Ergebnisse der "Tara"-Expedition Wie Korallen den Klimawandel überleben
Ein Drittel des weltweiten Korallenbestands ist bereits zerstört. Auf einer gut zweijährigen Expedition haben Forscher nun Daten gesammelt. Sie zeigen, was manche Korallen resilienter gegen den Klimawandel macht.
Mehr als zwei Jahre lang segelte das französische Expeditionsschiff "Tara" durch den Pazifik. Dabei machten die Forschenden an Bord an fast 100 Korallenriffen halt, um Tausende Wasser- und Korallenproben zu entnehmen. Vor knapp fünf Jahren endete die Expedition. Jetzt wurden die ersten Ergebnisse der Datenanalyse veröffentlicht.
Die Erkenntnisse sollen dabei helfen, die Lebensbedingungen von Korallen besser zu verstehen, ihren Gesundheitsstatus zu überprüfen und neue Möglichkeiten für den Naturschutz zu erschließen. Denn Korallenriffe gehören zu den Ökosystemen, die vom Klimawandel am stärksten bedroht werden.
Das Forschungsschiff "Tara" segelt seit Jahren um die Welt, um Daten für die Forschung zu sammeln.
Enormes Korallensterben befürchtet
Mehr als die Hälfte des weltweiten Korallenbestands gilt aktuell als gefährdet, heißt es in einem Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Ohne Schutzmaßnahmen sind bis zum Ende des Jahrhunderts möglicherweise 99 Prozent der Korallen ausgestorben, befürchtet der Meeresbiologe Christian Voolstra von der Universität Konstanz. Er war insgesamt 80 Tage auf der "Tara" und beobachtete das zunehmende Ausbleichen der Korallenriffe.
Um die Korallenriffe in Zukunft besser schützen zu können, führten die Forschenden die bisher umfangreichste Bestandsaufnahme durch. Weltweit sind derzeit über 5000 Korallenarten bekannt. Jede Art hat sich dabei individuell an ihren Lebensraum angepasst und nicht alle Arten leiden gleichermaßen unter dem Klimawandel.
Ein guter Indikator für den Gesundheitszustand von Korallenriffen ist deren Farbe: Gesunde Riffe sind durch die beheimatete Artenvielfalt bunt gefärbt - vor allem durch kleine Algen, die in Symbiose mit den Korallen leben. Dabei geben sie überlebenswichtige Nährstoffe an die Korallen ab.
Der Anstieg der Wassertemperatur durch den Klimawandel verändert den Stoffwechsel der Algen: Statt Sauerstoff und Zucker stoßen sie schädliche Sauerstoffradikale aus. Um sich zu schützen, stoßen die Korallen die Algen ab und bleichen infolgedessen aus. Bleiben die Temperaturen langfristig hoch, verhungern die Korallen.
Unterschiedliche Anpassungsfähigkeit
Ein Indikator für die Langlebigkeit und Stressfähigkeit der Korallen, so fanden die Forschenden nun heraus, ist die Länge ihrer Telomere. Das sind die Enden der Chromosomen, die das Erbgut schützen. Korallen, die ihre Telomerlänge abhängig von der Wassertemperatur verändern, sind den Ergebnissen zufolge kurzlebiger und stressempfindlicher. Langlebige und stressresistente Korallen scheinen hingegen über einen Mechanismus zu verfügen, die Länge der Telomere zu erhalten.
Die Telomerlänge gilt daher als gutes Maß, die Korallengesundheit und Biodiversität eines Riffs einzuschätzen, um Maßnahmen zur Riffsanierung abzuwägen, so die Forschenden.
Bakterielle Vielfalt im Riff stark unterschätzt
Auch die Artenvielfalt in den Korallenriffen hilft dabei, die Empfindlichkeit der Korallen auf die Umweltveränderungen einzuschätzen. Die ersten Ergebnisse der Expedition überraschen dabei: Die Vielfalt an Bakterien in den Riffen ist sogar noch höher als bisher gedacht.
Laut Voolstra lassen sich Bakterien relativ leicht untersuchen. Sie dienen daher als guter Indikator für den Gesundheitszustand einer Koralle. So könnte anhand der Art und Anzahl vorhandener Bakterien im Riff überwacht werden, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Korallen ausübt, um im Fall einer Verschlechterung schnell zu handeln.
Denn nicht jede Koralle reagiert gleich auf äußere Einflüsse. So können sich manche Korallen durch den Austausch mit Bakterien genetisch weiterentwickeln. Solche Korallen könnten sich möglicherweise schneller an den Klimawandel anpassen, sagt Meeresbiologe Voolstra.
Stressresistenz dank doppelter Gene
Bei manchen Korallen zeigte sich außerdem ein weiterer Überlebensvorteil im Erbgut: Bestimmte Gene, die hauptsächlich mit dem Immunsystem und der Krankheitsresistenz zusammenhängen, fanden die Forschenden dort zweimal. Sie nehmen an, dass solche Korallen möglicherweise widerstandsfähiger sind.
Das könnte zum Beispiel erklären, warum auch Korallen im Flachwasser tausende Jahre alt werden, obwohl sie ganzjährig UV-Strahlung ausgesetzt sind. Ein Mensch würde bei einer solchen Strahlenlast Hautkrebs entwickeln, so Voolstra.
"Es wird erstmal sehr viel schlimmer, bevor es besser wird"
Die umfangreiche Forschung der "Tara"-Expedition zeigt, dass viele Korallen bereits auf kleine Temperaturveränderungen empfindlich reagieren. Man hat aber auch mehr darüber herausgefunden, welche Mechanismen bestimmte Korallenarten widerstandsfähiger machen. Meeresbiologe Voolstra vermutet daher im Gespräch mit dem SWR, dass es trotz steigender Temperaturen immer Korallenriffe geben wird, die überleben können und die es zu schützen gilt.
Solche resistenten Korallen könnten dann als Reservoir dienen, aus dem sich die Korallenriffe zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise wieder erholen können.