflanzen kann, ist eine andere Frage. Bei der Beschaffung von Samen gibt es auch administrative Hürden, berichtet der Waldbau-Professor. "Je nach Baumart sind Samen aus anderen Teilen Europas für die Forstwirtschaft auf nationaler Ebene nicht unbedingt zugelassen. Auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene muss noch sehr viel geleistet werden, damit überhaupt so ein Austausch von Saatgut zugelassen ist und diese Bäume dann auch hier gepflanzt werden können." 

Weitere Hürden sind knappes Saatgut und hohe Kosten. Bei der konventionellen Reihenpflanzung von circa 5.000 Sämlingen auf ein Hektar Wald können sich die Kosten leicht auf 25.000 Euro pro Hektar oder mehr belaufen, Zäune gegen Rehwild und Pflegekosten inklusive. Vorausgesetzt man bekommt so viele Sämlinge.  

Luftaufnahme zeigt unterschiedliche Parzellen des Versuchswalds der Universität Freiburg - daneben eine Straße

Chancen für einen Baumartenwechsel sieht Jürgen Bauhus, Professor für Waldbau und Waldschutz, vor allem bei den großen Freiflächen, die durch Borkenkäfer, pilzliche Krankheiten und Trockenheit entstanden sind.

Mit der richtigen Pflanzung zum klimaresilienten Mischwald

Waldbesitzende stehen vor einigen Herausforderungen beim Umbau zum klimaresilienten Wald. Eine Lösung könnte laut Bauhus sein, die Bäume in Clustern oder Trupps anzupflanzen - also in kleine Ansammlungen anstelle von engen Reihen.

"Pro Trupp, die im Abstand von zehn bis 15 Metern angelegt werden, pflanzt man etwa 20 Bäume. Der Rest der Fläche wird sich selbst überlassen. Da können sich dann alle möglichen anderen Baumarten verjüngen, so dass das wiederum auch in der Regel ein sehr gemischter Bestand wird. Wir verbrauchen nur ein Drittel oder ein Viertel des Pflanzmaterials gegenüber der konventionellen Reihenpflanzung und haben am Ende einen klimaresilienten Mischwald." 

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. August 2024 um 11:47 Uhr.