Luftaufnahme von zu Forschungszwecken angelegten Feldern

Landwirtschaft im Klimawandel Wie Wissenschaftler die Feldfrucht der Zukunft suchen

Stand: 12.08.2023 09:58 Uhr

Der Klimawandel trifft die Landwirtschaft besonders stark. An mehreren Orten in Deutschland testen Wissenschaftler, welche Feldfrüchte auch bei Hitze oder Trockenheit gute Erträge versprechen. Doch das braucht Zeit.

Von Pirmin Breninek und Leon Willner, BR

Entlang der Wurzeln haben sich schon erste Hülsen gebildet. Noch sind sie wenige Millimeter groß, doch durch die weiße Farbe bereits gut zwischen der klumpigen Erde zu erkennen. Erdnusspflanzen wie diese sind in Bayern eine Seltenheit. Geht es nach Heidi Heuberger, könnte sich das in den kommenden Jahren ändern.

Heuberger leitet die Arbeitsgruppe Kulturpflanzenvielfalt an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. An verschiedenen Standorten testen Agrar-Experten ihres Instituts, welche Kulturarten und Sorten künftig die bayerische Landwirtschaft ergänzen könnten. Eine der Hoffnungen liegt auf den Erdnussversuchen.

Wissenschaftler forschen an mehreren Standorten

Auf einem Acker im unterfränkischen Neuses am Berg macht sich Heuberger selbst ein Bild. Ansonsten arbeitet sie im oberbayerischen Freising. In Unterfranken betreibt die Landesanstalt ein Forschungszentrum für Landwirtschaft in Trockenlagen.

Klimakrise: Anpassungen in der Landwirtschaft

Pirmin Breninek, BR, tagesschau, 10.08.2023 17:00 Uhr

Denn die klimatischen Bedingungen im Freistaat sind unterschiedlich. Im Süden regnet es meist mehr als im Norden. Besonders drastisch war das im vergangenen Sommer zu beobachten: Im unterfränkischen Würzburg regnete es im Juli 2022 lediglich 13,4 Liter pro Quadratmeter - wenig mehr als eine Gießkanne, bei Temperaturen von über 30 Grad.

Die Trockenperioden häuften sich zuletzt. Klimaforscher Heiko Paeth von der Uni Würzburg bezifferte es im vergangenen Winter wie folgt: Seit 2015 fehlt in Würzburg - verglichen mit dem langjährigen Mittel - in etwa eine durchschnittliche Jahresmenge Niederschlag.

Erdnuss

Könnten künftig häufiger auf deutschen Feldern zu sehen sein: Erdnusspflanzen

Suche nach den perfekten Sorten

Weil es wärmer und trockener werde, suchten Landwirte mehr und mehr nach Alternativen, sagt Heuberger. Sie ist in die Hocke gegangen, zieht an zwei der Erdnusspflanzen, die auf den Acker in Neuses am Berg gepflanzt sind. Etwa 15 Zentimeter hoch ragen die Blätter aus dem Boden. An den Wurzeln der einen Pflanze hat sich eine Hülse gebildet - bei der anderen jedoch nicht.

Das Vorgehen der Wissenschaftler basiert auf dem Prinzip: Versuch und Irrtum. Zwar wissen sie grundlegend, dass Kulturarten wie die Erdnuss warme Böden bevorzugen. Sie wissen, dass es Sorten gibt, die nur wenige Monate bis zur Reife benötigen. Welche Sorten sich auf welchen Böden aber am besten eignen, wann sie gesät werden sollten und welche Techniken am besten angewendet werden sollten - dazu wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr herausfinden.

Neben den Erdnüssen laufen auf dem Feld in Neuses am Berg derzeit auch Versuche mit Augenbohnen, Sesam, Schwarzkümmel und Körnerhirse. Alle Arten sind in der deutschen Landwirtschaft bislang unüblich. Die Augenbohne ist zum Beispiel in Afrika, südlich der Sahara ,verbreitet, ähnlich wie in Brasilien. Die Sesamsorten, die auf dem Acker getestet werden, stammen aus Portugal, Bulgarien, Indien, dem Iran oder dem Jemen.

Für ein Fazit zur Erdnuss, Augenbohne oder Sesam sei es noch zu früh, sagt Heuberger. Die Versuchsreihen dazu haben erst in diesem Jahr begonnen. Etwas weiter sind die Wissenschaftler bei der Körnerhirse. Zumindest in Unterfranken zeichnen sich erste Erfolge ab.

Körnerhirse

Körnerhirse konnte schon im Dürre-Sommer 2022 überzeugen. Sie eignet sich zum Beispiel als Futter für Schweine oder Hühner.

Vielversprechende Ergebnisse bei der Körnerhirse

Die Körnerhirse eignet sich zum Beispiel als Futter für Schweine oder Hühner. "Ich würde nicht sagen, dass sie die Kulturpflanze der Zukunft ist. Aber sie ist zumindest eine Kulturpflanze der Zukunft", sagt Janina Goldbach. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin betreut sie die Versuche der Landesanstalt zur Körnerhirse, "Sorghum bicolor" in der Fachsprache. Die Wurzeln der Pflanze reichen tief. An ihrem Halm und den Blättern bildet sie eine Wachsschicht aus, die vor Verdunstung schützt.

Bereits im dritten Jahr laufen die Versuche in Unterfranken - und vor allem im Dürre-Sommer 2022 konnte die Körnerhirse überzeugen. Damals seien viele Maisbestände in die Notreife gegangen sind, Landwirte mussten vorzeitig ernten. "Die Körnerhirse ist bis zum Schluss sehr schön grün und vital geblieben", sagt Goldbach.

Mit durchschnittlich 7,1 Tonnen pro Hektar lag die Körnerhirse in Unterfranken sogar etwas über dem Körnermais. Der kam 2022 nur auf durchschnittlich 6,6 Tonnen. Dabei sei das züchterische Potenzial bei der Körnerhirse längst nicht ausgeschöpft, sagt Goldbach. Auf dem Versuchsacker in Neuses am Berg stehen derzeit unter anderem Testhybriden der Universität Gießen.

Landesanstalt rät weiterhin, etablierte Kulturen zu pflanzen

Das Interesse an den Sortenversuchen der Landesanstalt ist groß. "Die Landwirte verlassen sich auf solche amtlichen Ergebnisse. Insofern sind solche staatlichen Versuche zu befürworten", sagt Alfons Baumann, Fachberater beim Bayerischen Bauernverband in Würzburg. Zu einer öffentlichen Feldbegehung kamen in dieser Woche mehr als 100 Landwirte nach Neuses am Berg. Ähnlich war es vor einem Jahr, als die Landesanstalt schon einmal über die Körnerhirse informiert hatte.

Trend zur fleischlosen Ernährung

Klar ist auch: Damit die Landwirte bereit sind, sich umzustellen, muss sich der Anbau rechnen. Das wird bei der Feldbegehung deutlich. Christian Regnet verwaltet ein landwirtschaftliches Gut im Besitz einer regionalen Stiftung. Er verweist auf den Trend zur fleischlosen Ernährung. Auch deshalb hat sein Betrieb bereits Erfahrungen mit Kidneybohnen, Kichererbsen und Linsen gesammelt: "Da könnte der Weg hingehen, wenn natürlich auch die Bevölkerung bereit ist, für diese Ware etwas mehr zu bezahlen." Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten: Manche Kulturarten, wie die Kichererbse, gelten zwar als trockenheitsresistent. Regnet es viel, verfault die Kultur und es droht ein Totalausfall. 2021 war das der Fall, berichtet der Landwirt. Regnet fordert staatliche Fördermittel für Landwirte, die Nischenkulturen ausprobieren.

Wissenschaftlerin Heuberger ist sich der Risiken bewusst. Sie rät den Landwirten für solide Erträge weiterhin auch auf etablierte Pflanzen zu setzen. "Man muss diversifizieren. Man kann nicht immer auf eine Kultur setzen", sagt sie. Denn auch auf dem Versuchsfeld in Unterfranken ist deutlich zu erkennen: Die Vergleichsfläche mit dem gewöhnlichen Körnermais ist in diesem Jahr hochgewachsen. In diesem Sommer hat es deutlich mehr geregnet als noch 2022. Der Ertrag dürfte dieses Mal über der Körnerhirse liegen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Juni 2023 um 10:00 Uhr.